Die Gartenpiraten in Aktion: Was ist Guerilla Gardening?

von Tanja Lindauer

Oft ist es in großen Städten ziemlich trostlos und grau, Pflanzen sieht man, abgesehen von ein paar Bäumen, eher selten. Diese Ansicht der Stadt wollen die so genannten "Guerilla-Gärtner", eine Art "Gartenpiraten", ändern. In der Nacht schleichen sie mit Schaufel und Pflanzensamen bewaffnet umher und sorgen für ein grüneres Stadtbild. Eigentlich ist das eine schöne Idee, aber in den meisten Fällen verboten. Was steckt hinter dem "Guerilla Gardening" und was sagen die Gegner der Bewegung dazu?

Aktivisten der Guerilla-Gardening-Bewegung pflanzen in der Innenstadt von Calgary in Kanada Gemüse an.
Grant Neufeld, Wikimedia Commons

Da das eigenmächtige Begrünen der Städte nicht erlaubt ist, müssen die Aktivisten des "Guerilla Gardenings" nachts ihre Einsätze still und heimlich durchführen. Unter "Guerilla Gardening" versteht man das illegale, also verbotene, Bepflanzen und Begrünen von städtischen Flächen. Der Begriff stammt aus dem Englischen und die Idee, öffentliche Plätze zu begrünen, entstand bereits in den 1970er Jahren in New York.

Das Wort "Guerilla" kommt ursprünglich aus dem Spanischen und bedeutet wörtlich übersetzt in etwa "Kleinkrieg". Man meint damit eine bestimmte Form der Kriegsführung, den Guerillakrieg. Dabei handelt es sich um einen verdeckten und schnellen Angriff "aus dem Untergrund" gegen einen meist übermächtigen Gegner. Beim Guerilla Gardening sollen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion möglichst schnell viele Flächen begrünt werden. "Gardening" bedeutet auf Englisch "gärtnern" - man könnte also sagen, es handelt sich dabei um eine Art heimliche "Überraschungspflanzung".

Man muss, wenn man sich an einer solchen Bepflanzungsaktion beteiligt, damit rechnen, dass es zu einer Anzeige und einer Strafe in Form von Bußgeld kommen kann. Doch da viele Städte kaum Geld haben und verschuldet sind, konzentriert man sich in vielen Fällen auf "wichtigere Dinge", so dass die Polizei es nicht unbedingt weiter verfolgt, wenn jemand verbotenerweise eine Blume pflanzt. Oft freuen sich nicht nur die Anwohner, sondern auch die verantwortlichen Politiker selbst über die unverhoffte Verschönerung. Die "Pflanzen-Krieger" machen dabei vor nichts halt: Hinterhöfe, Verkehrsinseln oder Seitenstreifen - überall wird gepflanzt. Aber nicht immer werden die Aktionen der Gartenpiraten mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen.

Was wollen die Guerilla-Gärtner?

Die Prinzessinnengärten in Berlin sind ein Beispiel dafür, dass es auch mitten in der Stadt möglich ist, Gemüse und Salat anzubauen.
Assenmacher, Wikimedia Commons

Viele Guerilla-Gärtner wollen mit ihren nächtlichen Einsätzen einfach das Stadtbild verschönern und für ein besseres Klima sorgen, denn Pflanzen liefern bekanntlich Sauerstoff. Es gibt aber auch einige Menschen, die illegal Bepflanzungen vornehmen, um auf diese Weise zu protestieren. Ihrer Meinung nach muss der städtische Lebensraum wieder "zurückerobert" werden. Die Stadt hat ihrer Ansicht nach alles Natürliche verdrängt und ist im Besitz von Leuten, die ganz anderes mit den Flächen vorhaben - sie wollen etwa Fabriken oder neue Häuser bauen und vor allem viel Geld mit dem Gelände verdienen.

