Lexikon: Ochlokratie

Die Theorien der altgriechischen Politiker, Staatsmänner und Philosophen unterscheiden streng zwischen Ochlokratie und Demokratie. Bei beiden Staatsformen herrscht das Volk. Doch während bei der Demokratie das herrschende Volk am Wohl der Allgemeinheit orientiert ist, handeln die Menschen einer Ochlokratie ausschließlich eigennützig und denken nur an sich selbst. Aus diesem Grund wird Ochlokratie auch Pöbelherrschaft genannt. Bei einem Pöbel handelt es sich um eine sehr negativ gemeinte Bezeichnung des gemeinen Volkes oder einer großen Masse an (meist) aufgebrachten Menschen.
Ochlokratie bedeutet also, dass die Masse der unteren Gesellschaftsschichten die Macht in einem Staat ausübt. Jedoch ist jedes Individuum nur auf seinen eigenen Vorteil aus und die Ziele, die oft gegen die Autoritäten eines Staates gerichtet sind, sollen durch die Anwendung von Gewalt erreicht werden. Aus diesem Grund ist die Ochlokratie eine eher theoretische Staatsform, die häufig vor den negativen Auswüchse einer Demokratie warnen soll. Daher kann man sie auch als „verfallene Demokratie“ bezeichnen.

Der Begriff „Ochlokratie“ stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet wörtlich übersetzt „Herrschaft der Menschenmenge“. Er geht auf den griechischen Historiker Polybios zurück, der in den Jahren 200 bis 118 v. Chr. lebte. In seinen Theorien über unterschiedliche Staatsformen bezeichnete er zum ersten Mal eine negative Demokratie als Ochlokratie. Weicht innerhalb eines Volkes das Interesse am Gemeinwohl der Konzentration auf das Individuum, so spricht man seiner Meinung nach von Ochlokratie. Diese Unterscheidung haben bereits die großen Philosophen vor Polybios gemacht. Sowohl Platon oder der Geschichtsschreiber Herodot, die beide im 5. Jahrhundert v. Chr. lebten, als auch Aristoteles (384 bis 322 v. Chr.) waren sich darüber im Klaren, dass es auch eine schlechte Form der Demokratie geben musste, bei der das Volk die Macht zu herrschen missbrauchte, um habsüchtig und eigennützig zu handeln. Auf diese Weise würde jeder Gesellschaft Schaden zugefügt.

Selbst der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau, der fast 2000 Jahre später im 18. Jahrhundert lebte, war noch immer dieser Meinung. Er unterschied zwischen den Interessen des Volkes am Gemeinwohl, dem sogenannten „volonté générale“ und dem Interesse an den Einzelnen, dem „volonté de tous“.

Da es sich bei der Ochlokratie eher um einen theoretischen Ansatz handelt, gab es niemals ein Land, dessen Staatsform eine wirkliche Ochlokratie war. Vielmehr gab es einzelne Situationen in der Geschichte, in denen sich eine aufgebrachte Volksmenge (häufig in Krisenlagen) über die Macht des Gesetzes oder des Staates erhob. Von Geschichtswissenschaftlern wurde während der Hexenprozesse von Salem in den USA im Jahre 1692 ein ochlokratisches Verhalten der Volksmenge festgestellt. Dort entwickelte sich eine Hysterie unter der Bevölkerung, bei der im Dorf Salem und den umliegenden Gemeinden in Neuengland über 350 Leute festgenommen und zum großen Teil der Hexerei beschuldigt worden waren. Die aufgebrachte Menschenmenge ließ den Richtern und Rechtssprechenden keinen großen Spielraum: Im Verlaufe dieser Hysterie wurden weit über 50 Menschen unter schrecklichen Foltern zu Falschaussagen gezwungen und darüber hinaus sogar 20 Angeklagte hingerichtet.

Auch die sogenannte „Pariser Kommune“ wird von Geschichtswissenschaftler als Beispiel für eine Ochlokratie herangezogen. Gegen den Willen der Regierung Frankreichs, wurde in Paris während der letzten Monate des verlorenen Deutsch-Französischen Krieges im Jahre 1871 ein Stadtrat gewählt, der aus Mitgliedern der Nationalgarde und einfachen Arbeitern bestand. Ihre Ziele waren klar: Sie wollten einen Umsturz aller sozialen Verhältnisse in Frankreich und den Adel und die Obrigkeit vollständig beseitigen. Stattdessen sollten die unteren Schichten an die politische Macht gelangen. Die Kommune begann sogar erste Gesetze wie einen Schutz für Arbeitnehmer oder einen kostenlosen Schulunterricht zu beschließen. Doch bevor diese Gesetze eingeführt werden konnten, begannen die Truppen der französischen Regierung in blutigen Straßenschlachten die Mitglieder der Kommune zu bekämpfen. Schon bald wurde der Aufstand der Pariser Kommune niedergeschlagen. Die Kommune bestand nur eine kurze Zeit vom 18. März bis zum 28. Mai 1871.

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letzte Aktualisierung: 02.07.2015

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