Ich bin heute in die Schuldisco gegangen, weil ich es liebe, wenn der Bass durch den Boden in meinen Körper strömt. Also betrat ich den dunklen Raum und setzte mich auf den Boden mit den Rücken an den Bassverstärker. Außer mir waren in dem Raum nicht viele Kinder, nur 5 bis 6, ich habe sie nicht gezählt. War mir aber auch egal. Ich lauschte dem dröhnen, den Stimmen der anderen, aber ich fühlte nur den Bass in mir vibrieren. Dass ist etwas Besonderes. Als würde dich etwas stärken, etwas halten dass niemand sehen kann. Nur spüren. Erahnen. Es kam so eine Welle zu mir, die mich einhüllte wie eine Seifenblase. Ruhe. So eine warme, kreisende, angenehme Ruhe, die mich da ausfüllte. Doch da rief jemand meinen Namen. Ich sah auf und konnte nicht erkennen wer da meinen Namen gesprochen hatte. Und weg war die ruhe, denn ich kannte keines der Kinder. Aber mindestens eines von ihnen kennt mich. Das wäre jetzt nicht sonderlich schlimm, doch was ich mich frage ist, woher da jemand meinen Namen kennt. Doch niemand ließ sich erkennen meinen Namen gesagt zu haben, und so drückte ich mich enger an den Bass und sah starr an die Decke. Und trotzdem habe ich so ziemlich alles mitgekriegt. Ich saß zwar alleine in der dunkelsten Ecke des Raumes, aber es ist eigentlich ziemlich egal wo man sitzt, wenn alle anderen denken das man sowieso nicht aufpasst. Mit Lehrern ist es genauso. Und dass ist unvorsichtig. Deshalb sah ich wie eines der zwei Mädchen mit den Jungs rumknutschte, wie sich die Mädchen dann gegenseitig küssten (und zwar richtig mit Zunge, nicht bloß auf die Wange wie man jetzt denken könnte…), wie die Mädchen den Jungs die Hosen herunterzogen (und zwar auch die Unterhosen), dass die drei Gestalten auf der anderen Seite des Raumes gerade bei Facebook gemeinsam ein spiel zockten, dass zwei der dunkelhäutigen Jungs Hip-Hop tanzen können, und dass die Mehrheit von ihnen in den 5ten Jahrgang geht. Die Music wurde immer besser, aber auf den Text habe ich nicht geachtet, der Bass wurde aber immer stärker doch die ruhe von vorhin kam nicht wieder. Denn plötzlich standen die zwei dunkelhäutigen Jungs neben mir, und sprachen miteinander. „Wer ist das?“ Der eine zeigte auf mich und beide sahen mich an. Ich drehte den Kopf und beobachtete sie. „Ey Leute, wer ist das?“ Brüllte einer, und schon bildete sich ein Ring um mich. Und ich konnte weder aufspringen und weggehen, noch irgendetwas anderes tun. Ich starrte irgendwo zwischen die Beine der Kinder um mich herum und versuchte ruhig zu bleiben. Und plötzlich tanzte der kleinere der dunkelhäutigen Jungen direkt vor mir. Doch jetzt nicht etwa aufrecht, um mich anzutanzen. Nein, er tanzte gebeugt und ließ mich nicht aus den Augen. Seine Freunde feuerten ihn an und ich fühlte mich wie ein kleines Küken in mitten eines blutrünstigen Wolfsrudels. Der Junge tanzte immer näher, und ich konnte mich nicht bewegen. Er bedrohte mich durch lautes Klatschen, schnelle Bewegungen und lautlose, starre Blicke. Denn wenn ich mich bewegt hätte wäre das nicht gut ausgegangen. Wahrscheinlich hätte ich ihn so hart wie möglich zurückgestoßen. Und dann wäre ich von seinen Freunden verprügelt worden. So läuft das hier. Der Typ kam also mit immer schnelleren Bewegungen auf mich zu, und er schien mich erdrücken zu wollen. Komme was wolle, dachte ich, wenn er mich berührt kommt hier keiner heile raus. Doch als ich keine Regung zeigte, selbst als er mit seinen zu schlitzen verängten Augen direkt vor mir war ließ er von mir ab. Der Kreis verlief, und schließlich saß ich wieder alleine da. Am liebsten wäre ich aufgesprungen, und weggerannt. Aus der Schule, den Berg hoch, irgendwo hin, vielleicht die Schnellstraße entlang bis keine Ahnung wo. Aber dann hätten sie gewonnen. Also blieb ich sitzen und versuchte, nicht zu viel nachzudenken, und weiterhin aufrecht zu sitzen. Aber ab da wurde ich angeschaut wie ein Exot. Sie sahen mich an als wäre ich unter ihnen eingestuft, nicht würdig beachtet zu werden und doch zu widerlich um mich nicht zu beachten. Ich war ehrlich froh als das Licht anging, und die Disco für heute geschlossen wurde. Ich achtete darauf dass niemand der Kinder sah wohin ich ging. Denn dann hätten sie bestimmt vor meiner Klasse auf mich gewartet.
Manchmal frage ich mich ernsthaft ob es an mir liegt. Ob ich irgendwie anders bin, und zwar nicht so wie man zum Beispiel unterschiedliche Haarfarben hat, sondern geistlich. Ob ich vom Denken her anders bin, und die anderen Kinder das irgendwie auch so bemerken, ohne mich besser kennen zu müssen.