Im Kino: Rico, Oskar und die Tieferschatten

von Antje Leser

Nach drei haarsträubenden Abenteuern sind sie dicke Freunde geworden: Rico, in dessen Kopf die Bingokugeln nur so herumwirbeln, sobald es brenzlig wird, und Oskar, der empfindsame Nerd, der alles weiß und alles fürchtet. Jetzt haben die beiden auf der Suche nach den "Tieferschatten" endlich auch die Leinwand erobert: Seit dem 10. Juli 2014 machen die Berliner Nachwuchsdetektive die Kinos unsicher und zeigen uns, was so rund um die Dieffe 93 abgeht.

Der Dreiteiler von Andreas Steinhöfel, der mit Bildern von Peter Schössow illustriert wurde, handelt von den ungleichen Freunden Rico und Oskar. Die Bücher zählen zu den erfolgreichsten Jugendkrimis der letzten Jahre. (Quelle: Carlsen Verlag)

Eigentlich hatte Autor Andreas Steinhöfel vor, nur eine einzige, lange Geschichte zu schreiben, in der er von einer Freundschaft zwischen zwei völlig unterschiedlichen Jungen erzählen wollte. Doch sein Verleger riet ihm zu einem Dreiteiler, einer so genannten Trilogie. 2008 startete Steinhöfel das Ganze mit "Rico, Oscar und die Tieferschatten" und erhielt prompt den Deutschen Jugendliteraturpreis. Danach hagelte es nur so Preise und Auszeichnungen, zuletzt erhielt er bei der Verleihung des Deutschen Jugendliteraturpreises 2013 auf der Buchmesse den Sonderpreis für sein Gesamtwerk. Doch nicht nur Kinder fanden seine Bücher toll. Auch Erwachsene wurden bald zu Rico-Fans, die begeistert verfolgten, wie der "tiefbegabte" Junge mit seinem hochintelligenten Freund Oskar einen Kriminalfall nach dem anderen auf höchst ungewöhnliche Art löst.

Ursprünglich wollte der Autor aus Oskars Perspektive berichten, stellte dann aber bald fest, dass die Geschichte aus Ricos Sicht, also aus der eines Außenseiters, viel besser funktionierte: Als AD(H)S-Kind ist Rico ein Sonderling, Nachbar Fitzke bezeichnet ihn sogar grob als Schwachkopf. Als ADHS bezeichnet man übrigens eine bestimmte Verhaltensauffälligkeit, die schon im Kindesalter beginnt. Kinder und Jugendliche haben dabei oft Probleme, sich zu konzentrieren, können nicht still sitzen oder träumen ständig vor sich hin. Es gibt bestimmte Übungen und Medikamente, die helfen sollen, ADHS in den Griff zu bekommen. Es ist aber schwer, ADHS eindeutig zu erkennen, bei manchen Kindern ist sie auch nur leicht ausgeprägt und zur richtigen Behandlung gibt es unterschiedliche Ansichten. Gerade der Umgang mit seiner Krankheit schärft Ricos Blick auf sein soziales Umfeld und macht ihn empfänglich für die Probleme anderer. Seine vermeintliche Schwäche ist in Wirklichkeit eine Stärke und es ist Ricos ungewöhnliche Sicht auf die Welt, sein Humor und sein Einfühlungsvermögen, die allen drei Geschichten so viel Tiefgang verleihen.

Band 1: Rico, Oskar und die Tieferschatten (2008)

Sonderling Rico (rechts) und der hochintelligente Oskar (links) erleben so manche Abenteuer und decken im Laufe der Geschichte einen Kriminalfall auf. (Quelle: TWENTIETH CENTURY FOX FILM CORPORATION)

Ein 20-seitiger Ferienaufsatz für Lehrer Wehmeyer aus dem Förderzentrum! Rico, der mit seiner Mutter in einem Mehrfamilienhaus in Berlin-Kreuzberg lebt, macht sich zähneknirschend an die Arbeit, wobei er nicht nur alle seine Erlebnisse notiert, sondern auch noch eine Menge witziger Erläuterungen, die in kleinen Kästchen zu finden sind. Tatsächlich hat Rico bald eine Menge zu berichten, denn in der Dieffenbachstraße 93 überschlagen sich plötzlich die Ereignisse. Gemeinsam mit seinem neuen Freund Oskar, der zum Ausgleich ein hochbegabtes Superhirn ist, kommen die beiden Mister 2000 auf die Spur, einem miesen Kinderentführer, der von den Eltern seiner Opfer "nur" 2000 Euro einfordert (daher auch der Ausdruck "Aldi-Kidnapper"), damit diese nicht die Hilfe der Polizei suchen.