Einige Guerilla-Gärtner möchten den Protest mit etwas Nützlichem verbinden. Denn neben einem hübscheren Stadtbild kann man so zum Beispiel Erdbeeren pflanzen und diese später ernten. Diese Garten-Piraten bauen also vor allem "Nutzpflanzen" an. Manche nutzen große Brachflächen in einer Stadt, um sie zum Beispiel mit Tomaten oder Salat zu bepflanzen - das ist unter Umständen sogar erlaubt. In Berlin gibt es zum Beispiel die "Prinzessinnengärten" am Moritzplatz im Stadtteil Kreuzberg. Hier werden in alten Kisten oder Joghurtbechern Gemüse oder Kräuter gepflanzt und aufgezogen. Auf sage und schreibe 6.000 Quadratmetern kann sich so jeder, der möchte, frisches Gemüse holen und gegen eine kleine Gebühr mit nach Hause nehmen. So kann man mitten in der Großstadt mit frischen Zutaten aus der Umgebung kochen. Der Anbau von Gemüse und Obst mitten in der Innenstadt ist eine schöne Sache, bringt jedoch auch Probleme mit sich: Bedacht werden sollte dabei, dass die Böden dort verunreinigt und mit Giftstoffen angereichert sein können.

Dass man beim Anlegen von Guerilla-Gärten auch in Konflikt mit dem Gesetz kommen kann, hat die Geschichte des Nachbarschaftsgartens "Rosa Rose" in Berlin-Friedrichshain gezeigt. Diese Grünfläche zur gemeinschaftlichen Nutzung haben Anwohner und Helfer selbst angelegt, indem sie eine große brach liegende Fläche von Müll und Bauschutt befreit und mit Gemüse, Kräutern, Sträuchern und Blumen bepflanzt haben. Zu einem großen Streit mit Protesten und Polizeieinsatz kam es jedoch, nachdem der Eigentümer des Grundstücks wechselte und Teile des Gartens zerstört werden sollten, um dort zu bauen. Schließlich mussten die Guerilla-Gärtner weichen und der dortige Gemeinschaftsgarten wurde eingestampft.

Bunte Blumen als politischer Protest

Viele Anhänger des Guerilla Gardening wollen nicht nur die Stadt verschönern, sondern das Gärtnern vor allem für politische Proteste nutzen.
Mary Carson, Wikimedia Commons

Nicht wenige wollen mit dem illegalen Begrünen der Stadt auf friedliche Art und Weise auf gesellschaftliche Probleme wie etwa die Problematik der Globalisierung hinweisen. Vor zwölf Jahren protestierten beispielweise "Globalisierungsgegner" in London, indem sie sich auf dem Parliament Square versammelten und den Platz einfach bepflanzten. Sie wollten damit "die Straßen zurückerobern" . Natürlich fand diese Aktion auch schnell Nachahmer.

Bei politischen Protestaktionen wird mithilfe der Begrünung manchmal auch eine gezielte Aussage gemacht, denn Pflanzen können etwa so angeordnet werden, dass sie zum Beispiel ein Friedenssymbol bilden. Oder man bepflanzt Golfplätze mit Dornenbüschen, um zu zeigen, dass sie nicht umweltfreundlich und unnatürlich sind - denn nicht wenige Golfplätze sind aus ökologischer Sicht gesehen problematisch. Andere Aktionen konzentrieren sich auf Felder mit gentechnisch veränderten Pflanzen und man zerstört durch die wilde Bepflanzung die Ernte. Ein Motto bei diesen Protesten lautet zum Beispiel: "Allgemeiner Protest gegen die Monokulturen des Spießbürgertums!". Unter einer Monokultur versteht man den Anbau von nur einer Pflanzenart - dies ist nicht gut für die Umwelt, da die Böden stärker abgenutzt und andere Arten verdrängt werden.

Robin Hood der Natur

Beim Guerilla Gardening soll die graue, trostlose Stadt in eine grüne Oase verwandelt werden. Ganz getreu dem Motto "Zurück zur Natur".
Patafisik, Wikimedia Commons

Zwar ist die Idee des Guerilla Gardenings schon in den 1970er Jahren umgesetzt worden, doch bald geriet sie wieder in Vergessenheit. In den vergangenen Jahren haben die Guerilla-Gärtner wieder an Zulauf gewonnen. Es ist vielen Menschen wichtig, dass sie im modernen Großstadtleben noch einen Bezug zur Natur haben und auch die Stadt ein gesunder Lebensraum sein kann. Ein Vorbild ist vor allem der Engländer Richard Reynolds, der 2004 nach London zog und seine Umgebung verschönern wollte. Also schnappte er sich Schaufel, Pflanzen und Samen und machte sich ans Werk.

