Lexikon: liberal / Liberalismus

von Britta Pawlak

Der Philosoph und Ökonom Adam Smith gilt als bedeutender Vertreter des wirtschaftlichen Liberalismus. Er setzte sich für die Freiheit der Märkte ein und war überzeugt, dass das eigennützige Handeln der Menschen gleichzeitig dem Wohl der Allgemeinheit diene. (Quelle: Wikimedia Commons)

Der Begriff "liberal" leitet sich vom lateinischen Wort "liber" her, das bedeutet "frei". Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet er eine "freiheitliche" Gesinnung. Oft taucht der Begriff in Zusammenhang mit politischen Themen auf - so wird zum Beispiel von bestimmten Parteien und Gruppierungen gesagt, sie seien "liberal" eingestellt. Aber was bedeutet das eigentlich? Der politische "Liberalismus" ist neben dem "Konservatismus" und dem "Sozialismus" eine der wichtigen politischen Grundrichtungen, die sich ab dem 19. Jahrhundert entwickelt haben.

Diese Denkrichtung in der Politik und politischen Philosophie stellt die individuelle Freiheit in den Vordergrund und ist daher gegen zu viel staatliche Macht, Fremdbestimmung und Eingriffe von außen. Die liberale Bewegung galt im 19. Jahrhundert als neuartig und revolutionär, denn über lange Zeit lebte das Volk in Unterdrückung und hatte kaum Möglichkeiten, selbst über sein Leben zu bestimmen. Der Liberalismus forderte die Meinungs- und Pressefreiheit und die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz.

Gemäß dem Liberalismus soll der Einzelne vor der "Willkür" des Staates geschützt werden und die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, was er für richtig oder falsch hält oder was er tun und lassen will. Durch eine Gewaltenteilung soll verhindert werden, dass die staatliche Macht zu einseitig verteilt wird. Gesetze sollen die Bürger des Staates zwar schützen, aber ihre Freiheit nicht allzu sehr einschränken, damit jeder seinen Wünschen und Interessen nachgehen kann. Im Gegensatz dazu bestimmt in Diktaturen und "totalitären" Systemen der Staat über seine Bürger und schreibt ihnen zu großen Teilen vor, welche Überzeugungen sie haben oder wie sie handeln sollen. In einem solchen Staat sind die Menschen sehr unfrei, sie leben in Unterdrückung und überall gibt es Verbote. Das Motto des Liberalismus lautet hingegen: "Jeder ist seines Glückes Schmied" - der Einzelne ist also dafür verantwortlich, was er aus seinem Leben macht.

Das bedeutet auf der anderen Seite, dass man die Menschen weitgehend ihrem Schicksal überlässt und der Staat Ungleichheit und Ungerechtigkeit kaum entgegenwirkt. Nach dem Prinzip des "Sozialstaates" hingegen haben die Bürger nicht nur bestimmte Rechte und Freiheiten, sondern man strebt eine gesellschaftliche Gerechtigkeit an. Der Staat gewährleistet dem Einzelnen also nicht nur Schutz vor unmittelbarer Gewalt und Kriminalität, sondern auch ein bestimmtes Maß an sozialer Absicherung. So sollen Menschen in Not, die zum Beispiel krank oder ohne Arbeit sind, nicht einfach im Stich gelassen werden. Durch die Sozialhilfe wie das Arbeitslosengeld erhalten sie vom Staat zumindest das Nötigste, um leben zu können. Dem entgegen steht ein rein "liberaler" Staat, der nur die persönliche Freiheit und das Eigentum des Einzelnen schützt. Der Politiker und Schriftsteller Ferdinand Lassalle führte im 19. Jahrhundert den Begriff "Nachtwächterstaat" ein, da der Staat in einem solchen System praktisch nur die Aufgabe eines Nachtwächters übernimmt.

