Thema: Ich und Abasi (eine etwas andere Liebesgeschichte )

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Abuja als Gast (Gast) (15) aus

schrieb :

#1

Als es passierte, saß ich gerade auf einem Schreibtischsessel vor Papas Computer und schaute mir gemeinsam mit meinem Bruder zum dritten Mal die Highlights des Classico an. Eigentlich mochte ich Fußball gar nicht so besonders, aber meinen Bruder. Den mochte ich so sehr, dass ich am liebsten jede freie Minute mit ihm verbrachte. Darum saß ich an diesem Tag auch vor dem PC, die Beine auf den Tisch gelegt, und guckte Highlights. Und genau in dem Moment, als Cristiano Ronaldo einen Freistoß aus 30 Metern Entfernung ans Lattenkreuz schoss, fiel ich vom Sessel. Bumm. Ganz plötzlich, ohne jegliche Vorwarnung.
Mein Bruder hat zuerst gedacht, ich mache einen blöden Scherz. "Du bist wohl ein bisschen zurückgeblieben", hat er kopfschüttelnd gesagt. Weil es mir beim dritten Mal ansehen einfiel, aus Trauer über die vergebene Chance zu Boden zu sinken. Und das, wo das Spiel schon gestern Abend war. Und überhaupt hätte ich mich ja freuen sollen, schließlich war Barcelona meine Lieblingsmannschaft. Das hat mein Bruder vor ein paar Jahren für mich beschlossen.
Als ich darauf nichts sagte und mich auch nicht rührte, sagte er: "Jetzt ist es endgültig an der Zeit, dass sie in eine geschlossene Anstalt kommt". Und dabei lachte er. Als ich nach zweieinhalb Minuten noch immer nicht aufgestanden war, und mich außerdem übergeben hatte, hat mein Bruder dann doch ziemlich Angst gekriegt und nach Mama geschrieen. Aber die war in ein Gespräch mit ihren Freundinnen vertieft und hat zurückgebrüllt, dass sie gerade echt keine Zeit hatte. Also hat mein Bruder den Krankenwagen gerufen, und der ist dann auch gekommen, mit ein paar Rettungsleuten, die mich reanimierten. Als Mama sie ins Haus laufen sah, hatte sie dann doch plötzlich Zeit, sich gemeinsam mit ihren Freundinnen in die Tür zum Arbeitszimmer zu stellen und hysterisch zu kreischen.
Das alles hat mir mein Bruder gerade erzählt. Jetzt lag ich auf dem Krankenbett und lachte und lachte, obwohl das ziemlich wehtat in den drei Rippen, die mir der Notarzt bei der Reanimation gebrochen hatte.
Aber die Situation war auch verrückt genug: Ich lag unter dem Tisch in meiner eigenen Kotze und wurde von ein paar Rettungsmännern wiederbelebt, während mein Bruder blöd schaute und meine Mutter und ihre Freundinnen kreischend danebenstanden. Weil ich auf einmal gestorben war. Einfach so, ganz plötzlich und ohne jegliche Vorwarnung. Und im Hintergrund schoss Cristiano Ronaldo zum ungefähr vierhundertsten Mal den Ball ans Lattenkreuz. Aus dreißig Metern Entfernung.
"Ich glaube, der schöne Cristiano wäre beleidigt gewesen, wenn er erfahren hätte, dass ich während seines phänomenalen Schusses einfach so unter den Tisch gefallen bin, und mich dann auch noch übergeben habe", sagte ich kichernd. "Dass du einfach so gestorben bist", fügte mein Bruder hinzu, "ohne auf den wichtigen Moment Rücksicht zu nehmen. Immerhin war sein Schuss im wahrsten Sinne des Wortes UMWERFEND". "Für mich zumindest". Ich nickte. Wir lachten noch immer, als plötzlich die aggressive Krankenschwester hereinkam und meinen Bruder anfuhr, dass er mich nicht so aufregen durfte. Und dann behauptete sie, die Besuchszeit sei jetzt zu Ende, und jagte ihn hinaus. Schlechter Zeitpunkt. Ich wollte ihm gerade erzählen, wie blöd meine Krankenschwester ist.
Eine halbe Stunde später taten meine Rippen noch immer weh. Nach dem Spaß mit meinem Bruder war meine Laune jetzt am Boden. Ich ärgerte mich, weil ich ihn etwas wichtiges zu fragen vergessen hatte: Welche Krankheit ich hatte. Einen Moment lang dachte ich daran, die Krankenschwester zu fragen. Aber das war definitiv KEINE gute Idee. Wer weiß, wie sie reagiert. Und ich war ihr hier ja völlig ausgeliefert, die Schläuche, an denen ich hing, machten jede Flucht unmöglich. Also schloss ich die Augen und schlief ein. Das war so eine besondere Fähigkeit von mir: innerhalb von Sekunden einzuschlafen, wann und wo ich wollte.

