Welt der Sinne: Wie funktioniert unsere Orientierung?


Wir kennen diese Situation aus vielen Filmen: Verirrte Menschen wandeln in der Wüste umher. Obwohl sie denken, geradeaus zu laufen, merken sie nach einem langen Fußmarsch, dass sie schon einmal an dieser Stelle gewesen sind. Stimmt es, dass umher irrende Menschen automatisch im Kreis laufen? Wie funktioniert eigentlich unser Orientierungssinn? Wie läuft das Zusammenspiel unserer Sinne ab? Warum sind Sinne lebensnotwendig - und warum sind viele Tiere uns Menschen in ihren Sinnen und Instinkten weit überlegen?


In der Wüste gleicht eine Sanddüne der anderen. Wir können uns schwer an einem bestimmten Punkt orientieren. Sandstürme verhindern oft die Sicht in den Himmel. (Quelle: Pixelio)

Immer wieder hört man davon, dass Menschen, die sich in der Wüste verirrt haben, meist im Kreis laufen würden. Als Grund dafür wird entweder die Beinlänge oder die unterschiedlich ausgeprägte Kraft in den Beinen verantwortlich gemacht - oder auch beides. Wir kennen die Situation aus vielen Filmszenen: Verirrte Menschen bemerken nach ihrer stundenlangen Wanderung, dass sie an einem bestimmten Ast schon einmal vorbeigekommen sind - sie sind im Kreis gelaufen.

Ist das aber auch in Wirklichkeit so - bewegen wir uns automatisch im Kreis, wenn wir die Orientierung verloren haben? Verirrte laufen zwar Kurven, jedoch selten im Kreis. Sollte ein Bein länger sein als das andere oder mehr Kraft besitzen, so hat sich unser Körper bereits darauf eingestellt und gleicht dies aus. Doch wir laufen ungewollt im "Zick-Zack"-Kurs, da unser "gefühltes Geradeaus-Gehen" nicht wirklich geradlinig ist. Denn um eine gerade Strecke zurückzulegen, benötigen wir eine Orientierungshilfe. Wie funktioniert eigentlich unser Orientierungssinn?

An Sonne und Sternen orientieren

Nachts kann man sich an den Sternen orientieren - in der Schifffahrt war dies schon früher eine entscheidende Hilfe. (Quelle: Pixelio)

Ganz natürlich sucht unser Auge am Horizont nach prägnanten, also auffälligen Orientierungspunkten wie Bäumen, Häusern oder Bergen. Wir nehmen sie uns ganz automatisch zum Ziel und suchen uns, sobald wir sie erreicht haben, neue Punkte. In der Wüste mit ihren unzähligen Dünen, bei denen eine der anderen gleicht, ist es für einen Einzelnen fast unmöglich, eine längere Strecke hinter sich zu bringen, ohne unterwegs mehrmals die Richtung zu ändern. Umgeben von Sandstürmen, die in Wüsten recht häufig auftreten, ist dann selbst die Sicht auf Himmelskörper behindert. So fehlt auch die Möglichkeit, sich an Sonne, Sternen oder Mond zu orientieren.

Nachts kann man sich nach dem auffälligen Nordpolarstern richten, der genau im Norden am Himmel leuchtet. Tagsüber können wir am Stand der Sonne ungefähr die Himmelsrichtung bestimmen - das machten sich schon früher viele Menschen zu Nutze. So sagt das bekannte Sprichwort: "Im Osten geht die Sonne auf, im Süden nimmt sie ihren Lauf, im Westen wird sie untergehen, im Norden ist sie nie zu sehen." Eine bahnbrechende Erfindung half bereits zu vergangenen Zeiten bei der Orientierung: der Kompass. Die Kompassnadel wird durch das Magnetfeld der Erde beeinflusst und zeigt bekanntlich immer nach Norden. Für Seemänner war der Kompass unverzichtbar, um die richtige Route zu finden und ihr Ziel zu erreichen.

