Lexikon: Anarchie / Anarchismus

von Tanja Lindauer

Der englische Schriftsteller und Philosoph William Godwin (1756-1836) gilt als Begründer des Sozialismus und des politischen Anarchismus. (Quelle: James Northcote)

Das Wort "Anarchie" kommt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt so viel wie Gesetzlosigkeit oder Herrschaftslosigkeit. In einer Anarchie hat niemand das Sagen, alle dürfen das tun, was sie für richtig halten. Die Anhänger der Anarchie, die Anarchisten, wollen totale Freiheit für den Menschen - das bedeutet, prinzipiell darf jeder machen, was er will. Zudem fordern sie die Gleichberechtigung aller Menschen, es soll auch keine staatliche Gewalt geben und keine Herrschaftsform. In einer Anarchie gibt es weder verbindliche Gesetze, die von anderen Menschen oder einer Regierung bestimmt werden, noch einen Regierungschef, der den anderen sagen kann, was sie zu tun haben.

Es hört sich zunächst recht verlockend an, wenn es keine Unterdrückung und keine ungleiche Machtverteilung gibt - und niemand da ist, der einem Vorschriften machen kann. Es besteht aber die Gefahr, dass sich in einer anarchistischen Gesellschaft der "Stärkere" durchsetzt und alles im Chaos versinkt. Das Problem ist nämlich: Es lässt sich kaum umsetzen, dass alle Menschen ihren Willen durchsetzen - gilt dann das Recht das Stärkeren, wären viele Menschen in ihren Persönlichkeitsrechten sogar extrem eingeschränkt und es würde keinen Schutz für Hilfsbedürftige und die "schwächeren Glieder" der Gesellschaft geben. In der Konsequenz heißt eine totale Freiheit letztlich, dass keiner ein Recht auf etwas hat und man sich deshalb auch nicht an eine Stelle wenden kann, die einem hilft, wenn einem Unrecht getan wird.

Allerdings gibt es sehr unterschiedliche Formen der Anarchie und verschiedene Denker und Theoretiker haben den Begriff auf je eigene Weise ausgelegt. Gemeinsam ist allen, dass es um das Fehlen von staatlicher Gewalt und von Herrschaft Einzelner oder Gruppen geht. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass es keine Regeln, ethischen Überzeugungen oder moralischen Grenzen gibt. So bezeichnete der Philosoph Immanuel Kant Anarchie zum Beispiel als "Gesetz und Freiheit ohne Gewalt". Er meint mit "Gesetz" aber keine staatlichen Regeln, die in einem Gesetzesbuch niedergeschrieben sind, sondern Regeln der Gemeinschaft, an die der Einzelne sich aus Überzeugung hält. Für Vertreter des Anarchismus verkörpert eine Gesellschaft, in der die Regeln des Zusammenlebens ohne Zwang befolgt werden, die höchste Form von Moral und gesellschaftlicher Entwicklung, denn die Menschen handeln freiwillig und ohne Druck des Staates sowie Angst vor gerichtlichen Strafen oder polizeilicher Gewalt.

Es gibt kein Land, in dem Anarchie herrscht. In einigen Ländern ist aber die Regierung sehr schwach und das Volk bekämpft sich, weil die Menschen beispielweise verschiedenen Ethnien (also Volksgruppen) angehören. So ein Land ist zum Beispiel der Sudan - hier ist die staatliche Ordnung zusammengebrochen, da Bürgerkrieg im Land herrscht und Erpressung sowie Bestechlichkeit weit verbreitet sind. Zudem gibt es auf der ganzen Welt anarchistische Gruppen, wie etwa die Internationale der Anarchistischen Föderation (IFA) und die internationale Gefangenenhilfsorganisation Anarchist Black Cross (ABC).

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Co-Autorin: Britta Pawlak
letzte Aktualisierung: 30.07.2014

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