Reynolds ist mittlerweile über die Grenzen Englands hinaus bekannt und hat sogar eine Anleitung für jeden geschrieben, der sich mit Guerilla Gardening auseinandersetzen möchte und selbst tätig werden will. In seinen Büchern "Guerilla Gardening - Ein botanisches Manifest" und "A Handbook for Gardening without Boundaries" ("Ein Handbuch für das Gärtnern ohne Grenzen") beschreibt er genau, wie man vorgehen muss. Zudem erzählt er auf vielen Vorträgen weltweit, wie man die Aktionen plant und umsetzt. Auch auf seiner Homepage "Guerillagardening.org" können sich Interessierte informieren und in einem Forum austauschen.

Die Vorgehensweisen, wie man in kurzer Zeit möglichst viel bepflanzen kann, unterscheiden sich, der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Man muss sich nicht unbedingt mit einer Schaufel und Pflanzen oder Samen an die Arbeit machen, sondern kann manchmal auch mit nur wenig Aufwand viel erreichen. Trostlose graue Wände oder hässliche Betonpfeiler können zum Beispiel mit einer Mischung aus Moos und Buttermilch bestrichen werden, und mit etwas Glück ist die Wand innerhalb von wenigen Wochen schön grün. Auf diese Weise kann man auch eine "grüne" Schrift erzeugen. Und mit einer so genannten "Samenbombe" kann man praktisch im "Vorbeigehen" einen Platz bepflanzen oder sie vom Fahrrad aus einfach auf eine passende Stelle werfen.

"Waffe" der Gartenpiraten: Die Samenbombe

Mit einer Samenbombe, die aus Erde geformt und mit Pflanzensamen gefüllt ist, kann man still und heimlich die Stadt begrünen.
Herder3, Wikimedia Commons

Wenn man bewaffnet mit Schaufel und Gießkanne in der Nacht umherstreift, macht man sich meistens schon recht verdächtig. Und auch wenn Guerilla Gardening oftmals stillschweigend geduldend wird, riskieren die heimlichen Gärtner eine Anzeige. Mit "Samenbomben" können sie hingegen schnell und vor allem unauffällig handeln. Bei der Samenbombe handelt es sich um eine Kugel, die aus Erde geformt ist und Samen enthält. Die Kugel besteht aus einer Mischung aus Erde, Kompost und Ton und wird in einem Backofen angetrocknet. Damit will man erreichen, dass der Lehm trocknet und die Kugel nicht auseinanderfällt. In der Mitte der Kugel befinden sich die Samen, die dafür sorgen sollen, dass es schön grün oder bunt wird. Meistens werden verschiedene Pflanzensamen in einer Kugel verwendet.

Mit den Samenbomben "bewaffnet" machen sich die Aktivisten auf den Weg und platzieren sie dort, wo sie mit grünen Pflanzen und bunten Blumen für Verschönerung sorgen möchten. Man kann sie unauffällig hinlegen oder werfen. Die Erdkugeln bieten den Samen einen guten Schutz. Wenn man diese einfach einzeln verstreuen würde, könnten Vögel die Samen nämlich schnell aufpicken. Wenn es regnet, saugen sich die Bomben mit Wasser voll und quellen auf. Die Samen im Inneren der Bombe beginnen dann zu keimen und die kleinen Pflanzensprösslinge kämpfen sich den Weg an die Oberfläche.

Wild drauflos pflanzen kann Schaden anrichten

Von Guerilla-Gärtnern bepflanzte Fläche in einer holländischen Stadt
Anton Rengers/ Lampje, Wikimedia Commons

Natürlich freuen sich viele Leute, wenn es in der Stadt schön grün ist und sie im Frühling und Sommer bunte Blumen bewundern können. Rote, gelbe oder pinke Farbtupfer in der Großstadt heben die Laune und die Menschen haben das Gefühl, der Natur ein Stückchen näher zu sein. Aber einfach wild zu pflanzen kann auch Schaden anrichten - man sollte sich also vorher genau überlegen, ob man mit dem Bepflanzen wirklich etwas Gutes tut.

