Da steht sie also, am alten Teich im Dunkel der Morgendämmerung, Elfengleich mit ihren dunklen Haaren und den frühlingshaften Klamotten, mitten im Schnee, und starrt auf die dünne Eisschicht.
Nie hat sie sich einsamer gefühlt, nie verlorener, nie verlassener.
Und der Mensch, der sie wärmen könnte, der ist gerade gegangen, wegggefahren mit dem Zug, fort von ihr.
"Ich gehe nicht." Hat er gesagt, und dann ging er.
"Ich komme wieder" hat er gemeint, aber gesagt hat er es nicht und in seinen Augen laß sie etwas anderes.
>>Du bist erbärmlich<< flüstert der Wind ihr zu.
Die Nässe hat bereits den dünnen Stoff ihrer Schuhe durchzogen, sie friert und zittert und mit voller Absicht legt sie die Jacke ab, breitet die Arme aus. Eiskalte Tränen weint sie, lautlos, kein Schluchzer.
Leise fallen bitterschwere Tropfen in den Schnee und werden zu Eis.
Sie kniet sich hin, betrachtet ihre Finger, plötzlich ist sie ruhig.
Er hat mal gesagt, sie solle sich fallen lassen und sie vertraute ihm.
Sie hat sich fallen lassen und er fing sie auf, zumindest dachte sie dass. Nun hat er sie abgesetzt, dieser Blick, sie will nicht so sein, weill ihm genügen.
"Verlass mich nicht..."flüstert sie in den Wintermorgen hinein.
Gevater Tod streckt seine kalten Finger nach dir aus. Und du kannst garnichts dagegen tun.
Mit blauen Knöcheln klopft sie auf die Eisdecke und plötzlich ist sie müde.
Sie steht auf, zieht die Jacke an, die nun, da sie im Schnee lag, nicht mehr wärmt. Die vereisten Stufen hinauf zur Brücke, alles schläft, nur ein paar wenige Menschen stehen vor der Disco.
>Lichter< denkt sie noch, hebt den Kopf zum Himmel hin und fällt nieder, ihre Füße tragen nicht mehr und das kalte Mondlicht wärmt sie nicht. Das letzte was sie mitbekommt sind überraschte Ausrufe, fremde Stimmen... und die Kälte kommt, wie sie es gewollt hat, löscht den Schmerz und lässt sie sinken in tiefen, traumlosen Schlaf.