Der gefürchtete "Schwarze Tod": Die Pest im Mittelalter

von Antje Leser

Der "Schwarze Tod" raffte im 14. Jahrhundert innerhalb von sechs Jahren mehr als ein Drittel der europäischen Bevölkerung dahin. Nun haben Forscher an Skeletten eines alten Londoner Friedhofs das Erbgut (Genom) des mittelalterlichen Pesterregers entschlüsselt. Dabei stellte sich heraus, dass sich der Erreger bis heute kaum verändert hat. Diese Erkenntnis könnte helfen, in Zukunft noch bessere Wirkstoffe gegen Krankheiten zu entwickeln. Doch wie kam es eigentlich zu dieser verheerenden Seuche? Und wie bekämpften die Menschen die Pest?

Der "Schwarze Tod" raffte im 14. Jahrhundert innerhalb von sechs Jahren mehr als ein Drittel der europäischen Bevölkerung dahin. (Quelle: Wikimedia Commons)

Die Pest (das lateinische Wort "pestis" bedeutet Seuche) ist eine hochansteckende Infektionskrankheit, die in der Zeit von 1347 bis 1353 in Europa mehr als 25 Millionen Todesopfer forderte. Ganze Landstriche wurden innerhalb kurzer Zeit entvölkert. Betroffen waren vor allem die Dörfer und Städte, in denen die Menschen eng beieinander wohnten, denn dort waren die hygienischen Zustände besonders schlecht. Die Abfälle und das Abwasser wurden direkt auf die Straße gekippt, es gab keine Toiletten und Mensch und Tier lebten auf engstem Raum zusammen. Nagetiere wie Ratten huschten durch die Gassen und deren Flöhe und saugten sich an Mensch und Tier gleichermaßen voll.

Hatte sich eine Ratte mit der Pest infiziert und starb, sprangen ihre blutdurstigen Flöhe auf den Menschen über. Innerhalb von wenigen Stunden bekam der Patient Fieber, Schüttelfrost, und schmerzhafte Beulen am Hals, in den Achselhöhlen und in den Leisten ("Beulenpest"). Die Haut verfärbte sich blauschwarz, weshalb man später auch vom "Schwarzen Tod" sprach. Wer mit der Pest infiziert war, steckte sehr schnell seine Mitmenschen an. Es genügte ein Husten oder Niesen (Tröpfcheninfektion) oder bereits der Kontakt mit den Kleidern des Kranken oder Toten. Ein Heilmittel gegen die Pest gab es zunächst nicht und über Bakterien, Viren und Bazillen wussten die Ärzte damals noch nicht bescheid. So konnte sich die Krankheit ungehindert ausbreiten.

Rätsel über den Grund des Übels

Die Pest breitete sich insbesondere über Ratten und deren Flöhe aus, die von den Nagern infiziert waren und auf den Menschen übersprangen. (Quelle: Martin Lemke/ Wikimedia Commons)

Pestwellen hatte es bereits vor dem 14. Jahrhundert gegeben. Nach Mitteleuropa kam der "Schwarze Tod" zunächst über Asien. Die gefürchteten "Tataren" (vom griechischen "Tartaros", das bedeutet "die aus der Hölle kommen") belagerten 1347 die Stadt Caffa - das heutige Feodossija - in der Ukraine. Caffa war eine wichtige Handels- und Hafenstadt und gehörte zu Genua. Sie war gut geschützt und die Angreifer mussten bald unverrichteter Dinge abziehen. Zurück blieben ihre Toten, von denen man annimmt, dass sie bereits mit dem Pesterreger infiziert waren. Angeblich sollen sie von den Tartaren sogar über die Stadtmauern katapultiert worden sein, sodass die Pest sich schnell in der Stadt ausbreitete.