Naturschützer finden deshalb die Aktionen der Guerilla-Gärtner nicht immer gut und machen darauf aufmerksam, dass ein unkontrolliertes Aussäen und Pflanzen mit Umweltproblemen verbunden ist. Die meisten Insekten sammeln vorzugsweise den Nektar von Wildpflanzen, während einige der beliebten bunten Sommerblumen nicht von Nutzen für sie sind. Vor allem ist es problematisch, wenn man exotische Pflanzen sät, die für andere Pflanzen eine Gefahr sein können, weil sie heimische Arten verdrängen. In vielen Fällen ist es also besser, auf heimische Pflanzen zurückzugreifen, um so bereits bestehenden Pflanzen in der Umgebung nicht zu schaden, die nützlich sind und vielen Insekten und anderen Tieren als Nahrung dienen.

Weiterhin sollten die Stadt-Gärtner darauf achten, dass sie nicht zu viel Dünger verwenden, da dies schädlich für die Böden und somit für die Natur ist. Auch auf Gifte wie Pestizide und andere "Pflanzenschutzmittel" sollte verzichtet werden. So können zwar Schädlinge von den Pflanzen ferngehalten werden, aber diese Mittel sind umweltbelastend und können anderen Pflanzen, Tieren und Menschen schaden. So könnte das Gift auch ins Grundwasser gelangen und für die Umwelt und uns Menschen zu einer Gefahr werden.

Man kann auch nicht einfach überall wild drauflos pflanzen. Brache Flächen sehen zwar nicht schön aus, sind in manchen Fällen aber sogar wichtig. Dort könnten einige Tiere wie Eidechsen ihren Lebensraum haben oder bestimmte Vogelarten nisten. So brütet die Nachtigall gerne am Boden brach liegender Flächen in der Stadt. Außerdem macht es nicht unbedingt Sinn, einfach nur irgendwo Samen zu werfen und sich dann nicht weiter darum zu kümmern. Zum einen ist nicht jeder Standort geeignet für die entsprechenden Pflanzen. Zum anderen benötigen die meisten Pflanzenarten auch eine Pflege und müssen zum Beispiel ausreichend bewässert werden.

Guerilla Gardening liegt im Trend

Mittlerweile ist Guerilla Gardening schon zu einer Art Trend geworden und manche versuchen, Geld damit zu verdienen. An diesem Automaten kann man Samenbomben für einen Euro kaufen.
mike, Wikimedia Commons

Mittlerweile ist das verbotene Bepflanzen sogar eine Art "Trend-Sport" geworden und auch die Industrie versucht diese Bewegung für sich zu nutzen. So hat zum Beispiel die Marke Adidas eine Werbung gemacht, in der in Adidas gekleidete Aktivisten zu sehen sind, die nachts die Stadt mit Pflanzen verschönern. Dieser Trend wird wiederum von vielen "Garten-Piraten" argwöhnisch beäugt. Denn zwar bepflanzen die Personen in dem Werbespot die Stadt, doch was geschieht dann? Werden sie sich weiter um die Blumen kümmern? Immerhin müssen diese auch gepflegt und gegossen werden.

Auch in Deutschland erfreut sich die Guerilla-Gardening-Bewegung einer immer größer werdenden Beliebtheit. Vor allem in Berlin wird die Hauptstadt des Nachts immer weiter begrünt. Einige Anwohner machen es nach und pflegen die "verbotenen" Pflänzchen vor ihrem Haus. Ein paar Stiefmütterchen unter einem Baum oder auf einer Verkehrsinsel können so leicht gute Laune versprühen. Aber auch wenn sich Guerilla Gardening einfach anhört, muss man auch mit Rückschlägen rechnen. Nicht nur kann es problematisch sein, bestimmte Stellen zu bepflanzen und die "Gartenpiraten" riskieren, mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen. Manchmal gehen die Samen gar nicht erst auf oder es gibt immer wieder Menschen, die die Pflanzen einfach rücksichtslos zertrampeln.

Fest steht: Sofern die Gartenpiraten bei den heimlichen Pflanz-Aktionen auch an die Umwelt denken, stellt Guerilla Gardening für viele Menschen eine recht positive und erfreuliche Art des gesellschaftlichen Protests dar.

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Co-Autorin: Britta Pawlak
letzte Aktualisierung: 29.05.2018

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