Über Graffiti streiten sich die Geister. Die hessische Stadt Wiesbaden unterstützt jedes Jahr ein Festival, bei dem die besten Graffiti-Künstler aus der ganzen Welt eingeladen werden. Sie sollen die grauen Wände der Stadt verschönern. 60 Graffiti-Künstler haben am Wochenende zusammen gefeiert und Wände in der Nähe des Wiesbadener Bahnhofs besprüht - ganz legal, natürlich. Einige Stars der Szene sind sogar aus Südafrika, Chile, den Vereinigten Staaten von Amerika und Polen angereist. Sie alle wollten zeigen, was sie drauf haben. Jeder durfte ein paar Quadratmeter einer Wand zum Thema "Industriekultur" mit Graffitis veredeln. Doch bevor gesprayt wurde, fertigte jeder Künstler erst einmal eine Bleistiftskizze seines Bildes an. Am Freitagmorgen ging's dann los. Die "besten" Wände, waren für die bekanntesten Sprayer reserviert. Zuerst legte jeder einen einfarbigen Hintergrund an und übermalte dabei alle alten Tags. Dann übertrug jeder Künstler seine Bleistiftskizze auf die Wand. Auf diese Weise wusste der Sprayer neben ihm genau, wie viel Platz er nutzen konnte. Drei Tage gesprayt und gepinselt Langsam ließen sich erste Umrisse erkennen und man konnte erahnen, was das fertige Bild später einmal darstellen soll. Dann sprayten die Künstler die Farben auf, die große Flächen bedecken sollten. Manchmal nahmen sie aber auch einen ganz normalen Pinsel zur Hilfe. Schließlich kam die Feinarbeit. Die Umrisse wurden schwarz nachgesprayt, die Details herausgearbeitet und die Schatten gesetzt. Immer wieder begutachteten die Künstler ihr Werk und prüften seine Wirkung. Erst nach drei Tagen waren sie mit dem Ergebnis zufrieden und packten ihre Spraydosen wieder ein.
Wer vorbeikommt, bleibt neugierig stehen und schaut sich die "Street-Art" (Straßenkunst) an. Wie in einem Museum gefällt vielleicht nicht jedem jedes Kunstwerk - aber fast alle finden die Idee mit den bunten Graffitis an den einst grauen Wänden super. Die Hip-Hop-Kultur lebt
Das "Meeting of Styles" war aber mehr als "nur" eine Kunstaktion. Viele der Graffiti-Sprayer waren in Gruppen angereist - mit eigenen DJs, Rappern, Beatboxern und Breakdancern. So war im Umkreis der Sprayer immer etwas los. Für die Besucher gab es auch noch mehr zu erleben, etwa ein kleinen Inliner-Wettbewerb, BMX-Jump auf der Halfpipe und Street-Basketball. Und am Abend gab es Live-Musik. "Hier zeigt sich, dass die Hip-Hop-Kultur bei uns lebt", erzählt Stefan Ölke, einer der Organisatoren des Festivals. "Das ist Völkerverständigung und Jugendaustausch von unten - ganz ohne Verwaltung." Das Festival gibt es nun schon seit fast zehn Jahren - und es hat sich in dieser Zeit einen Namen in der Hip-Hop-Szene gemacht. Das alles ist aber nur möglich, weil Wiesbaden hinter dem Projekt steht. Die Stadt stellt den Künstlern nicht nur Flächen zur Verfügung, sondern bezahlt auch deren Anreise und einen Teil des Materials. Wände zum Austoben
Laut Stefan Ölke hat die Stadt einen Gewinn daraus gezogen, dass sie einen Schritt auf die Sprayer-Szene zugegangen ist. Weil sich Sprayer nämlich an einigen Wänden legal "austoben" dürfen, werden die meisten "normalen" Wände von Schmierereien verschont. Auch die jugendlichen Sprayer freuen sich, dass sie ihre Kunst an großen Wänden demonstrieren dürfen. Das macht mehr Spaß, als nur schnell ihre Initialen (Tags) an den Häusern der Nachbarn zu hinterlassen. Das ist natürlich verboten und außerdem auch gemein, weil es viel Geld und Nerven kostet, immer wieder Graffiti-Schmierereien von seiner Hauswand entfernen zu müssen. Denn oft ist es gerade nicht Kunst, was Sprayer hinterlassen. Auch in anderen Städten ist Sprayen zumindest an einigen ausgewählten Wänden erlaubt. Es ist sicher besser, sich mit einer Jugendkultur auseinanderzusetzen und ihre guten Seiten zu nutzen, als sie gänzlich zu verbieten. |
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