Sie saßen hier schon lange, keinem fiel auf, wie es langsam dunkel geworden war. Sie saßen an dem kleinen Küchentisch aus dunklem Holz, er auf der Eckbank, sie auf einem Stuhl, ihm gegenüber. Sie hatte die Beine angezogen und die Arme darumgeschlungen, vielleicht war ihr kalt, wahrscheinlich.
Sie saßen hier seit dem Abendbrot, das schmutzige Essgeschirr hatte sie zur Seite geschoben, die Teller übereinandergestapelt. Vor ihm stand eine Flasche Wodka und ein kleines, schweres Glas, das füllte er an, ohne hinzuschauen. Er tat das schon zum vierten oder fünften Mal, und sie sah ihm dabei zu, stumm weinend, die Tränen liefen aus ihren starren Augen über die Wangen und versickerten schließlich am Hals oder am Kinn. Er trank das Glas in einem Zug leer und füllte es wieder an, ohne hinzuschauen, und sie saß ihm gegenüber, stumm weinend, und es war dunkel im Zimmer, aber keiner machte Licht.
Mit zitternder Stimme begann sie, eines seiner Gedichte zu rezitieren: "...hör endlich auf, an das Leben zu glauben. / Denn entweder du ertrinkst im Schmerz oder im Wodka, / wenn dich vorher keiner erschießt....".
"Hör auf!", brüllte er. Sie sah ihn stumm weinend an und murmelte: "... eure verlogenen Hände habt ihr erhoben/ wie um Unschuld zu demonstrieren, doch eigentlich um mich zu erschlagen..." Er warf das Glas nach ihr, das kleine, schwere Glas traf sie an der Schulter, aber sie zuckte nicht zusammen, nicht einmal mit den Augen. "Wir sind genauso tot wie unsere Kinder / deren ausdrucksloser Atem erfroren...", formten ihre Lippen. Er stand auf, etwas mühsam, er musste sich an der Tischplatte abstützen, er ging auf sie zu, er drückte sie gegen die Wand, er schlug ihr ins Gesicht, wieder und wieder, ohne hinzuschauen. Sie wehrte sich nicht, sie schrie nicht, sie stand schweigend, stumm weinend, aus ihren Augen liefen Tränen, sie wartete. Sie wartete darauf, dass er ihren Namen sagte. Nadeschda.
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