Deutschland: "Chancentod" als Hoffnungsträger?

Teil 3 von 5

von Florian Kienetz - 18.05.2006

Bundestrainer Jürgen Klinsmann hat überraschend den 22-jährigen Dortmunder David Odonkor für die WM nominiert. Nationalstürmer Kevin Kuranyi vom FC Schalke 04, der zuletzt völlig außer Form war, fährt nicht mit zur Endrunde. Die Stürmer Mike Hanke und Oliver Neuville, Mittelfeldspieler Thomas Hitzlsperger und Abwehr-Routinier Jens Nowotny stehen ebenfalls im 23-köpfigen Aufgebot.


3 x Weltmeister (1954, 1974, 1990)
4 x Vize-Weltmeister (1966, 1982, 1986, 2002)
3 x Europameister (1972, 1980, 1996)
2 x Vize-Europameister (1976, 1992)
Trainer: Jürgen Klinsmann (seit 2004)

Spielführer: Michael Ballack

Rekordnationalspieler: Lothar Matthäus (150 Einsätze)

Rekordtorschütze: Gerd Müller (68 Treffer)


Diese Fotomontage soll zeigen: Klinsmann (links) vertraut dem jungen Odonkor.

25 Tage vor Beginn der Weltmeisterschaft hat Teamchef Jürgen Klinsmann die Katze aus dem Sack gelassen und endlich die 23 Spieler benannt, die bei der WM im Team stehen. Gemeinsam mit seinem Co-Trainer Joachim Löw, Teammanager Oliver Bierhoff und Torwarttrainer Andreas Köpke hat er in Berlin einen Film präsentiert, in dem nach und nach die einzelnen Akteure des deutschen WM-Aufgebots vorgestellt worden sind.

Die Sensation hat sich der Trainerstab bis ganz zum Schluss aufgehoben: Als letzter Spieler wurde David Odonkor als WM-Teilnehmer präsentiert. Bislang hatte Klinsmann den BVB-Stürmer noch nie in der A-Nationalmannschaft spielen lassen. Er begründete das damit, dass er den jungen Dortmunder vor dem Medienrummel schützen wollte. "Er ist ein Riesentalent und er bringt etwas mit, was unser Team dringend benötigt: Schnelligkeit und Überraschungen", begründete der Teamchef seine Wahl, mit der weder die Journalisten noch die übrigen Nationalspieler gerechnet hatten.

Flügelflitzer oder Chancentod?

Odonkors Vater stammt aus Ghana, seine Mutter ist Deutsche. Erst am Vormittag vor der offiziellen Bekanntgabe der Entscheidung hatte Klinsmann sich mit dem 22-jährigen Spieler in Verbindung gesetzt. Über die unerwartete Einladung zur WM soll sich Odonkor unglaublich gefreut haben. Er sagte, es sei für ihn eine große Ehre und ein riesiger Ansporn. Der Bundestrainer habe sicher in der abgelaufenen Saison sehr aufmerksam das Auftreten der jungen Spieler aus dem BVB-Nachwuchs registriert. "Vielleicht ist es mir deshalb gelungen, in letzter Minute noch auf den WM-Zug aufzuspringen."

David Odonkor profitierte von der Knie-Verletzung des Münchners Sebastian Deisler. Statt ihm könnte jetzt Odonkor auf der rechten Angriffs-Seite durchstoßen und für den nötigen Druck sorgen. Allerdings hat sich der Neuling in den vergangenen Bundesliga-Spielzeiten nicht gerade durch Torgefährlichkeit ausgezeichnet. Seit seinem ersten Spiel für Borussia Dormund im Jahr 2001 hat er nur zwei Tore erzielt. Für einen Stürmer ist das viel zu wenig. Deshalb gilt er bei seinen Kritikern im Ruhrgebiet als "Chancentod". Es bleibt zu hoffen, dass ihm im Nationaltrikot mehr Tore gelingen.

Kuranyi fällt durch Klinsmanns Raster

Für Kevin Kuranyi ist der WM-Zug überraschend abgefahren.

Des einen Freud ist des anderen Leid: Der etablierte Stürmer Kevin Kuranyi, der bislang im Angriff als Nummer drei nach den gesetzten Stürmern Miroslav Klose und Lukas Podolski galt, wird die WM als Zuschauer verfolgen müssen. Der Schalker Torjäger durfte schon nicht das Testspiel gegen Italien bestreiten. Klinsmann und Löw wollten ihm auf diese Weise ein Zeichen setzen, dass sie mit seinen Leistungen, die er bei Schalke 04 in dieser Saison gezeigt hatte, nicht zufrieden waren. Seine Formschwäche ist ihm jetzt zum Verhängnis geworden.

Wer gedacht hatte, dass Angreifer Mike Hanke kaum Chancen auf die WM-Teilnahme hatte, sah sich am 15. Mai eines besseren belehrt. Nach seiner roten Karte beim Konföderationen-Pokal im vergangenen Jahr wurde Hanke für die nächsten zwei Pflichtspiele gesperrt. Da Deutschland als WM-Gastgeberland keine Qualifikation spielen musste, sind die ersten beiden Pflichtspiele ausgerechnet die Gruppenspiele gegen Costa Rica und Polen. Erst gegen Ecuador steht Mike Hanke dem deutschen Team wieder zur Verfügung.