Doch dann verschwindet Oskar plötzlich und Rico setzt alles daran, seinen neuen Freund wiederzufinden. Mithilfe eines kleinen roten Flugzeugs kommt er schließlich hinter die komplizierte Entführungsgeschichte, auch wenn er in der Aufregung einen entscheidenden Denkfehler begeht und zunächst den Falschen verdächtigt. In diesem Zusammenhang klärt sich auch die Sache mit den seltsamen "Tieferschatten", die Rico immer wieder in dem einsturzgefährdeten Hinterhaus der Dieffe 93 beobachtet. Auch Oskar wird von dem Entführer gefangen genommen und Rico schafft es tatsächlich, ihn in einer spektakulären Rettungsaktion zu befreien. Leider bekommt er dabei selbst einiges auf die Mütze und landet im Krankenhaus. Doch natürlich geht am Ende alles gut aus und für Rico und Oskar beginnt eine wunderbare Freundschaft.

Band 2: Rico, Oskar und das Herzgebreche (2009)

Karoline Herfurth (links) spielt in der Verfilmung des ersten Buches Ricos Mutter. (Quelle: TWENTIETH CENTURY FOX FILM CORPORATION)

Im zweiten Band steht neben einem neuen Kriminalfall das Thema Kummer im Mittelpunkt: Kaum hat Rico das Krankenhaus verlassen, steht auch schon sein Freund Oskar vor der Tür. Dessen Vater Lars schiebt den Jungen einfach zu Rico und seiner Mutter ab, um sich ein paar Tage eine "Auszeit" zu gönnen, was Oskar, der noch genug an seiner schlimmen Entführung zu knabbern hat, sehr verletzt. Doch er ist nicht der einzige Unglückliche in der Geschichte. Auch Ricos Mutter benimmt sich mit ihrem "Ziemlichweitwegblick" merkwürdig.

So nach und nach kommen die beiden Jungen jedoch hinter ihr Geheimnis, finden heraus, warum sie beim Bingospielen schummelt, vermeintlich billige Handtaschen bei Ebay versteigert und welche Rolle Ricos Vater bei der ganzen Sache spielt. Wieder einmal müssen die beiden Spürnasen ihren Mut und ihre Freundschaft unter Beweis stellen, bevor es ihnen gelingt, eine wilde Geschichte um Geldwäsche und Erpressung aufzudecken. Auch diesmal schreibt Rico wieder Tagebuch und würzt seinen Bericht mit witzigen Lexikoneinträgen, mit denen er sich und seinen Lesern die Welt erklärt. Am Ende bekommt natürlich auch diesmal wieder jeder, was er verdient, und Rico am Ende sogar einen kleinen Porsche.

Band 3: Rico, Oskar und der Diebstahlstein (2011)

Rico ist dem Kindesentführer auf der Spur. Wird er seinen Freund Oskar retten können? (Quelle: TWENTIETH CENTURY FOX FILM CORPORATION)

Der dritte und letzten Teil der Trilogie beginnt zunächst ganz harmonisch: Rico und Oskar leben mittlerweile unter einem gemeinsamen Dach in der Dieffe 93, Ricos Mama und der Bühl wollen tatsächlich heiraten und Hund Porsche gehört fest zum Rico-Oskar-Team dazu. Doch dann machen die beiden Jungen einen grausigen Fund: Der völlig vereinsamte und heruntergekommene Nachbarn Fitzke sitzt tot vor seiner Wohnungstür im Treppenhaus. Zu seiner Überraschung erfährt Rico, dass Fitzke ihm seine Steinesammlung vererbt hat.

Doch noch bevor Rico sein Erbe antreten kann, wird in Fitzkes Wohnung eingebrochen. Es stellt sich heraus, dass der wertvollste Stein der Sammlung, Fitzkes angeblich selbst gezüchteter "Kalbstein", spurlos verschwunden ist. Natürlich möchte Rico den Stein zurückhaben und so startet das Detektiv-Duo erneut durch. Ihre Ermittlungen führen die beiden bis an die Ostsee, wo es so einige Krisen auch zwischen den beiden Superdetektiven zu bewältigen gilt, bevor es wieder glücklich in die Dieffe 93 zurückgeht und die Geschichte in einem Happy-End gipfelt.

