Sonnenschein
Mein alltäglicher Schulalltag beginnt schon im Bus. Bei normalen Jugendlichen natürlich nicht, aber ich bin ja nicht normal. Noch nie. Ich merke immer dann das die Schule ein verdammter Ort der Quälerei ist, wenn bereits im Bus über mich gelästert wird. Dabei lästern Leute über mich, die mich gar nicht kennen und die ich nicht kenne. Meistens geht es um mein aussehen, denn ich bin keineswegs eine Schönheit. Ich bin ziemlich klein, dick und habe eine riesengroße Nase, bei der ich das Gefühl habe, dass sie über mein ganzes Gesicht geht. Es wird viel getuschelt und gelacht und dabei werde ich immer angestarrt. In der Schule geht es dann weiter. Während ich über den Schulhof gehe, werde ich von mehreren Hundert Augenpaaren begleitet. Mittlerweile machte es mir nichts aus, aber früher war es nicht sehr leicht für mich. Wäre ich, wie schon erwähnt, eine ganz normale Jugendliche, würde ich zu meinen Klassenkameraden gehen, aber wie gesagt, ich bin es nicht und deshalb gehe ich an ihnen vorbei, ohne dass ich sie ansehe oder dass sie mich ansehen. Natürlich habe ich Freunde in der Klasse. Aylin und Hanna. Aber sie gehören auch nicht gerade zu den beliebten, allerdings auch nicht zu den unbeliebten. Sie sind gar nichts bei uns, genauso wie ich. Obwohl Hanna noch am allermeisten Kontakt zu den anderen hat. Eigentlich weiß ich nicht, ob man dass was wir sind Außenseiter oder Mittelschicht nennt. Denn wer die Oberschicht ist, weiß ich, bloß wer die Mittelschicht ist weiß ich nicht. Deshalb denke ich mal, dass wir die Mittelschicht sind, die wie die Unterschicht behandelt wird. Nur eins weiß ich: Ich kann sie nicht leiden und sie mich nicht, jedenfalls die meisten. Und das geben sie vor allem mir deutlich zu spüren. Ich weiß zwar nicht warum aber sie haben gerade mich ausgesucht. Ihr müsst verstehen bei uns in der Klasse gibt es kein Mobbing, in der ganzen Schule gibt es kein Mobbing. Unsere Schule spezialisiert sich auf das Ausschließen und das Lästern. Meine Freunde werden „nur“ ausgeschlossen, aber über mich wird auch gelästert und das kriege ich oft genug mit. Ich habe sozusagen schon ein Gespür dafür.
Und das geht in der Klasse weiter. Einmal zum Beispiel, haben wir im Unterricht einen Film über einen Bauernhof geguckt. Als Schweine gezeigt wurden, hat Kevin Martin zugeflüstert: „Das ist die Milli“ und dreckig gelacht. Ich selbst habe es nicht mitbekommen, aber Aylin hat es mir später erzählt. Wisst ihr aber das aller bemerkenswerteste ist, dass Aylin auch dick ist, über sie aber noch nie ein schlechtes Wort gefallen ist, noch nie hat sie jemand wegen ihrer Figur beleidigt. Wenn, dann war ich es. Und wenn jemand etwas über meine Figur sagte dann waren es Martin und Kevin. Ich weiß nicht warum aber die beiden konnten mich nicht leiden. Praktisch von einem Tag auf den anderen und ich weiß nicht warum. Es war nicht immer so, dass sie mich nicht leiden konnten. Noch vor einigen Monaten kamen wir richtig gut miteinander aus. Haben richtig gut miteinander gesprochen, Hausaufgaben abgeschrieben, halt das übliche. Ja und dann fingen die Lästereien an. Früher habe ich noch die Schuld bei mir selbst gesucht, aber mittlerweile habe ich eingesehen, dass es vielleicht auch einfach an ihnen lag und jetzt sind sie mir egal. Mir ist klar geworden, dass sie einfach eine Veränderung durch machten aus welchen Gründen auch immer und das ich nichts dafür kann. Mittlerweile sind sie mir so egal, wie Frauen einem Schwulen.
Heute war es nicht anders, aber dann kam unerwartete Hilfe…
“Ey gestern habe ich so gesehen wie eine Schlage ein ganzes Schwein auffraß! Stell dir das mal vor!“, sagte Martin zu Kevin.
„Wow! Na ja aber unsere Milli würde das auch schaffen! Hahaha“
„Die kann doch nicht sich selbst auffressen!“ Oberflächliche und unwitzige Witze.
Gelächter. Ich weiß nicht, ob sie wussten, dass ich alles mit anhörte. Entweder hielten sie mich für so blöd oder sie machten es mit Absicht. Ob so oder so, ich sagte nie was. Ich tat immer so, als wäre ich so blöd und hörte nichts.
Dann kam unsere Klassenlehrerin rein und alles verstummte. Sie unterrichte Englisch, Geschichte und Politik bei uns. Heute hatten wir die erste Stunde Geschichte- mein Lieblingsfach. Allein das war schon ein Grund mich zu hassen. Wir hatten gerade das Thema Ludvig der 14.
„Guten Morgen Kinder“, begrüßte sie uns. „Ich habe Neuigkeiten für euch. Ab heute habt ihr einen neuen Mitschüler. Er heißt Jonas Keller. Er ist vor kurzem hierhin gezogen.“
Aha… ein neuer Mitschüler, bestimmt so ein A******** wie die anderen.
„Komm rein Jonas“, rief sie nach draußen. Die ganze Klasse starrte gebannt auf die Tür. Alle waren total neugierig, ob der Neue ein so genanntes Schäfchen oder ein cooler Typ war