Wie mir aufgefallen ist, gibt es hier ja noch gar keine richtige Weihnachtsgeschichte, also erzähl ich euch mal eine, die vom Grundgedanken her stimmt. Sie spielt mitten im ersten Weltkrieg und fängt brutal an:
Wir schreiben den Dezember 1914. In Europa wüten die Schrecken des ersten Weltkrieges. Die deutsche Armee ist an der Westfront, hinter der deutschen Grenze, in einen Stellungskrieg mit Franzose und Briten verfallen. Hunderte, nein, Tausende Menschen sterben, darunter auch viele Soldaten des Oberleutnants Hoffman. Seine Soldaten frieren, es ist Schnee gefallen. Aussicht, bis Weihnachten wieder zu Hause zu sein, gibt es nicht. Es wird eisern ausgehalten, bis zum letzten Mann, so lautet sein Befehl. Jeder Gedanke an Freude und Frieden vergeht mit schwerem Kanonendonner. Zeit zum Ausruhen gibt es nicht: Die feindliche Artillerie hat gerade den Schützengraben getroffen. Hoffman erlebt das nicht zum ersten Mal, und trotzdem ist er jedes mal aufs Neue erschüttert, wenn er all die toten Gesichter sieht. Und war das dort nicht der Franz, der Franz, der noch vor einer Stunde voller Freude verkündet hat, was man bei ihm zu Hause zu jedem Weihnachten kochte? Und dort Paul, der im Frühling heiraten wollte. Alles so deprimierend, dachte er. Wann hört das endlich auf?
Nur 50 Meter entfernt saß Field Marshall Stevenson in seinem Bunker. Vor zwei Tagen hatte seine Armee eine französische Truppe abgelöst, und seit dem hielten sie hier die Stellung. Unerbittlich schlugen deutsche Sprengkörper ein, ein entsetzliches Donnern. Fast ein Drittel seiner Männer fiel der deutschen Artillerie zum Opfer. ,,Help me, I don't want o die!'' Seit nunmehr 30 Minuten fährt dieser Schrei ihm durch die Glieder. Er kommt von James, der im Schützenstand ''Pontivy'' eingesetzt war, als dieser von einer Granate getroffen wurde. Das war nun schon eine halbe Stunde her. Er wurde mitten auf das Schlachtfeld geworfen. Jeder konnte ihn sehen, er lag keine 10 Meter vom Graben entfernt. Doch helfen konnte man ihm nicht. Es wäre glatter Selbstmord gewesen, jetzt zu ihm zu rennen. Doch Stevenson plagten andere Gedanken: Sie hatten keinen Proviant mehr. Noch 1 Woche würde ihr Vorrat reichen. Doch glücklicherweise hatte sich die britische Regierung ihrer erbarmt: Geschenkboxen mit Grußkarten, Alkohol, etwas Proviant und Tabak wurden ihm zugesichert, sie sollten am späten Abend des 23. Dezembers eintreffen. Vielleicht sollte Weihnachten doch nicht so schlimm werden, wie er es noch vor wenigen Stunden geglaubt hatte. Er lehnt sich in seinem klapprigen Holzstuhl zurück, als von draußen ein Schrei ertönt: ,,No, Victor, come back!''. Dann Schüsse. Wieder einer. Offenbar hatte er versucht, James zu retten, dessen Schreie mittlerweile immer kläglicher wurden. Es ging mit ihm zu Ende. Am Morgen des 23. Dezembers schließlich starb er. Nachdem er 6 Stunden da gelegen hatte.
(Fortsetzung folgt)