Rettung des Flussdelfins: "Wir schaffen das"

Teil 2 von 2

05.06.2006

Der chinesische Flussdelfin "Baiji" steht auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere ganz oben. Der Schweizer Wirtschaftswissenschaftler August Pfluger kämpft um die letzten 20 bis 100 Bajis, die es noch gibt. Im Jahr 2004 hat er dafür die "baiji.org-Stiftung" gegründet. Das Helle Köpfchen hat den Naturschützer gefragt, wie er den Flussdelfin retten will.


Wenn der chinesische Flussdelfin Luft holen will, muss er an die Wasseroberfläche kommen. (Quelle: baiji.org foundation)

Helles Köpfchen: Wie sind Sie auf die bedrohliche Situation der chinesischen Flussdelfine aufmerksam geworden?
August Pfluger: Ich habe vor gut zehn Jahren für eine Umweltschutz-Organisation in China gearbeitet und dabei Forscher kennen gelernt, die sich mit dem chinesischen Flussdelfin Baiji befassen. Ich habe mich mit den chinesischen Wissenschaftlern angefreundet – und mit dieser Freundschaft wuchs auch mein Interesse an diesem Delfin.

HK: Warum interessieren Sie sich als Wirtschaftswissenschaftler für Tiere, die vom Aussterben bedroht sind?
Pfluger: Schon meine Mutter hatte eine Liebe zu Tieren. Sie hat es glücklicherweise geschafft, dieses Interesse an mich weiterzugeben. Aber es sind nicht nur seltene Tiere, für die ich mich begeistere. Hier in der Schweiz beobachte ich zum Beispiel oft Vögel - auch Haussperlinge oder Amseln sind doch wunderbare Geschöpfe.

August Pfluger will es schaffen, dass der stark verschmutzte Jangtse-Fluss wieder sauber wird. (Quelle: baiji.org foundation)

HK: Die meisten Delfin-Arten leben im Meer - also im Salzwasser. Der Flussdelfin lebt dagegen im Süßwasser. Ist das der Grund, weshalb Baijis für Sie ganz besondere Tiere sind?
Pfluger: Ja. Und auch, weil Flussdelfine sehr intelligente und lebensfrohe Tiere sind. Leider sind sie Schiffen und Wasserverschmutzung fast schutzlos ausgeliefert. Sie leben zumeist in Flüssen, an deren Ufern sehr viel Menschen leben. Im Einzugsgebiet des Jangtse in China beispielsweise leben fast 400 Millionen Menschen. Das zwingt uns, uns aktiv mit diesen Tieren auseinanderzusetzen. Wir wollen ihnen Freiräume geben und für saubere Flüsse sorgen, damit die Baijis dort überleben können.

HK: Über sauberere Flüsse würden sich nicht nur die Tiere, sondern auch die Menschen freuen.
Pfluger: Das ist richtig. Flussdelfine zeigen deutlich, wie wir mit unseren Flüssen umgehen. Verschmutzen wir die Gewässer, werden die Tiere krank oder sterben sogar. Aber auch die Menschen leiden, wenn die Trinkwasser-Qualität schlechter wird. Wenn wir also Flussdelfine schützen, tun wir auch Gutes für uns Menschen.

Derzeit verschmutzen stinkende Motorschiffe das Wasser. Viele Dörfer leiten die Abwässer zudem ungefiltert in den Fluss. (Quelle: baiji.org foundation)

HK: Glauben Sie, dass Ihre Organisation Baiji.org den Flussdelfin retten kann?
Pfluger: Die eigentliche Rettung des Delfins ist Sache unserer chinesischen Freunde. Unsere Aufgabe ist es vor allem, sie dabei zu unterstützen. Dafür stellen wir Kontakte zu den besten Wissenschaftlern des Fachs her. Wir wollen ein Netzwerk von Freunden und Forschern aus aller Welt knüpfen, um gemeinsame Projekte zu verwirklichen, die dem Baiji das Überleben ermöglichen.

