Flussdelfin - Das seltenste Säugetier der Welt

Teil 1 von 2

05.06.2006

Delfine leben nicht nur im Meer, sondern auch in Flüssen. Das könnte sich allerdings bald ändern - leider. Denn der chinesische Flussdelfin, der "Baiji", gilt als das seltenste Säugetier der Erde. Es gibt möglicherweise nur noch 20 Tiere. Die Gefahr ist sehr groß, dass der Baiji bald ausgestorben ist.


Auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten steht der chinesische Flussdelfin ganz oben. (Quelle: baiji.org foundation)

Delfine gehören zur Familie der Wale. Obwohl sie im Wasser leben, sind sie bekanntlich keine Fische, sondern Säugetiere. Das gilt für die Salzwasser-Delfine genauso wie für den Baiji. Wie wir Menschen atmen Delfine durch die Lungen und nicht - wie Fische - über Kiemen. Deshalb müssen sie in regelmäßigen Abständen an die Wasseroberfläche kommen, um Luft zu holen. Dafür haben sie oben auf dem Kopf das so genannte Blasloch, durch das sie ein- und ausatmen. Ein weiterer wichtiger Unterschied zu den Fischen besteht darin, dass Delfine keine Eier legen, sondern ihre Jungen lebend zu Welt bringen.

Delfine sind ausgesprochen intelligente Tiere. Sie sind sehr verspielt und haben ein ausgeprägtes Sozialverhalten. Das bedeutet, dass sie sich gegenseitig helfen, statt sich zu bekämpfen. Es gibt unterschiedliche Delfin-Arten. Aus dem Fernsehen kennt jeder "Flipper" - das ist ein Tümmler.

Fast blind, aber nicht orientierungslos

Im trüben Wasser des Jangtse braucht der Baiji keine scharfen Augen. Er orientiert sich mit Echo-Wellen. (Quelle: baiji.org foundation)

Chinesische Flussdelfine, die in der Landessprache Baijis heißen, unterscheiden sich stark von ihren viel bekannteren Verwandten aus dem Meer. Beide Arten werden sich in der Natur niemals begegnen, weil beide ganz unterschiedliche Lebensräume haben.

Da das Flusswasser in China sehr trüb ist und die Flussdelfine fast blind sind, ertasten sie sich ihren Weg. Dafür senden sie ein Echo-Signal aus, wie man das auch von U-Booten kennt. Zwar benutzen ihre Verwandten im Meer ebenfalls Echos, um ihre Umgebung zu erkunden und Futter zu finden, allerdings ist diese Fähigkeit bei ihnen erheblich schwächer ausgeprägt als bei Flussdelfinen.


Der Mensch macht dem Flussdelfin das Leben schwer

Man sieht kaum noch tote Flussdelfine. Das liegt daran, dass es fast keine mehr gibt. (Quelle: baiji.org foundation)

Der Baiji ist die seltenste der vier bekannten Flussdelfin-Arten. Er lebt im Jangtse, der durch China fließt und mit seinen knapp 6.400 Kilometern nach dem Nil und dem Amazonas der drittlängste Fluss der Erde ist. Die abwechslungsreichen Landschaften an seinen Ufern bieten eigentlich einen idealen Lebensraum für Tiere - wenn da nicht der Mensch wäre. Am Jangtse siedeln etwa 350 Millionen Menschen. Das sind weit über drei Mal so viele Einwohner als in Deutschland, Österreich und in der Schweiz gemeinsam leben. Knapp die Hälfte der chinesischen Industrie nutzt den Fluss und pumpt Unmengen an Schadstoffen in den Jangtse. Der Fluss wird immer dreckiger und für die Tiere wird es immer schwerer zu überleben.