Seeleute und Händler sowie Flüchtlinge verbreiteten die Seuche schließlich über die Handelsrouten in ganz Europa. Zunächst über die Wasserstraßen, später auch über den Landweg erreichte die Pest Anfang 1348 Venedig, Pisa und Florenz, wo nur etwa ein Fünftel der Menschen überlebte. Kurz darauf wütete sie in Frankreich, Spanien und England. 1349 rollten die Pestwellen über Deutschland hinweg, wobei vor allem Hamburg, Köln und Bremen betroffen waren. Hafenstädte waren besonders bedroht, weshalb man einlaufende Schiffe und deren Besatzung für 40 Tage isolierte. Das Wort "Quarantäne" (vom französischen Ausdruck "une quarantaine de jours", also "40 Tage") stammt übrigens aus dieser Zeit. Leider half auch diese Verordnung nicht viel, da die infizierten Schiffsratten über die Schiffstaue an Land kletterten und die Pest in die Hafenstädte trugen.

Massenhafte Panik vor dem Schwarzen Tod

Arnold Böcklin, "Die Pest" (1898): Ein Teufel mit Schwanz und Totenkopf verkörpert den "Schwarzen Tod" (Quelle: Wikimedia Commons)

Die mittelalterlichen Ärzte wussten nicht, wie man diese schreckliche Krankheit behandeln sollte. Sie verordneten Brechmittel oder Einläufe, verbrannten Kräuter und ließen die Patienten zur Ader. Dabei schnitten sie ihnen eine Vene auf, um das "schlechte" Blut abfließen zu lassen. Wenn Ärzte dabei zur rechten Zeit eine Pestbeule öffneten, hatte der Patient tatsächlich eine Überlebenschance. In den meisten Fällen schadete die Prozedur den Kranken aber nur.

Viele Menschen flohen aus den Städten, ohne zu merken, dass sie die Pest bereits im Gepäck hatten. Manche machten schlechte Winde für die Ausbreitung der Krankheit verantwortlich und empfahlen, Türen und Fenster zu schließen. Andere beobachteten die Sterne und warnten vor einer vermeintlich ungünstigen Konstellation von Mars, Jupiter und Saturn. Wieder andere behaupteten, die Pest verbreite sich durch verseuchtes Wasser, das von Juden, "Zigeunern" oder Fremden vergiftet werde. In vielen Teilen Europas weitete sich diese Behauptung zu einer regelrechten Hexenjagd gegen Juden aus. In vielen Städten wurden ganze Viertel abgebrannt und ihre jüdischen Einwohner getötet. Dabei ließen die Menschen außer Acht, dass die Krankheit auch die Juden nicht verschonte. Die Panik vor der Seuche und der Wunsch, einen Sündenbock zu bestrafen, waren so groß, dass gesunder Menschenverstand aussetzte.

Der Kampf gegen die Seuche

In Pesthäusern waren die Kranken von der Außenwelt abgeschnitten. (Quelle: Wikimedia Commons)

Krankheiten waren für viele Menschen im Mittelalter ein Zeichen für den Zorn Gottes. Während die einen Wallfahrten zu heiligen Orten unternahmen, beteten die anderen zu bestimmten Heiligen oder kauften Ablassbriefe, um sich von ihren Sünden freizukaufen. Manche Gläubige, so genannte "Flagellanten", zogen von Dorf zu Dorf und geißelten (peitschten) sich vor einer Menge Schaulustiger blutig. Mit diesen Bußübungen wollten sie sich von ihren Sünden reinwaschen. Was zunächst als willkommenes Schauspiel für Abwechslung im grausamen Alltag sorgte, wurde bald verboten, da man erkannte, dass mit den Flagellanten auch die Pest Einzug in die Dörfer hielt.

Die Menschen im Mittelalter brachten zunächst ihre Kranken in Siechenhäuser (Krankenhäuser), wo sie zusammen mit anderen Kranken gepflegt wurden. Später entstanden in manchen Regionen Pesthäuser. Venedig hatte sogar eine eigene Pest-Insel, auf die die Patienten gebracht wurden. Nach ihrem Tod beerdigte man sie auf den gewöhnlichen Friedhöfen. Nachdem sie die Ansteckungsgefahr erkannt hatten, erließen die Menschen Seuchengesetze, die den Kontakt mit Kranken verboten. Ihre Häuser wurden mit Kreuzen gekennzeichnet und es war verboten, den Bewohnern Nahrungsmittel zu bringen. Im Todesfall durften die Häuser vier Wochen lang nicht betreten werden.