Dieses Prinzip, das man auch als "Laissez-faire" (aus dem Französischen übersetzt: "lasst machen" oder "lasst einfach laufen") bezeichnet, war im 19. Jahrhundert vorherrschend. Im Zuge der Industrialisierung waren immer breiterer Bevölkerungsschichten von großer Armut betroffen und unzählige Arbeiter schufteten zu unmenschlichen Bedingungen. Schließlich war der Staat gezwungen, soziale Reformen zum Schutz der Arbeiter und gegen menschliche Ausbeutung und Ungerechtigkeit einzuführen. In Deutschland führte Reichskanzler Bismarck zum Ende des 19. Jahrhunderts wirtschaftliche Regelungen und Sozialgesetze ein, die den Grundstein für den "modernen Sozialstaat" legten.

Der wirtschaftliche Liberalismus setzt sich vor allem für einen freien Markt ein, der sich selbst regeln soll und möglichst nicht durch Gesetze und staatliche Auflagen eingeschränkt wird. Dem Ideal nach soll jeder die Möglichkeit haben, Privateigentum zu erwerben und damit zu wirtschaften. Nach der großen Weltwirtschaftskrise von 1929 waren aber auch immer mehr Anhänger des Liberalismus der Überzeugung, dass der freie Handel nicht nur durch Eingriffe von Seiten des Staates "gefährdet" sei, sondern auch durch die Bildung von einseitigen Machtverhältnissen: Wenn nämlich nur wenige Händler, Unternehmen oder Gruppen den Markt beherrschen, können sie ihre Macht ausnutzen, um die Konkurrenz auszuschalten und ihre eigenen Regeln aufzustellen. Man spricht in der Wirtschaft auch von "Kartellen". Wenn eine Ware oder Dienstleistung auf dem Markt nur von einer Person oder einem Unternehmen allein angeboten wird und es überhaupt keine Konkurrenz gibt, nennt man das "Monopol".

Die Ideen des Liberalismus wurden schließlich erneuert und Mitte des 20. Jahrhunderts bildete sich der "Neoliberalismus" heraus (hergeleitet von dem griechischen Wort "neo", was "neu" bedeutet) - es handelt sich also um einen "neuen Liberalismus". Ebenso wie die klassische Form des Liberalismus steht er für eine freiheitliche Marktwirtschaft ein und spricht sich dagegen aus, dass der Staat die Wirtschaftsvorgänge aktiv steuert. Das Gegenstück zu dieser Wirtschaftsform ist die Planwirtschaft, wie sie in den sozialistischen Ländern vorherrschend war. Allerdings fordern die Anhänger des Neoliberalismus, dass durch bestimmte Regelungen ein freiheitlicher Wettbewerb auch gefördert wird. Dadurch soll möglichst verhindert werden, dass sich Kartelle und Monopole bilden und sich die wirtschaftliche Macht auf wenige Personen oder Unternehmen konzentriert.

Gegner dieser Politik prangern jedoch an, dass das Prinzip des Neoliberalismus keinesfalls dafür sorge, dass es fair auf dem Markt zugeht und alle Beteiligten dieselben Chancen haben. Tatsächlich kann nicht jeder "erfolgreich" sein und private Eigentümer "anhäufen", sondern Hab und Gut sind ungleich verteilt, wirtschaftlich ohnehin mächtige Konzerne sowie Staaten handeln zu ihrem Vorteil und gewinnen weiter an Einfluss. Wenn sich die einen auf Kosten anderer bereichern, führt dies aber zu noch mehr Ungerechtigkeit und die Kluft zwischen Arm und Reich wird größer, so die Gegner der neoliberalen Politik. Die weltweite Banken- und Finanzkrise hat für die "Globalisierungsgegner" und Kritiker des Neoliberalismus deutlich gezeigt, wohin die angestrebte Freiheit der Märkte tatsächlich führt. Sie fordern eine Wirtschaft und Politik, die soziale Ungerechtigkeit bekämpft, statt diese weiter zu verstärken und rücksichtslos mit dem Schicksal einzelner Menschen und mit der Natur umzugehen. Denn gerade in Zeiten der Globalisierung ist es so wichtig wie nie, die großen Probleme wie Armut, Hunger und Umweltprobleme anzugehen - und die Voraussetzung dafür sind Einschränkungen des freien Handels und Gesetze, die den Markt regeln, statt diesen weitgehend sich selbst zu überlassen.

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letzte Aktualisierung: 05.05.2012

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