Schweiz: Der Geheim-Favorit

Teil 2 von 5

von Florian Kienetz

Die junge Schweizer Mannschaft gilt bei der WM als Geheimtipp. In den vergangenen Jahren hat Nationaltrainer Jakob "Köbi" Kuhn eine sehr gute Nachwuchsarbeit geleistet. Hakan Yakin, der zunächst nicht im 23-köpfigen WM-Aufgebot stand, ist am 3. Juni nachnominiert worden. Der junge Stürmer Johan Vonlanthen ist der Leidtragende. Er protestiert dagegen, dass er aus dem Kader geflogen ist.


Größte Erfolge
3 × Viertelfinale bei Weltmeisterschaften (1934, 1938, 1954)
Das Team im Überblick
Trainer: Jakob "Köbi" Kuhn (seit 2001)
Spielführer bei der WM 2006: Johann Vogel
Rekord-Nationalspieler: Heinz Hermann (117 Einsätze)
Rekord-Torschützen: Kubilay Türkyilmaz und Max Abegglen (je 34 Treffer)


Die Schweizer Fans trauen ihrer jungen Mannschaft bei diesem Turnier sehr viel zu. (Quelle: wiki.hopp-schwiiz.ch)

In der heißen Phase der WM-Vorbereitung konnte die Schweizer Nationalmannschaft überzeugen. Gegen den dreifachen Weltmeister und Mitfavoriten Italien sowie gegen die Elfenbeinküste gelang jeweils ein 1:1-Unentschieden, im letzten Test vor der WM gegen China gab es gar einen 4:1-Erfolg. Die Mannschaft harmonierte bei den Testspielen sehr gut miteinander und zeigte kurz vor dem WM-Start einige gelungene Kombinationen. Nationaltrainer Köbi Kuhn kann mit dem Leistungsstand sehr zufrieden sein.

Nach dem Italien-Spiel sagte er: "Wir haben gegen einen sehr starken Gegner sehr konzentriert gespielt, aber wir können es noch besser. Wir sind im Fahrplan und auf gutem Weg nach Deutschland." Im Trainingslager in Feusisberg hatte Nationaltrainer Köbi Kuhn zuvor noch die Kondition und die Fitness seiner Spieler verbessert. Zum WM-Auftakt gegen die Franzosen in Stuttgart soll das Team topfit sein.

Kleines Fußball-Land mit großen Zielen

Beim letzten Testspiel vor dem WM gelang der Nati ein 4:1 gegen China. (Quelle: R. Niemeyer (de.worldcupwiki.org))

Die Schweiz zählt mit ihren 7,4 Millionen Einwohner zu den kleinen Fußball-Nationen. Selbst der Meister der höchsten Spielklasse darf nicht automatisch in der Champions-League der besten europäischen Vereinsmannschaften mitspielen, sondern muss erst noch eine Vorrunde überstehen. Die Nationalmannschaft, kurz "Nati" genannt, hatte sich vor dieser Weltmeisterschaft erst sieben Mal - zuletzt 1994 - für eine WM-Endrunde qualifiziert. Dort ist sie noch nie über das Viertelfinale hinausgekommen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass die Schweiz bei dieser WM als chancenloser Außenseiter antritt. Im Gegenteil, es spielen einige international erfahrene Stars in der Mannschaft.

Experten halten es für durchaus möglich, dass das junge Team den vermeintlich Großen des Fußballes ein Bein stellen kann. Besonders viel hat sich Offensivspieler Tranquillo Barnetta vorgenommen: "Bei der WM ist für uns alles möglich. Wir können, wenn alles optimal läuft, sogar Weltmeister werden." Innenverteidiger Philippe Senderos ergänzt: "Wir haben keine Angst vor großen Nationen."