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Mi**** (abgemeldet) (24)

schrieb :

#3

Am nächsten Tag war meine ganze Familie im Krankenzimmer versammelt: meine Mutter, mein Vater und mein älterer Bruder Dani. Nur meine Schwester fehlte. Aber meine Schwester... das ist eine ganz andere Geschichte.
Meine Mutter hatte verweinte Augen. Sie umarmte mich, und mein Vater umarmte mich auch. Er roch nach Rauch und Staub, nach Arbeit. Meine Mutter sagte ungefähr zwanzigmal, dass alles wieder gut werde. Mein Vater unterbrach sie ein paar mal und warf ein, dass alles wieder gut werde, ganz bestimmt. Ich ließ sie ein paar Minuten lang reden, dann unterbrach ich sie: "WAS wird wieder gut?", fragte ich. Meine Eltern schauten beide auf den Boden und schwiegen. Ich fragte mich, warum ein Mann, der um vier in der Früh Eisenbahnwaggons mit siebzig Kilo schweren Stahltrümmern belud, zu schwach war, ein paar Worte zu sagen. Nach ungefähr hundert Stunden murmelte meine Mutter: "Deine Nieren sind kaputt". Ich nickte. "Mach dir keine Sorgen deswegen", sagte mein Vater, "du bekommst neue". Er sagte das so, als hätte ich meine Stifte verloren oder meine Bücher. "Bis dahin musst du regelmäßig zur Dialyse", sagte Mama. "Deswegen musst du erst mal hierbleiben". Ich nickte wieder. "Ich...", Mama starrte so konzentriert auf den Fußboden, dass ich fürchtete, dass demnächst ihre Augen rausfallen. "Ich kann nicht bei dir bleiben", murmelte sie, "ich kann den Job nicht kündigen und krieg keine Pflegekarenz, weil deine Krankheit nicht tödlich ist." "Wieso nicht?", frage ich, "Ich doch erst vorgestern dran gestorben". "Sag das meinem Chef", antwortete meine Mutter.
Einen viel zu langen Moment schwiegen wir alle. Dann sagte ich: "Schon okay. Geh nur in die Fabrik, Mama, ist nicht schlimm. Ich versteh schon". Meine Stimme hätte locker klingen sollen, aber stattdessen hatte sie einen vorwurfsvollen Unterton. Meine Mutter sah mich verzweifelt an. "Schon okay", sagte ich noch einmal, "schon okay". Meine Eltern umarmten mich wieder, dann gingen sie langsam aus dem Zimmer. Dani lief mit ein paar Metern Abstand hinter ihnen her. Erst jetzt fiel mir auf, dass er die ganze Zeit über nichts gesagt hatte. "Woran bin ich gestorben?", rief ich ihn nach. "Nierenversagen!", rief er zurück. Dann fiel die Tür zu und sie waren endgültig weg. Die aggressive Krankenschwester kam mit einer Schüssel voll grünbrauner Pampe herein. "Essen", befahl sie. "Ich...", fing ich an, aber als ich ihren Blick auffing, begann ich hastig zu essen. Kaum hatte die Schwester sich umgedreht, legte ich den Löffel weg und schlief ein.

gelöschter Benutzer (Gast) (15)

schrieb :

#2

wirklich wirklich gut.

Ich war sofort gefangen in deiner Geschichte!

Weiterweiterweiterweiterweiterweiterweiter!!!!

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