Der nächste Hammer: Jetzt wartet Italien

Teil 2 von 10

01.07.2006

Oh wie einfach hatte es die deutsche Elf doch noch vor vier Jahren auf ihrem Weg ins Finale. In der K.o.-Runde musste sie "nur" die Teams aus Paraguay, den USA und Südkorea ausschalten. Beim laufenden Turnier hat die Klinsmann-Elf bereits Schweden und die Top-Mannschaft aus Argentinien bezwingen müssen. Und jetzt wartet der nächste absolute Hochkaräter: Italien. Torsten Frings wird in diesem immens wichtigen Spiel fehlen. Der Fußball-Weltverband Fifa hat den defensiven Mittelfeldspieler am Montag wegen einer angeblichen Tätlichkeit gesperrt.


Endlich konnte Jens Lehmann beweisen, dass er ein Weltklasse-Torwart ist. (Quelle: Florian Kienetz (WorldcupWiki/ GNU))

An die italienische Mannschaft haben die deutschen Fans keine guten Erinnerungen. Erst vor vier Monaten, am 1. März, hat die "Squadra Azzurra" die Klinsmann-Elf bei einem Freundschaftsspiel in Turin mit 4:1 vom Platz gefegt. Die Aussagen des Bundestrainers, er wolle Weltmeister werden, erschienen nach der gezeigten Leistung gegen ein Spitzenteam geradezu lächerlich. Doch die Voraussetzungen haben sich vor dem Halbfinalspiel am Dienstag, 21 Uhr im WM-Stadion Dortmund innerhalb dieser eigentlich recht kurzen Zeit grundlegend geändert.

Das deutsche Team hat die Selbstzweifel, die sie in den Testspielen vor der Weltmeisterschaft noch gehemmt hatten, abgelegt. Jeder einzelne Spieler glaubt an sich und an die Chance, Weltmeister zu werden. Die noch vor kurzem völlig löchrige Abwehr ist mittlerweile super aufeinander abgestimmt. Es geschehen kaum noch Fehler. Auch im Viertelfinale gegen Argentinien gab es für die spielstarken Gauchos kaum ein Durchkommen gegen die beiden Innenverteidiger Per Mertesacker und Christoph Metzelder. Das einzige Gegentor - erst das dritte bei diesem Turnier - fiel nach einer Standardsituation.

Versöhnung auf dem Platz: Kahn und Lehmann

Archivbild: Miroslav Klose schoss das 1:1 (80. Minute), musste kurz danach aber völlig platt ausgewechselt werden. (Quelle: Florian Kienetz (WorldcupWiki/ GNU))

Die Stimmung im deutschen Team war schon vor dem knappen Sieg gegen einen der Top-Favoriten auf den Weltmeistertitel hervorragend. Jetzt ist die Mannschaft noch enger zusammengewachsen. Sogar Ersatz-Torwart Oliver Kahn, der während der WM öffentlich darüber geklagt hatte, dass er nicht mehr die Nummer eins im deutschen Tor ist, scheint inzwischen voll hinter seinem internen Konkurrenten, Jens Lehmann, zu stehen. Vor dem Elfmeterschießen gegen Argentinien ist Kahn zu Lehmann gegangen, hat ihn an sich gedrückt und ihm viel Glück gewünscht. Das hatte man nicht unbedingt von ihm erwartet.

Und Jens Lehmann nutzte die Chance, endlich einmal auf seine außergewöhnlichen Torhüter-Qualitäten aufmerksam zu machen. Im bisherigen Turnierverlauf hatte die starke deutsche Abwehr so wenige Möglichkeiten für die Gegner zugelassen, dass sich der Keeper kaum auszeichnen konnte. Nachdem Lehmann im Elfmeterschießen zwei von vier Schüssen gehalten hat, dürfte auch sein Selbstvertrauen wieder ganz oben sein. "Von einem deutschen Torwart erwartet man, dass er ein paar Elfmeter hält", sagte der deutsche Keeper lächelnd und mit einem Augenzwinkern nach dem Spiel.

Sein Patzer im Champions-League-Finale, wo er mit einer Roten Karte vom Platz geflogen war und damit sein Team, Arsenal London, entscheidend geschwächt hatte, ist endgültig vergessen. Lehmann ist eine ganz wichtige Säule im deutschen Team. Ein Keeper wie ihn braucht die deutsche Elf im Spiel gegen die extrem torgefährlichen und abgebrühten Italiener.

