Bürgerkrieg droht in Kirgistan

24.03.2005

In Kirgistan ist der einst mächtige Präsident Askar Akajew aus dem Land geflohen. Wochenlang hatten viele entrüstete Bürger gegen den massiven Wahlbetrug ihrer Regierung protestiert. Am 24. März 2005 stürmten dann etwa 1000 wütende Demonstranten den Regierungssitz in der Hauptstadt Bischkek. Noch ist unklar, wer das Land nun regieren soll. Im schlimmsten Fall droht ein Bürgerkrieg.

Askar Akajew ist nach 15 Jahren nun nicht mehr Präsident von Kirgistan. (Quelle: Kyrgyzinfo)

Bis 1991 gehörte das gebirgige Land zur Sowjetunion (UdSSR). Nachdem die UdSSR aufgelöst wurde, erhielt Kirgistan (oder "Kirgisien", wie das Land auch genannt wird) die Unabhängigkeit. Heute grenzt es an die großen Nachbarn Kasachstan im Norden und China im Osten.

Nach der Staatsgründung galt Kirgistan zunächst lange Zeit als "Musterland der Demokratie". Die ersten Wahlen liefen frei und demokratisch ab - sieben von zehn Kirgisen (70 Prozent) wählten damals Askar Akajew zu ihrem Präsidenten.

Doch der einst beliebte Präsident versuchte in der Folgezeit, immer mehr Macht anzuhäufen. Von einer Demokratie, also der "Herrschaft des Volkes", wollte er plötzlich nichts mehr wissen. Schon bei der zweiten Präsidentschafts-Wahl im Jahr 2000 warfen ihm Kritiker Wahlbetrug vor. Akajew blieb Staats-Chef, doch sein Volk liebte ihn nicht mehr.

Nach der Wahl begann er damit, Gegner und Kritiker seiner Regierung zu verhaften. Immer mehr einflussreiche Posten vergab er an Mitglieder seiner Familie, die dadurch immer reicher wurde. Gleichzeitig wurden die übrigen Menschen in Kirgistan immer ärmer.

Enttäuschung und Wut über Wahlbetrug

Kirgistan gehörte früher zur Sowjetunion und liegt an der Grenze zu China. Das Land ist etwas mehr als halb so groß wie Deutschland. (Quelle: CIA)

Ende Februar 2005 fanden erneut Präsidentenwahlen statt. Im ersten Wahlgang konnte kein Kandidat die erforderliche Mehrheit erlangen, um Präsident zu werden oder zu bleiben. Deshalb fand am 13. März eine Stichwahl statt. Bei dieser Wahl soll es nach den Aussagen unabhängiger Wahlbeobachter zu massiven Betrügereien gekommen sein. Angeblich seien einige Stimmzettel für Akajew doppelt gezählt worden, während einige Stimmen für den Gegenkandidaten verschwanden.

Als Akajew sich erneut zum Wahlsieger erklärte, waren viele Menschen in Kirgistan sehr enttäuscht und wütend. Und sie machten ihrem Ärger Luft. Auf den Straßen sah man überall pinke Luftballons, Plakate und Schals, denn pink ist die Farbe der Opposition (als Opposition bezeichnet man die Mitglieder der Nicht-Regierungsparteien). Das kirgisische Volk forderte immer lauter, dass Akajew zurücktritt und die Wahl wiederholt wird - diesmal unter fairen Bedingungen.

Polizei hielt sich zurück

In Kirgistan leben die meisten Menschen noch sehr einfach. Pferdekarren sind beliebte Transportmittel. (Quelle: Wikipedia)

In den Städten Dschalalabad und Osch im Süd-Westen des Landes nahm der Umsturz dann seinen Anfang. Denn dort gibt es besonders viele Akajew-Gegner. Schnell griffen die Proteste auch auf die Hauptstadt Bischkek im Norden des Landes über.

Glücklicherweise verzichtete der ungeliebte Präsident Akajew darauf, Gewalt gegen Demonstranten einzusetzen. Er wies alle Polizisten und das Militär an, auf keinen Fall gegen friedliche Demonstranten vorzugehen.

Als sich am Donnerstag tausende Demonstranten dem Regierungssitz in Bischkek näherten, zog sich die Polizei einfach zurück. Nur einige Akajew-Anhänger versuchten verzweifelt, die Demonstranten aufzuhalten. Es kam zu vielen Verletzten, auch einige Tote soll es gegeben haben. Die Gegner des Präsidenten waren eindeutig in der Überzahl und besetzten kurze Zeit später den Sitz der Regierung. Für kurze Zeit hielten sie sogar einige Minister gefangen, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht hatten. Auch Präsident Askar Akajew soll mitsamt seiner Familie ins benachbarte Ausland geflohen sein.

Vorbild Ukraine

Ermutigt wurden die Menschen in Kirgistan vom Erfolg der friedlichen Revolutionen in der Ukraine und in Georgien. Da hatten sie gesehen, dass es möglich ist, einen undemokratischen Präsidenten zu stürzen, auch wenn dieser scheinbar sehr mächtig ist.

Die Lage in Kirgistan ist nun sehr unübersichtlich. Nachdem der bisherige Präsident geflohen war, haben einige Menschen in Bischkek die Schaufenster von Geschäften eingeschlagen und so viele Waren gestohlen, wie sie tragen konnten. Diese "Plünderungen" dauerten auch zwei Tage später noch an, weil die Polizei nicht energisch genug eingreift.

Die meisten Regierungsmitglieder und der Geheimdienst-Chef sind auf Druck der Demonstranten zurückgetreten. Doch im Gegensatz zur Ukraine und zu Georgien haben die verschiedenen Oppositions-Parteien in Kirgistan untereinander Streit. Viele Politiker sehen sich nun berufen, die Nachfolge Akajews anzutreten.

So ist jetzt völlig unklar, wer in dem Land die Macht hat. Bis zur nächsten Wahl, die am 26. Juni stattfinden soll, hat der Oppostionspolitiker Kurmanbek Bakijew übergangsweise das Amt des Staats- und Regierungs-Chefs übernommen. Aber viele Menschen sind damit nicht einverstanden. Im schlimmsten Falle könnte es zu einem Bürgerkrieg kommen, wenn die Kirgisen sich nicht mit friedlichen, demokratischen Mitteln auf einen neuen Präsidenten einigen können.

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letzte Aktualisierung: 15.08.2009

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