Warum verirren wir uns in der Wüste und auf offenem Meer?

Der Horizont - auf offenem Meer scheint er endlos zu sein. (Quelle: Pixelio)

Doch ohne Orientierungshilfen oder das nötige Wissen auf sich allein gestellt, kann eine Wanderung in der Wüste oder eine Fahrt auf hoher See tödlich enden. Denn nicht nur die Wüsten der Erde halten endlos scheinende Weiten für uns bereit, auch auf den Meeren gibt es oft keine markante Stelle am Horizont, an der man sich orientieren könnte. Wasser, nichts als Wasser - einzig die Sonne oder die Sterne lassen dann noch eine Bestimmung des Standorts und des Zielorts zu, sofern man sich ein wenig mit den Sternbildern auskennt.

Am besten, du probierst selbst einmal mit deinen Freunden aus, ob ihr mit verbundenen Augen auf freiem Feld problemlos geradeaus laufen könnt. Die Augen werden verbunden, damit ihr euch keinen Orientierungspunkt zu Hilfe nehmen könnt. So kann man eine Situation in der Wüste simulieren. Wählt zuvor einen Punkt, an dem ihr ankommen wollt und seht selbst, wo ihr am Ende wirklich landet. Wichtig ist es, diesen Versuch nicht alleine machen. Es sollte immer jemand auf das "Versuchsobjekt" mit der Augenbinde aufpassen, um Stürze oder Ähnliches zu vermeiden.

Die Orientierung mithilfe von Satelliten im All

Galileo-Satelliten senden Signale auf die Erde und können recht genau unseren Standpunkt bestimmen. Sie sollen bald sogar Menschen unter Lawinen finden können. (Quelle: ESA)

Heute sind wir durch fortschrittliche Technologien in der Lage, Geräte zu entwickeln, die es uns einfach machen, unseren Standort und unseren Weg zum ausgewählten Ziel zu bestimmen. Dank der Satelliten im All und dem kleinen Gerät namens GPS-Navigator ("Global Positioning System", übersetzt: "Weltweites Positions-Bestimmungs-System") in unserer Hand ist es möglich, auch ohne gesammelte Ortskenntnisse am Ziel anzukommen.

20.000 Kilometer über der Erde kreisen die GPS-Satelliten. Sie senden Signale, die von einem GPS-Gerät auf der Erde empfangen werden. Von ihm werden sie berechnet, um dann recht genau anzuzeigen, an welchem Ort es sich befindet. Solche Navigations-Systeme gibt es auf dem Schiff, für Autofahrer und immer häufiger auch für Menschen, die zu Fuß unterwegs sind.

Da aber nicht jeder ein GPS-Gerät bei sich trägt, sind wir noch immer auf unsere Sinne angewiesen, die uns bei der Orientierung unterstützen: Sehen, Hören, Erfühlen und unsere Erfahrungen mit Zeit und Raum. Schon in früher Kindheit fangen wir an, unser Umfeld mit allen unseren Sinnen zu erfassen. Unbewusst beginnen wir damit, Entfernungen in Zeit zu messen. Bei diesem Vorgang versucht unser Gehirn, sich alles genau einzuprägen, um später aus diesen Erfahrungen schon im Vorfeld die Zeit oder die Entfernung abzuschätzen.

Das Zusammenspiel unserer Sinne

Ein markanter Punkt in der Landschaft hiflt uns beim Orientieren. (Quelle: Pixelio)

In heutiger Zeit bewegen wir uns oft mit Transportmitteln wie Auto, Bus und Bahn fort - dies lässt uns immer orientierungsloser werden. Wir verlassen uns auf öffentliche Verkehrsmittel, während die Menschen in der Vergangenheit auf sich selbst gestellt waren und ihre Umgebung aufmerksam erfassen mussten. Unser Gehirn kann dadurch weniger Erfahrungen sammeln, als wenn wir uns noch unbekannte Wege zu Fuß zurücklegen. So fällt es vielen zunehmend schwerer, Entfernungen und die damit verbundene Zeit richtig einzuschätzen und sich in der Fremde zu orientieren.