Die deutschen Angriffshoffnungen ruhen jedoch auf einem anderen Spieler: Miroslav Klose. Der Bremer hat eine bärenstarke Bundesliga-Saison gespielt und ist mit 25 Treffern souverän Torschützenkönig geworden. Schon bei der vergangenen WM war Klose mit fünf Treffern der erfolgreichste deutsche Stürmer. Besonders in den Gruppenspielen trumpfte er groß auf.

Nowotny stabilisiert die Abwehr

In der Abwehr soll Jens Nowotny mit seiner Erfahrung die nötige Sicherheit in die junge deutsche Innenverteidigung bringen. Bundestrainer Klinsmann sagte: "Jens Nowotny ist wichtig für den Zusammenbau der Mannschaft. Er weiß, was bei einem großen Turnier auf die jungen Spieler zukommen wird." Eigentlich war der Verteidiger des Bundesligisten Bayer Leverkusen für die Nationalmannschaft schon so gut wie abgeschrieben. Klinsmann wollte sein Team radikal verjüngen, sodass für einen 32-jährigen Routinier kein Platz mehr zu sein schien.

Doch dann patze die deutsche Abwehr in mehreren Testspielen und offenbarte eklatante Schwächen. Gleichzeitig stieg die Nowotnys Formkurve deutlich an. So wurde der Abwehrspieler des Bundesligisten Bayer Leverkusen für viele Experten überraschend im April zum Fitnesstest der Nationalspieler eingeladen. Jetzt steht fest, dass die beiden jungen Abwehrspieler Lukas Sinkiewicz vom Absteiger 1. FC Köln und der Mainzer Manuel Friedrich gegenüber dem Routinier das Nachsehen hatten. Die Abwehr ist der schwächste Punkt im deutschen Spiel. Nur wenn sie sich stark verbessert, kann Deutschland die Vorrunde überstehen und ihr angestrebtes Ziel - Weltmeister werden - erreichen.

"Wir wollen Weltmeister werden"

Bastian Schweinsteiger hat sich zur festen Größe in der Nationalelf entwickelt. (Quelle: Stefan Michalowsky Wikipedia)

Im Mittelfeld gehört der Stuttgarter Thomas Hitzlsperger trotz einer schwachen Saison beim VfB Stuttgart zum 23-köpfigen Kader. Klinsmann traut ihm offenbar mehr zu als Fabian Ernst vom FC Schalke 04 und Patrick Owomoyela vom SV Werder Bremen, die beide etwas überraschend kein WM-Ticket lösen konnten. Wichtigster Spieler im Mittelfeld ist natürlich Michael Ballack.

Als Deutschland-Fan kann man nur hoffen, dass er noch einmal ein so gutes Turnier spielt wie vor vier Jahren. Damals war Ballack neben Torwart Kahn der beste Mann auf dem Platz und ermöglichte seinem Team den Final-Einzug. Doch ausgerechnet dort war der Spielmacher nach seiner gelben Karte im Halbfinale gesperrt - und Deutschland war gegen Brasilien chancenlos. Von der Form und vom Willen Ballacks wird auch bei dieser WM sehr viel abhängen.

Der Deutsche Meister und Pokalsieger Bayern München stellt vier, Vizemeister Werder Bremen und Borussia Dortmund jeweils drei deutsche WM-Akteure. Klinsmann lässt nicht den leisesten Zweifel an seinen Entscheidungen zu: "Wir sind voll überzeugt, dass es die richtigen Spieler sind. Ich halte an dem Ziel fest, Weltmeister zu werden. Wir haben Vertrauen."

Das deutsche Aufgebot

Tor: Jens Lehmann (FC Arsenal), Oliver Kahn (Bayern München), Timo Hildebrand (VfB Stuttgart)

Abwehr: Arne Friedrich (Hertha BSC Berlin), Per Mertesacker (Hannover 96), Robert Huth (FC Chelsea), Christoph Metzelder (Borussia Dortmund), Jens Nowotny (Bayer Leverkusen), Philipp Lahm (Bayern München), Marcell Jansen (Borussia Mönchengladbach)

Mittelfeld: Bastian Schweinsteiger (Bayern München), Bernd Schneider (Bayer Leverkusen), Torsten Frings (Werder Bremen), Sebastian Kehl (Borussia Dortmund), Tim Borowski (Werder Bremen), Michael Ballack (Bayern München), Thomas Hitzlsperger (VfB Stuttgart)

Angriff: Miroslav Klose (Werder Bremen), Lukas Podolski (1. FC Köln), Gerald Asamoah (Schalke 04), Oliver Neuville (Borussia Mönchengladbach), Mike Hanke (VfL Wolfsburg), David Odonkor (Borussia Dortmund)

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letzte Aktualisierung: 15.08.2009

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