Besondere Hygienevorschriften regelten die Abfallentsorgung und die Kontrolle der Lebensmittel. Gottesdienste und öffentliche Veranstaltungen wurden verboten. Außerdem durften keine Reisenden aufgenommen und keine Güter von fremden Städten angenommen werden. Selbst Beerdigungen waren untersagt. Die Leichen, die bald darauf in den Straßen lagen, wurden in Massengräber gelegt und unter einer dicken Schicht aus Kalk und Erde verscharrt. Bettler, Behinderte, "Zigeuner", Juden und Fremde wurden gezwungen, die Leichen einzusammeln. Meist überlebten sie diese Tätigkeit nicht lange.

Der Erreger wird entdeckt

Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte der Schweizer Bakteriologe Alexandre Yersin den Erreger der Pest und gab ihm den lateinischen Namen "Yersinia pestis". (Quelle: Wikimedia Commons)

Der "Schwarze Tod" ist eine "Pandemie", also eine Infektionskrankheit, die in kurzer Zeit Länder und Kontinente überrollt. Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte der Schweizer Bakteriologe Alexandre Yersin den Erreger der Pest und gab ihm den lateinischen Namen "Yersinia pestis". Als bakterielle Infektionskrankheit wird sie heute mit Antibiotika behandelt. Es gibt vier verschiedene Pest-Arten. Die Beulenpest (auch Bubonenpest) wird durch den Biss des Rattenflohs übertragen, der zuvor kranke Ratten und andere Nagetiere befallen hat.

Sobald die Krankheitserreger in die Blutbahn eindringen (zum Beispiel durch Aufplatzen von Pestbeulen), kommt es zur Pestsepsis (Blutvergiftung), die alle inneren Organe befällt. Ist die Lunge betroffen, kommt es zur Lungenpest, die innerhalb weniger Tage tödlich ist. Sie kann auch von Mensch zu Mensch über Tröpfcheninfektion weiterverbreitet werden. Am harmlosesten ist noch die Abortive Pest, bei der es zu Fieber und geschwollenen Lymphdrüsen kommt. Nach Bildung von Antikörpern ist der Mensch eine Weile geschützt.

Die Pest heute

Pestbeule eines erkrankten Menschen in der Leistengegend (Quelle: U.S. Center for Disease Control)

Obwohl man heutzutage wenig in den Schlagzeilen darüber liest, ist die Pest immer noch auf dem ganzen Globus verbreitet. Besonders in Zentral- und Südostasien, Indonesien, Afrika, Nord- und Südamerika sowie Russland und Kasachstan erkranken und sterben nach wie vor Menschen an der gefährlichen Nagerkrankheit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in den Jahren zwischen 1994 und 2003 etwa 28.350 Pesterkrankungen mit über 2.000 Todesopfern registriert.

In die USA wurde die Seuche Anfang des letzten Jahrhunderts über Schiffsratten aus Asien eingeschleppt. Von den Schiffsratten übertrug sich die Pest nicht nur auf die Stadtratten, sondern auch auf die dort lebenden Erdhörnchen. Einige der zehn bis 15 Pestfälle pro Jahr sollen auf Hauskatzen zurückgehen, die mit Pest infizierte Erdhörnchen gefressen haben. Zum Glück ist die Pest heutzutage gut mit einer Kombination verschiedener Antibiotika zu behandeln. Reisende brauchen daher keine Angst zu haben, wenn sie in Gebiete fahren, in denen eine Infektion aufgetreten ist. In Europa kommt die Krankheit heute nicht mehr vor.

Die neuesten Erkenntnisse über den Pest-Erreger zeigen übrigens nicht nur, dass sich das mittelalterliche Pestbakterium in sechseinhalb Jahrhunderten kaum verändert hat. Mit den Ergebnissen des Forscherteams kann die Veränderung von Krankheitserregern über einen längeren Zeitraum besser nachvollzogen werden. Der "Schwarze Tod" im 14. Jahrhundert ist demnach vermutlich die erste große Pandemie, aus der alle heutigen Pesterkrankungen hervorgehen. Für die Erforschung neuer Wirkstoffe ist diese Erkenntnis sehr wichtig.

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letzte Aktualisierung: 30.11.2013

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