Klinsmann, der Vater des neues National-Teams

Plötzlich glauben alle, dass Deutschland Weltmeister werden kann. Das ist Klinsmanns Verdienst. (Quelle: Florian Kienetz)

Trainer Jürgen Klinsmann, dessen Gefühle nach dem Triumph wieder einmal mit ihm "Gassi gegangen" sind, war sehr erleichtert nach dem Viertelfinalsieg. Schließlich hatte sein Team seit sechs Jahren gegen keine Top-Mannschaft mehr gewonnen. In insgesamt 18 Spielen hatten die deutschen Elitekicker gegen Gegner wie Italien, Brasilien, die Niederlande und England als Verlierer oder bestenfalls mit einem Unentschieden den Rasen verlassen müssen. Endlich ist der Knoten geplatzt und die Negativ-Serie beendet.

"Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden", sagte Klinsmann nach dem Argentinien-Spiel, "aber jetzt haben wir noch zwei sehr, sehr große Schritte vor uns. Wir wollen Weltmeister werden." Dieses Ziel hatte Klinsmann schon bei seinem Amtsantritt als Bundestrainer vor zwei Jahren verkündet - und war dafür belächelt worden. Zu schlecht waren die Leistungen der deutschen Elf, die gerade sang- und klanglos in der Vorrunde der Europameisterschaft 2004 gescheitert war. Klinsmann stellte die Mannschaft radikal um und verjüngte das Team. Erfolge stellten sich jedoch vor der WM kaum ein - aber jetzt zeigt sich, dass er es geschafft hat, sein Team auf den Punkt topfit zu machen.

Torsten Frings nachträglich gesperrt

"Ich habe immer gesagt, dass ich mit dem deutschen Team Weltmeister werden will", sagte Klinsmann. " Und langsam glauben die Leute auch, dass wir es schaffen können. Die Stimmung sei phantastisch. Seine Aufgabe bestehe nun darin, darauf zu achten, dass seine Nationalspieler jetzt nicht zu viel feiern. Schließlich wartet am Dienstag bereits die nächste schwere Aufgabe.

Torsten Frings, der im Spiel gegen Argentinien eine herausragende Leistung zeigte, wird nicht dabei sein. Ihm wird vorgeworfen, sich an der Rangelei nach dem Spiel gegen Argentinien beteiligt zu haben. Mehrere enttäuschte Argentinier, darunter Maxi Rodriguez, hatten deutsche Spieler sowie Manager Oliver Bierhoff nach dem Scheitern im Elfmeterschießen angegriffen. Angeblich soll Torsten Frings im Getümmel ebenfalls einen Argentinier geschlagen haben. Dafür wurde er am Montag für das nächste Spiel gegen Italien gesperrt. Im Finale oder im Spiel um Platz 3 wird er aber wieder auflaufen dürfen. Der deutsche devensive Mittelfeldspieler bestreitet die Vorwürfe. Auf seiner Position wird voraussichtlich Tim Borowski beginnen.

Wiedergutmachung für das 1:4

Vorsicht, deutsche Abwehr: Luca Toni schoss 31 Tore in der Seria A und 2 Tore gegen die Ukraine. (Quelle: Italienischer Fußballverband)

Die Italiener sind derzeit in einer beeindruckenden Form. Die vielen Fußball-Skandale in ihrer Heimat - soeben hat der Prozess gegen zahlreiche Vereins-Manager und Spieler wegen Wettbetrugs begonnen - haben das Team nur noch enger zusammengeschweißt. Trainer Marcello Lippi hat beim ungefährdeten 3:0-Sieg gegen die Ukraine im Viertelfinale einige seiner Stars, darunter Andrea Pirlo, schon früh ausgewechselt, um sie für das Spiel gegen Deutschland zu schonen.

Italien beeindruckte im bisherigen Turnierverlauf vor allem durch seine Abgeklärtheit im Abschluss. Aus wenigen Chancen haben sie viele Tore gemacht. Auffällig ist jedoch, dass sie in der Abwehr Fehler machen, sobald sie unter Druck geraten. So hatte die Ukraine durchaus genug Chancen, um ein bis zwei Tore erzielen zu können. Unschlagbar ist die Squadra Azzurra nicht. Das haben auch die vielen deutschen Zuschauer gemerkt, die das Spiel im Stadion verfolgt haben. "Gegen Deutschland habt ihr keine Chance", sangen sie auf den Rängen. Längst haben sie das blamable 1:4 von Turin vergessen. Am Dienstag wird es sich zeigen, ob sie mit ihren Sprechchören richtig lagen.

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letzte Aktualisierung: 15.08.2009

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