HK: Welche Projekte sind das?
Pfluger: Vor ein paar Jahren hat fast niemand außerhalb Chinas den Baiji gekannt. Also haben wir eine große Konferenz organisiert und Forscher aus vielen Ländern nach China eingeladen, um ihnen die Problematik vorzustellen. Wir haben mit ihnen diskutiert, wie man den Baiji am besten schützen kann. Dann haben wir in einem Nationalpark am Jangtse ein Ausbildungsprogramm für Fischer gestartet, damit sie nicht zu viele Fische fangen und so dem Baiji die Nahrung wegnehmen. Ein anderes Projekt in einem Bauerndorf am Jangtse soll den Bewohnern zeigen, dass sie ihre Abwässer nicht ungeklärt in den Fluss kippen müssen. So wird das Wasser sauberer.

Der Glattschweinswal lebt ebenfalls im Jangtse. (Quelle: baiji.org foundation)

HK: Die chinesische Regierung hat Ihnen ein Reservat zu Verfügung gestellt, in dem die Flussdelfine sicher sein sollen. Was ist das für ein Gebiet?
Pfluger: Es ist ein 25 Kilometer langer Altlauf des Jangtse. Dort gibt es keinen Schiffsverkehr. Deshalb ist das Gebiet ideal für diesen Zweck. An diesem Projekt sind neben China noch acht weitere Länder - darunter die Schweiz und Deutschland - beteiligt.

HK: Was planen Sie als nächstes, um den Baiji zu retten?
Pfluger: Noch in diesem Jahr steht eine Expedition an. Im Jangtse lebt neben dem Baiji auch eine andere Wal-Art – der Glattschweinswal. Die beiden Tierarten leben verstreut auf einem 2.000 Kilometer langen Flussabschnitt. Wir wissen nicht genau, wie viele es sind und wo sie genau leben. Deshalb wollen wir im November die 2.000 Kilometer bis zum Meer mit zwei Schiffen flussabwärts fahren. Unterwegs werden wir alle Baijis und Glattschweinwale zählen.

HK: Wie wollen Sie es schaffen, dass Ihnen möglichst wenig Wale durch die Lappen gehen?
Pfluger: Das erste Schiff fährt 24 Stunden vor dem anderen los. Je vier Beobachter sind mit großen Ferngläsern ausgerüstete. Sie spähen übers Wasser und informieren den Teamchef, sobald sie etwas entdeckt haben. Ich schätze, dass uns auf diese Weise etwa 30 bis 50 Baiji und rund 1.000 Glattschweinwale begegnen werden.

Im Gegensatz zum Flussdelfin hat der Glattschweinswal eine flache Schnauze. (Quelle: baiji.org foundation)

HK: Wie regiert die Bevölkerung auf Ihr Vorhaben?
Pfluger: Der Baiji ist in China sehr beliebt. Weil wir alle das gleiche Ziel haben - nämlich den Flussdelfin zu retten - sind wir eine große Familie. Es ist wirklich wunderschön. Auch die Behörden unterstützen uns, indem sie uns ein Schiff für die Expedition zur Verfügung stellen. Das ist super! Alle Leute, mit denen wir Kontakt haben, finden es toll, was wir da machen.

HK: Der Baiji ist sehr stark vom Aussterben bedroht und es gibt kaum noch Exemplare. Haben die Flussdelfine überhaupt noch eine echte Chance zu überleben?
Pfluger: Ja klar! Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir es schaffen werden.

HK: Wird der seltene Baiji-Flussdelfin irgendwann wieder ein 'ganz normales Leben' im Jangtse, außerhalb des Reservates, führen können?
Pfluger: Ja natürlich, ich hoffe das! Auch der Rhein war einmal sehr verschmutzt und vergiftet. Menschen war es damals verboten, dort zu schwimmen. Die Generationen unserer Eltern und Großeltern haben es geschafft, den Fluss wieder sauber zu kriegen. Die Chinesen werden das mit ihrem Fluss auch schaffen.

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letzte Aktualisierung: 20.01.2010

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