Offensivfußball der jungen Generation

Die Schweizer "Nati" braucht sich vor "großen" Fußball-Nationen nicht zu verstecken. (Quelle: wiki.hopp-schwiiz.ch)

Die Hoffnungen für die Weltmeisterschaft 2006 ruhen vor allem auf der jungen Fußball-Generation. Trainer Köbi Kuhn setzt auf viele Nachwuchsspieler, die vor vier Jahren mit der U17-Nationalmannschaft Europameister geworden sind. Zwölf Spieler der "Nati" sind jünger als 25 Jahre. Die tolle Nachwuchsarbeit zeigt auch ein Blick auf die nominierten Spieler zur Wahl des besten Jungstars bei der WM. Als einziges Land schicken die Eidgenossen mehr als drei Talente ins Rennen. Tranquillo Barnetta (21 Jahre) und Philippe Senderos (21) haben in der Nationalmannschaft schon einen Stammplatz sicher und stehen ebenso auf der Nominierungsliste wie Johan Djourou (19), Valon Behrami (21), Blerim Dzemaili (20) und Johan Vonlanthen (20).

Für den jungen Nationalstürmer Johan Vonlanthen ist der Traum von der WM-Teilnahme jedoch geplatzt. Denn kurz vor der Weltmeisterschaft hat er sich beim Fitnesstest einen Muskelfaseriss im linken Oberschenkel zugezogen und fällt deshalb verletzt aus. Vonlanthen selbst sieht das jedoch völlig anders und fühlt sich ausgebootet. Er hat gesagt, dass er wieder 100 Prozent fit sei und spielen könne. Die Ärzte der Nationalmannschaft blieben jedoch bei ihrer Meinung, dass das nicht möglich sei. Es gibt also Streit im Umfeld der Schweizer Nati. Vonlanthen hält einen Rekord im Schweizer Fußball: Mit gerade einmal 16 Jahren war er jüngster Spieler, der jemals in der Nationalliga A auflaufen durfte.

Hakan Yakin wurde nachnominiert

So wie im Testspiel gegen China wollen David Degen, Marco Streller und Alex Frei auch während der WM jubeln. (Quelle: R. Niemeyer (de.worldcupwiki.org))

Der ehemalige VfB-Stuttgart-Spieler Hakan Yakin wird Vonlanthen ersetzen. Trainer Köbi Kuhn hat ihn schon ins Trainingslager eingeladen. Im Testspiel gegen die Italiener wurde Yakin in der 62. Minute eingewechselt. Am 3. Juni ist er offiziell nachnominiert worden. Bei der offiziellen Bekanntgabe des WM-Kaders am 15. Mai hatte er noch nicht auf der Liste gestanden.

Trainer Kuhn hatte seine Entscheidung gegen Yakin damals damit begründet, dass dieser konditionell nicht fit sei und sein Charakter nicht in die Mannschaft passe. Das hat sich nun notgedrungen geändert. Aller Voraussicht nach wird Hakan Yakin nicht nur auf der Ersatzbank sitzen, sondern sogar zu mehreren Einsätzen im Team der Schweizer kommen.

Top-Spieler aus europäischen Ligen

Spitzen-Verteidiger Philippe Senderos vom FC Arsenal London hat keine Angst vor großen Fußball-Nationen. (Quelle: Schweizerischer Fussballverband)

Insgesamt spielen nur fünf der 23 WM-Fahrer in der Schweizer Profiliga. Kuhn setzt also auf Top-Spieler aus ausländischen Ligen. Torwart Pascal Zuberbühler vom FC Basel ist die große Ausnahme. Er ist er der einzige Spieler in der Stammelf, der in seinem Heimatland sein Geld verdient. Alle anderen aus der ersten Elf spielen bei europäischen Spitzenvereinen.

Philippe Senderos vom Champions-League-Finalisten FC Arsenal London und Patrick Müller vom französischen Meister Olympique Lyon sorgen in der Innenverteidigung für die nötige Sicherheit. Johann Vogel vom AC Mailand kümmert sich im defensiven Mittelfeld um die Ordnung. Der 29-jährige Kapitän, der bei Milan in der vergangenen Saison häufig auf der Bank saß, ist ballsicher und enorm wichtig für den Spielaufbau. Zudem bringt er als erfahrener Mann Ruhe und Sicherheit ins Spiel. Der 26-Jährige Alexander Frei von Stade Rennais ist im Sturm gesetzt und wurde im Jahr 2005 Torschützenkönig in der französischen Liga. Nach einer dreimonatigen Verletzung sucht er noch nach seiner Topform.