Was sind eigentlich unsere Sinne? Sinneseindrücke erfassen wir mit unseren Augen, Ohren, der Nase, der Zunge und der Haut. Unsere fünf Sinne sind Schmecken, Sehen, Hören, Riechen und Tasten. In unserem Gehirn kommen die Eindrücke als Informationen an, werden verarbeitet, zugeordnet und kombiniert. Die Kunst des Orientierens stützt sich beim Menschen auf die Fähigkeit der Kombination. Jeder unserer Sinne würde uns auf sich alleine gestellt oft in die Irre leiten. Im Zusammenspiel jedoch, bei dem unser Gehirn unsere Sinne mit den bereits gesammelten Erfahrungen kombiniert, sind wir fähig, uns zu orientieren. Manchmal spielen uns unsere Sinne aber auch einen Streich. Bei optischen Täuschungen zum Beispiel zieht unser Gehirn falsche Schlussfolgerungen - und wir sehen etwas, das eigentlich nicht vorhanden ist. Wir nehmen Dinge wahr, die nicht zu unseren Erfahrungen passen.

Warum sind Tiere uns in ihren Sinnen überlegen?

Fledermäuse orientieren sich mithilfe von Schallwellen, die ihnen Rückschlüsse auf ihre Umgebung und mögliche Hindernisse liefern. (Quelle: Wikipedia)

Was unsere Sinne betrifft, sind wir zahlreichen Tieren meilenweit unterlegen. Viele unserer Sinne sind deutlich schlechter ausgeprägt als die der Tiere. Im täglichen Überlebenskampf sind Tiere auf ihre scharfen Sinne und Instinkte angewiesen, die sich ihrem Lebensraum perfekt angepasst haben. Beim Menschen haben sich viele Sinne regelrecht zurückentwickelt, die unsere Vorfahren noch besaßen. Der zivilisierte Mensch im Zeitalter des technischen Fortschritts benötigt viele von ihnen überhaupt nicht mehr - auch er passt sich der Umgebung an.

Durch seine Forschungen und Entdeckungen hat der Mensch immer mehr Hilfsmittel entwickelt. Sie erleichtern uns das Alltagsleben und nehmen uns vieles ab, sodass wir nicht mehr eigenständig handeln müssen. Auf der anderen Seite hat der Mensch dadurch vieles verlernt und wäre in freier Natur einer Menge Gefahren hilflos ausgeliefert. Katzen hören beispielsweise um ein Vielfaches besser als wir Menschen. Die Nase des Hundes erschnüffelt und unterscheidet Dinge, deren Geruch wir nicht wahrnehmen können. Bienen sind in der Lage, Farben im ultravioletten Bereich zu sehen. Und auch beim Stichwort Orientierung haben Tiere dem Menschen einiges voraus: Zahlreiche Fischarten orientieren sich an den elektromagnetischen Feldern der Erde. Fledermäuse und Delfine dagegen nutzen Schallwellen, die sie aussenden, um ihre Umgebung und mögliche Hindernisse auszumachen.

Das alles sind Eigenschaften, bei denen der Mensch nicht mithalten kann. Seine Stärke liegt aber darin, Rückschlüsse zu ziehen, die gesammelten Informationen zeitgleich auszuwerten und zu einer umzuformen. Das Gesehene, Gehörte, Ertastete zusammen mit bereits vorhandenen Erfahrungswerten ermöglicht uns die Orientierung in unserem Leben. Sollte eines Tages kein Satellit mehr um die Erde schweben, müssten wir unsere ureigenen Fähigkeiten, uns an den Sternen, der Sonne, den Bäumen und Bergen zu orientieren, wieder neu erproben, anstatt schlicht der Aufforderung "An der nächsten Kreuzung links abbiegen" nachzukommen.

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letzte Aktualisierung: 11.02.2010

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