Lexikon: Nürnberger Prozesse

von Tanja Lindauer

Die Angeklagten von links: Hermann Göring, Karl Dönitz, Joachim von Ribbentrop, Erich Raeder, Wilhelm Keitel, dahinter Baldur von Schirach und Ernst Kaltenbrunner (Quelle: Deutsches Bundesarchiv)

Zwischen 1933 und 1945 wurde Deutschland von einer nationalsozialistischen Diktatur regiert. Die Nationalsozialisten führten damals im "Deutschen Reich" eine Terror- und Schreckensherrschaft. Als der Zweite Weltkrieg beendet wurde, beschlossen die alliierten Siegermächte, dass die nationalsozialistischen Einrichtungen, Behörden und Organisationen so schnell wie möglich aufgelöst werden sollten. Es wurde eine so genannte "Entnazifizierung" durchgeführt: Nazis sollten keinen Einfluss mehr auf das Leben in Deutschland haben und die Alliierten trafen Vorsorgen, dass derartige Organisationen nicht wiederbelebt werden konnten. Allein in Bayern wurden beispielweise 10.000 Lehrer entlassen, die sich dem Nationalsozialismus verschrieben hatten. Solches Gedankengut sollte nicht mehr in den Schulen gelehrt werden.

Zudem sollten die Hauptkriegsverbrecher des Nationalsozialismus zur Rechenschaft gezogen werden - ihnen wurde der Prozess gemacht. Zu den wichtigsten dieser Kriegsverbrecherprozesse gehörten die so genannten Nürnberger Prozesse. Noch im selben Jahr, in dem der Krieg beendet wurde, wurden wichtige Personen des Naziregimes vor Gericht gestellt. Am 20. November 1946 begannen die Nürnberger Prozesse, die sich bis April 1949 hinzogen.

In Nürnberg tagten in einem Gerichtssaal vom 20. November 1945 bis zum 1. Oktober 1946 das Internationale Militärtribunal, das auf den Beschlüssen der vier Besatzungsmächte beruhte. Der damalige US-amerikanische Präsident Harry S. Truman beauftragte den Bundesrichter Robert H. Jackson, das Verfahren zu organisieren und zu überwachen. Den Hauptbeteiligten der Naziverbrechen sollte für ihre Gräueltaten der Prozess gemacht werden. Die Stadt Nürnberg wählte man deshalb als Ort aus, weil dort das Justizgebäude nach dem Zweiten Weltkrieg kaum beschädigt worden war, ebenso wie das Gefängnis in der Nähe.

Am 18. Oktober 1945 fand die Eröffnungssitzung des Tribunals statt. An diesem Tag wurde die Anklageschrift gegen die 24 Hauptkriegsverbrecher, führende Politiker während des Nationalsozialismus, verlesen. Im November begannen die eigentlichen Prozesse. Der Hauptkriegsverbrecherprozess endete im Jahr 1946, doch es folgten bis 1949 noch weitere Prozesse. Sie konnten aber aufgrund des Kalten Krieges zwischen den USA sowie den westlichen Ländern auf der einen und den Ostblockstaaten unter der Führung der Sowjetunion auf der anderen Seite nicht mehr von den Siegermächten gemeinsam durchgeführt werden. In den einzelnen Besatzungszonen in Deutschland fanden daher noch weitere Prozesse statt, die man als Folgeprozesse bezeichnete. Zu den bekanntesten gehören die zwölf Prozesse der US-Amerikaner, die bis 1949 geführt wurden. Es gab zum Beispiel einen Ärzteprozess, in dem Mediziner wegen Versuchen an Menschen zur Rechenschaft gezogen wurden, oder den Flick-Prozess, benannt nach dem Großunternehmer Friedrich Flick, bei dem es um schwere Zwangsarbeit durch Kriegsgefangene ging.

Den Hauptkriegsverbrechern wurden vier Verbrechen vorgeworfen: 1. Die Verschwörung gegen den Weltfrieden, 2. Die Planung und Durchführung eines Angriffskrieges, 3. Verstöße gegen das Kriegsrecht und 4. Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Mit den Nürnberger Prozessen wurde auch Justizgeschichte geschrieben, denn der Anklagepunkt "Planung und Durchführung eines Angriffskrieges" war neu. Es kam zu hitzigen Diskussionen über diesen Anklagepunkt: Die Sieger würden über die Verlierer nun in einem Prozess urteilen und es habe den Anschein, dass es sich um eine Art Racheakt handelte, sagten die Gegner. Es ging um eine Grundsatzdiskussion, denn man könne keine Strafe verhängen "für eine Tat, die zur Zeit der Ausführung noch nicht unter Strafe stand". Aber kaum einer der Angeklagten wurde nur für diesen einen Punkt verurteilt, sodass die Diskussionen für die Verurteilungen keine Auswirkungen hatten.

Zu den Hauptkriegsverbrechern gehörten unter anderen Reichsmarschall Hermann Göring, Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß, Außenminister Joachim von Ribbentrop, Großadmiral Karl Dönitz, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, Innenminister Wilhelm Frick und Julius Streicher, Herausgeber von der judenfeindlichen Wochenzeitung "Der Stürmer". Weiterhin saßen auf der Anklagebank Reichsjugendführer Baldur von Schirach, Stabsleiter Martin Bormann, Rüstungsminister Albert Speer, Generaloberst Alfred Jodl, Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht, Abteilungsleiter im Reichspropagandaministerium Hans Fritzsche und Hitlers "Steigbügelhalter" Fritz von Papen, der Adolf Hitler zur Macht verholfen hatte. Neben Personen wurden aber auch ganze Organisationen, wie die SS ("Schutzstaffel"), angeklagt. Hitler und Reichspropagandaminister Joseph Goebbels konnten nicht mehr angeklagt werden, da sie bereits Selbstmord begangen hatten.

An 218 Tagen wurde der Prozess verhandelt und viele Menschen wurden als Zeugen aufgerufen, deren Aussagen der vorsitzende Richter Geoffrey Lawrence sich anhören und beurteilen musste. Fast ein Jahr später wurde in dem Hauptkriegsverbrecherprozess ein Urteil gefällt. Am 30. September und am 1. Oktober wurden zwölf Todesurteile gefällt, sieben Gefängnisstrafen verhängt und drei Angeklagte, nämlich Schacht, von Papen und Fritzsche, wurden freigesprochen. Zwei Urteile konnten zudem nicht gefällt werden, der Angeklagte Robert Ley beging vor Prozessbeginn Selbstmord und bei Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Aufsichtsratsvorsitzender der Krupp AG, musste das Verfahren wegen gesundheitlichen Gründen eingestellt werden.

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Co-Autorin: Britta Pawlak
letzte Aktualisierung: 28.11.2011

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