Jugendbuchautor Andreas Steinhöfel

Schräge Außenseiterfiguren und deren schrullige Charaktereigenschaften sind das Markenzeichen von Jugendbuchautor Andreas Steinhöfel. (Quelle: Das blaue Sofa / Club Bertelsmann (CC BY 2.0) )

Andreas Steinhöfel wurde am 14. Januar 1962 in Battenberg (Hessen) geboren. Er studierte in Marburg Anglistik, Amerikanistik und Medienwissenschaften und arbeitet heute nicht nur als Kinder- und Jugendbuchautor, sondern auch als Übersetzer, Drehbuchautor und Literaturkritiker. Nach seinem Studium lebte er zunächst als freier Autor in Berlin, zog sich 2010 jedoch nach dem Tod seines Lebensgefährten in seine Heimatstadt Biedenkopf zurück. Bekannt wurde er durch den Jugendroman "Die Mitte der Welt" (1998), in dem es um Probleme und Erfahrungen rund ums Erwachsenwerden geht und durch "Paul Vier und die Schröders" (1992), das 1995 den Deutschen Kinderfilmpreis gewann.

Sein Repertoire reicht von Kinderkrimis, wie den Rico-Büchern oder den "Beschützern der Diebe" (1994), über Fantasy-Geschichten, wie „Der mechanische Prinz“ (2003), bis zur komischen Erzählung "Es ist ein Elch entsprungen" (1995). Schräge Außenseiterfiguren und deren schrullige Charaktereigenschaften sind sein Markenzeichen. Ironie und ein spielerischer Umgang mit Sprache zeichnen seine Bücher aus und begeistern Kinder wie Erwachsene gleichermaßen.

Ohne den Illustrator und Kinderbuchautor Peter Schössow wären Andreas Steinhöfels Bücher nur halb so lustig. Der 1953 geborene Zeichner studierte an der Hochschule für Gestaltung in Hamburg und arbeitet seither als Illustrator für Bücher, Zeitungen und fürs Fernsehen, wo er für "„Die Sendung mit der Maus" Figuren und Storyboards entwickelt. Wie Steinhöfel erhielt auch Peter Schössow eine Menge Auszeichnungen. Bei der Verfilmung von "Rico, Oskar und die Tieferschatten" hat er für die lustigen Comic-Einlagen gesorgt.

Rico und Oskar auf der Kinoleinwand

Die beiden Hauptdarsteller Rico und Oskar sind mit den Newcomern Anton Petzold und Juri Winkler besetzt. (Quelle: TWENTIETH CENTURY FOX FILM CORPORATION)

Die Verfilmung von "Rico, Oskar und die Tieferschatten" ist ein rundum gelungener Kinospaß für Jung und Alt. Christian Lerch, Neele Leana Vollmar sowie Andreas Bradler und Klaus Döring haben das Drehbuch dazu geschrieben und sich ganz eng an die Vorlage von Andreas Steinhöfel gehalten. Regie führte Neele Leana Vollmar und man spürt in jeder Szene, wie viel Spaß sie und die Schauspieler bei den Dreharbeiten hatten. Das Erwachsenenensemble besteht aus vielen bekannten Gesichtern, wie Karoline Herfurth als alleinerziehende Mutter oder Axel Prahl als Marrak, den manche von euch vielleicht noch aus Cornelia Funkes "Wilden Hühnern" kennen. Die beiden Hauptdarsteller Rico und Oskar sind mit den Newcomern Anton Petzold und Juri Winkler hervorragend besetzt.

Sie alle spielen ihre Rollen ganz großartig und auch Andreas Steinhöfel, der den Film schon über zehn Mal gesehen hat, ist zufrieden: "Alles ist drin, drum und ran, und dazu kommt noch das gewisse eigene Etwas". Peter Schössows kleine Animationen mischen die Handlung gekonnt auf. Pfiffig ist auch die Idee, Ricos Entdeckungen durch ein Diktiergerät statt durch eine langweilige Stimme aus dem Off darzustellen. Mit seinen 96 Minuten ist "Rico, Oscar und die Tieferschatten" ein außerordentlich sehenswerten Kinderkrimi, der das Prädikat "besonders wertvoll" zu Recht verdient. Kein Wunder, dass die Verfilmung des zweiten Teils bereits in der Mache ist.

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letzte Aktualisierung: 13.07.2014

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