Bundesliga-Spieler in allen Mannschaftsteilen

Die Schweizer Kicker spielen in vielen vielen europäischen Spitzenklubs - kaum einer verdient sein Geld in der Schweiz. (Quelle: R. Niemeyer (de.worldcupwiki.org))

Gleich sieben Spieler aus der deutschen Fußball-Bundesliga fahren mit zur WM: Die Außenverteidiger Philipp Degen von Borussia Dortmund und Ludovic Magnin vom VfB Stuttgart, der quirlige Kreativspieler Tranquillo Barnetta von Bayer Leverkusen, Stürmer Marco Streller und Mittelfeldspieler Ricardo Cabanas, die in der gerade abgelaufenen Saison mit dem 1. FC Köln abgestiegen sind, gehören allesamt zur Stammelf.

Hinzukommen kommen die Mittelfeldspieler Christoph Spycher von Eintracht Frankfurt sowie Raphael Wicky vom Hamburger SV. Pech hatte der Eintracht-Frankfurt-Spieler Benjamin Huggel. Er wurde nach dem entscheidenden Qualifikationsspiel gegen die Türkei für sechs Pflichtspiele gesperrt, weil er sich an der Schlägerei beteiligt hatte.

Mit Glück und Können für die WM qualifiziert

Trainer "Köbi" Kuhn setzt auf die "Jungen Wilden" im Schweizer Team. (Quelle: R. Niemeyer (de.worldcupwiki.org))

Die Schweiz hat sich als eine der letzten Fußball-Nationalmannschaften über die Entscheidungsspiele gegen die Türkei für die Weltmeisterschaft qualifiziert. Nachdem 1998 und 2002 die Endrunden verpasst wurden, gelang die WM-Teilnahme im vergangenen November trotz der 2:4-Rückspielniederlage gegen die Türkei auf den letzten Drücker. Im Hinspiel hatte die Schweiz nämlich 2:0 gewonnen, wodurch sie in der Endabrechnung Dank der mehr erzielten Auswärtstore die Nase hauchdünn vorne hatte.

Köbi Kuhn hofft, dass seine Mannschaft bei der WM sehr weit kommt. Falls es am Ende nicht zum Gewinn der Weltmeisterschaft reichen sollte, wäre das für ihn aber kein Beinbruch. Seinen ersten Titel will er erst in zwei Jahren holen - wenn die Schweiz gemeinsam mit Österreich die Europameisterschaft 2008 ausrichtet.

Das Schweizer Aufgebot

Tor: Pascal Zuberbühler (Basel), Fabio Coltorti (Grasshoppers Zürich), Diego Benaglio (Nacional Funchal)

Abwehr: Philipp Degen (Borussia Dortmund), Patrick Müller (Lyon), Philippe Senderos (Arsenal), Ludovic Magnin (VfB Stuttgart), Valon Behrami (Lazio Rom), Christophe Spycher (Eintracht Frankfurt) und Stéphane Grichting (Auxerre).

Mittelfeld: Blerim Dzemaili (FC Zürich), David Degen (Basel), Daniel Gygax (Lille), Johann Vogel (Milan), Ricardo Cabanas (Köln), Tranquillo Barnetta (Bayer Leverkusen), Johann Djourou (Arsenal), Xavier Margairaz (Zürich) und Raphael Wicky (Hamburger SV), Hakan Yakin (Young Boys Bern).

Angriff: Alexander Frei (Rennes), Marco Streller (Köln), Mauro Lustrinelli (Sparta Prag)

Vorrundenspiele
13. Juni 2006, 18 Uhr: Frankreich - Schweiz in Stuttgart
19. Juni 2006, 15 Uhr : Togo - Schweiz in Dortmund
23. Juni 2006, 21 Uhr: Schweiz - Südkorea in Hannover

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letzte Aktualisierung: 15.08.2009

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