Bayern: Handys müssen in der Schule ausbleiben

von Anna Schäfer - 30.03.2006

Die bayerische Landesregierung hat beschlossen, dass Schüler ihre Mobiltelefone auch in den Pausen nicht mehr einschalten dürfen. Der Grund: Bei einer Razzia am 9. März an einer Schule im Allgäu haben Polizisten brutale Gewalt- und Sexvideos auf den Handys mehrer Schüler entdeckt. Eltern, Lehrer und Politiker reagierten geschockt.


Die Eltern eines Schülers der Hauptschule Immenstadt hatten von brutalen Videos erfahren, die Jugendliche untereinander über ihre Handys getauscht hatten. Sie haben dies dem Schulleiter Wolfgang Knoll gemeldet. Der informierte die Polizei, und diese reagierte mit einer Handy-Razzia. Das bedeutet, dass plötzlich, ohne Vorwarnung, Polizeibeamte alle Schüler-Handys überprüft haben.

Die Polizei hat mehr als 200 Handys vorübergehend beschlagnahmt. Auf 16 Telefonen wurden Gewalt- und Sex-Videos gefunden. Ein paar Tage später entdeckten Ermittler auch in Kaufbeuren und Augsburg Gewalt- und Pornovideos auf Schüler-Handys .

Schockierende Gewalt- und Sex-Bilder

Schülersprecherin Stefanie (17) hält nicht viel von einem Handy-Verbot (Quelle: Stefanie Rothärmel)

Selbst hart gesottene Polizeibeamte sollen entsetzt und schockiert über die Bilder gewesen sein, die sie auf den Handys der 14- bis 17-jährigen Jugendlichen zu sehen bekamen: grausame Gewaltszenen, in denen Menschen verletzt, verprügelt oder sogar umgebracht wurden, brutale Pornodarstellungen, Vergewaltigungen und sexuelle Aktivitäten mit Tieren. Die Videosequenzen wurden in den Pausen herumgezeigt und über Bluetooth von Handy zu Handy geschickt. Bluetooth ist eine Funk-Schnittstelle, über die man kostenlos und in Sekundenschnelle Videos tauschen kann.

Nicht alle Schüler an der Hauptschule Immenstadt haben die Gewaltvideos verbreitet. Stefanie Rothärmel besucht die zehnte Klasse und ist Schülersprecherin. Dem Hellen Köpfchen erzählte sie, dass es nur einzelne Gruppen gewesen seien, in denen diese Videos kursierten. "Die meisten meiner Mitschüler haben davon gar nichts mitbekommen", sagte sie. Allerdings habe es auch einige Schüler gegeben, die von ihren Klassenkameraden unter Druck gesetzt worden seien, sich die grausamen Szenen anzuschauen.

Handy-Nutzung nur noch im Notfall erlaubt

An der Hauptschule in Immenstadt hat die Polizei die Handys der Schüler kontrolliert und dabei Sex-Videos gefunden. (Quelle: Hauptschule Immenstadt)

Am Dienstag hat die Landesregierung in München beschlossen, dass an bayerischen Schulen Handys künftig auch in den Pausen nicht mehr benutzt werden dürfen. Nur wenn ein Schüler krank wird oder aus anderen dringenden Gründen telefonieren muss, kann er den Lehrer um eine Ausnahme bitten. Damit soll verhindert werden, dass sich die brutalen Videos weiter unter Kindern und Jugendlichen verbreiten.

Dem Generalsekretär der Regierungspartei Christlich Soziale Union (CSU), Markus Söder, geht diese Maßnahme nicht weit genug. Er will, dass Handys gar nicht erst in die Schule mitgebracht werden dürfen. Außerdem hat er vorgeschlagen, dass Video-Handys künftig erst an Jugendliche ab 16 Jahren verkauft werden dürfen.

Die Wurzel des Übels - das Internet?

Schulleiter Wolfgang Knoll sieht es nicht als seine Aufgabe an, seine Schüler zu kontrollieren. (Quelle: Hauptschule Immenstadt)

Wolfgang Knoll ist der Leiter der betroffenen Schule in Immenstadt. Obwohl die Videos viel Ärger ausgelöst haben, hält er nicht viel von einem grundsätzlichen Handy-Verbot. "Wir können und wollen nicht kontrollieren, ob jemand ein Handy dabei hat. Wir sind schließlich Lehrer und keine Polizisten", sagte er dem Hellen Köpfchen. Die Handys sollten in der Schule zwar ausgeschaltet bleiben, aber man könne den Schülern nicht verbieten, ihr Handy mitzubringen. Das eigentliche Problem sieht Wolfgang Knoll darin, dass die Gewalt- und Sex-Filme im Internet frei zugänglich sind.

Hier sieht er die Politiker in der Verantwortung: "Man müsste an die Politik appellieren und fragen, warum man einfach alles ungeschützt im Internet herunterladen kann", kritisiert er den Gesetzgeber. Denn die meiste Zeit verbrächten Kinder und Jugendliche schließlich zu Hause und nicht in der Schule.

Auch Schülersprecherin Stefanie ist der Ansicht, dass die größte Gefahr vom Internet ausgeht. "Da fängt’s doch an", sagte sie, "es gibt Webseiten, da bekommt man das alles her. Die Bilder sind ja nicht von Anfang an auf dem Handy." Solche Seiten sollten sofort aus dem Internet fliegen, fordert sie. Stefanie glaubt nicht, dass das beschlossene Handy-Nutzungsverbot an Schulen etwas bringt: "Die Schüler treffen sich doch nach der Schule am Bus oder am Bahnhof, hängen stundenlang zusammen rum. Da können sie diese Videos tauschen, so viel sie wollen." Außerdem sei es die Aufgabe der Eltern und nicht die der Schule, darauf zu achten, was die Kinder mit ihren Handys machten.

Ist es richtig, dass Schüler selbst in den Pausen nicht mehr mit ihren Handys telefonieren dürfen? Kannst du Politiker verstehen, die fordern, dass Handys gar nicht mehr zur Schule mitgebracht werden dürfen? Oder müssen nun alle dafür büßen, was einige Wenige angestellt haben? Im Diskussionsforum kannst du deine Meinung sagen.

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letzte Aktualisierung: 15.09.2016

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