Deshalb ist der chinesische Flussdelfin Baiji akut vom Aussterben bedroht. Auf der Liste bedrohter Säugetiere steht er ganz oben. Das ist ein Titel, auf den er bestimmt gerne verzichten würde. Sein Organismus ist auf den Jangtse angewiesen, in anderen Flüssen oder gar im Meer könnte er nicht überleben. Da die Menschen mit unglaublichen Mengen Abwasser den Fluss vergiften und ihn mit tausenden Motorbooten befahren, ist die Zahl der noch lebenden Baijis drastisch gesunken. Noch vor 30 Jahren, so schätzt man, sollen ungefähr 5.000 Flussdelfine im Jangtse geschwommen sein. Heute vermutet man, dass es nur noch 20 bis 100 Tiere gibt.

Zusammenstöße mit Schiffen

Viele Fabriken und Städte leiten ihre Abwässer ungefiltert in den Jangtse. Die Tiere werden krank und sterben. (Quelle: baiji.org foundation)

Einer der Gründe dafür ist die Fischerei. Im Jangtse lebt der Stör. Seine Eier sind als Kaviar bekannt und bringen viel Geld ein. Inzwischen zählt auch der Stör zu den geschützten Arten und darf eigentlich nicht mehr gefangen werden. Trotzdem werfen "Raubfischer" ohne Genehmigung ihre Netze aus, um dadurch an den wertvollen Kaviar zu gelangen. Allerdings verfangen sich nicht nur Störe in den Fischernetzen, sondern auch Flussdelfine, die dann qualvoll verenden.

Dann gibt es noch den Schiffverkehr, der in den vergangenen Jahren enorm zugenommen hat. Wenn Flussdelfine zum Atmen an die Wasseroberfläche kommen, ist es schon oft zu Unfällen mit den Schiffen gekommen. Die Delfine können sich dabei so schwer verletzen, dass sie sterben.

Doch damit nicht genug: Vor wenigen Wochen ist der gigantische Drei-Schluchten-Staudamm in China fertig geworden. Die riesigen Talsperren dienen dazu, Chinas Wirtschaft weiter voranzubringen. Die Schifffahrt auf dem Jangtse soll erleichtert und elektrischer Strom gewonnen werden. Es ist jedoch zu befürchten, dass die riesigen Talsperren das ohnehin angeschlagene Ökosystem des Flusses und der umliegenden Landschaften völlig aus dem Gleichgewicht bringen werden. Zumal sich nun noch mehr Industrie und noch mehr Menschen am Jangtse ansiedeln werden.

Mit ruhigem Gewissen den Lebensraum zerstört

Es gibt nur noch wenige Flussdelfine. Der Baiji ist besonders stark gefährdet. (Quelle: baiji.org foundation)

Für etliche Tier- und Pflanzenarten ist dies eine Katastrophe. Knapp 3.000 verschiedene Pflanzenarten und ungefähr 3.000 Fischarten werden betroffen sein. Dem Flussdelfin sowie 22 weiteren vom Aussterben bedrohten Tierarten droht das endgültige Aus.

Die Schweizer Stiftung "baiji.org" versucht, die letzten noch lebenden Flussdelfine und viele andere vom Aussterben bedrohten Tierarten im Jangtse zu retten. Im Beitrag "Rettung des Flussdelfins - wir schaffen das" kannst du ein spannendes Interview mit dem Gründer der Organisation, August Pfluger, lesen.

Die chinesische Regierung hat einen ungenutzten Alt-Arm des Flusses unter Naturschutz gestellt. Dorthin sollen die letzten Exemplare ihre Art umgesiedelt werden. Man kann nur hoffen, dass sich die geschrumpften Flussdelfin-Bestände dort wieder erholen werden. Der Nachteil ist: Die chinesische Regierung hat vordergründig guten Willen gezeigt, indem sie den bedrohten Arten ein kleines Ausweichquartier zugewiesen hat. Doch nun kann sie mit ruhigem Gewissen den Rest des einzigartigen Ökosystems Jangtse ihren wirtschaftlichen Interessen opfern.

Wenn du auf "Weiter" klickst, kannst du das Interview mit August Pfluger lesen. Er kämpft dafür, dass der chinesische Flussdelfin doch noch gerettet wird.

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letzte Aktualisierung: 13.09.2011

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