Uganda: Und nachts kommt die Angst

Teil 3 von 5

04.09.2005

Der elfjährige Joe lebt mit seiner Familie in einem kleinen Dorf im Norden von Uganda, mitten in der Savanne. Doch jeden Abend muss er mit seinen Geschwistern und vielen anderen Kindern in die Stadt fliehen. Denn Rebellen suchen nachts in den Dörfern nach Kindern, die sie entführen und zu Soldaten machen können.

In Uganda helfen auch die Kinder schon mit bei der Feldarbeit. (Quelle: Kindernothilfe)

Um das Dorf herum, in dem Joe lebt, gibt es große Grasflächen, einige Bäume und Felder. Es kann vorkommen, dass Joe eine Antilopenherde vorbeiziehen sieht. Wenn er etwas vom Dorf entfernt unterwegs ist, kann er ab und zu Giraffen, Büffel oder Elefanten beobachten. Einem Löwen ist er zum Glück noch nicht begegnet.

Joe ist elf Jahre alt und lebt mit seinen Eltern und seinen zwei Geschwistern in einem kleinen Steinhaus, das der Familie gehört. Seine Urgroßeltern und Großeltern haben auch schon darin gewohnt. Das Haus hat ein Strohdach und besteht aus einem Raum. Darin wird gekocht, gegessen und geschlafen. Über Tag arbeitet Joe mit seiner Schwester und seinem Bruder auf dem Feld. Sie kümmern sich um die Mehlbananen, den Mais, die Hirse und die Bohnenpflanzen. Oft müssen sie hacken. Damit die Pflanzen wachsen können, brauchen sie Wasser. Und das macht die meiste Arbeit, das Feld zu begießen, wenn es außerhalb der Regenzeit wenig Wasser gibt. Das Schwein und die Hühner müssen die Kinder auch noch versorgen. Manchmal ist Joe ziemlich müde. Aber für ihn ist klar, dass er helfen muss.

Alleine könnten die Eltern die Arbeit nicht schaffen. Da alle gemeinsam arbeiten, kann die Familie ganz gut von dem leben, was auf dem Feld wächst. Manchmal hat Joe auch Zeit, um sich auszuruhen oder mit anderen Kindern auf dem Dorfplatz zu spielen. Oft erfinden die Jungen auch Spiele selbst wie „Wettlauf mit rollenden Autoreifen". Sie mögen Spiele, bei denen man viel und schnell laufen muss.

Tägliche Angst vor Rebellen

Jeden Abend machen sich viele Menschen in Uganda auf den Weg in die großen Städte. Sie wollen nicht von Rebellen entführt und in deren Krieg hineingezogen werden. (Quelle: Kindernothilfe)

Abends um fünf Uhr beginnt die Familie mit den Vorbereitungen für die Nacht. Nach dem Essen packen die Kinder ihre Decken zusammen. Jeden Abend, bevor die Sonne untergeht, machen die drei Geschwister sich zu Fuß auf den Weg nach Gulu. Das ist eine größere Stadt. Sie haben ungefähr acht Kilometer zu laufen. Andere Kinder haben einen längeren Fußweg.

Ungefähr 10.000 Kinder aus der Gegend sind jeden Abend unterwegs. Sie laufen in die Stadt, weil sie Angst haben. In Norduganda gibt es nämlich seit über 18 Jahren einen Bürgerkrieg. Eine Rebellenarmee, die sich nennt sich "Gottes Widerstands-Armee" nennt (Englisch "Lord's Resistance Army", abgekürzt LRA) kämpft gegen die Regierung und möchte im Norden einen Staat nach Gottes Zehn Geboten aufbauen.

Joes Eltern erzählen, am Anfang hätten viele den Rebellen geglaubt und auf ein besseres Leben gehofft. Von der Regierung waren sie enttäuscht, weil die sich nur um den Süden Ugandas gekümmert hat. Dabei sind im Norden die Menschen viel ärmer. Außerdem fühlten sich viele benachteiligt, weil sie als Acholi ihre eigene Kultur und Sprache haben.

Aber mittlerweile sind die Rebellen eine Truppe, die alle terrorisiert. Sie überfallen nachts die Dörfer und entführen Kinder. Die müssen dann in der Rebellenarmee kämpfen. Sie werden gezwungen, andere Menschen brutal umzubringen, ihre Häuser zu überfallen, ihnen alles zu rauben, was sie besitzen. 12.000 Kinder sollen schon entführt worden sein. Es ist ganz schwer, aus dieser Armee zu fliehen. Wenn man es versucht und erwischt wird, wird man getötet. Man sagt, dass bei den Rebellen fast nur noch Soldaten kämpfen, die als Kinder entführt worden sind.

Sicherheit gibt es nur in der Stadt

In Gulu übernachten die Kinder der Umgebung - oft auch auf der Straße. (Quelle: Kindermuseum Frankfurt)

Joe und seine Geschwister möchten auf keinen Fall, dass ihnen das passiert, darum laufen sie jeden Abend in die Stadt. Dort sind sie sicher. Wenn sie in Gulu ankommen, suchen sie sich einen Schlafplatz. Es gibt ein Riesengedränge, weil Tausende andere Kinder das gleiche tun. Manchmal haben Joe und seine Geschwister Glück und finden einen Platz in einer Kirche, im Krankenhaus, einer Busstation, im Hauseingang von einem Geschäftshaus oder auf einer Veranda. Es kann vor kommen, dass sie von einem Hausbesitzer verjagt werden. Dann müssen sie unter einem parkenden Lastwagen oder in einem Straßengraben schlafen. Manchmal streiten sie mit anderen Kindern oder prügeln sich. Es gibt von allem zu wenig: zu wenig Platz, zu wenig Wasser und zu wenige Toiletten. Joe fürchtet sich davor, dass er sich eine schlimme Krankheit holen könnte. Malaria oder einen schweren Durchfall. Daran könnte er sterben.

Es gibt Hilfsorganisationen, die richten Übernachtungszelte ein. Wenn Joe dort unterkommt, ist alles etwas einfacher. Manchmal haben die Kinder dort sogar Schulunterricht, spielen zusammen Fußball, sehen einen Videofilm oder singen. Das hilft gegen die Angst und dagegen, dass sich viele allein fühlen. Sie sind ja ohne ihre Eltern. Die müssen versuchen, ihr Haus vor Überfällen der Rebellen zu schützen. Wenn ihr Haus zerstört würde, müsste die ganze Familie von Joe in ein Flüchtlingslager. Dort ginge es ihnen richtig schlecht. In solchen Lagern leben die Menschen dicht zusammengedrängt, weil so viele auf der Flucht sind. Es gibt viel zu wenig zu essen und kein sauberes Trinkwasser.

Morgens geht es wieder nach Hause

Joes Mutter bereitet das Frühstück am Holzkohleofen. (Quelle: Kindermuseum Frankfurt)

Am Morgen, wenn die Sonne aufgeht, stehen Joe und seine Geschwister auf, nehmen ihre Sachen und laufen nach Hause. Die Eltern haben ein Frühstück für sie vorbereitet. Sie essen einen Brei aus Hirse oder Hafer, er ist mit Wasser, manchmal mit Milch, gekocht.

Bis vor einem halben Jahr ist Joe zur Schule gegangen, aber im Moment ist es zu anstrengend für ihn, nachmittags noch in die Schule zu gehen, wenn er nachts in die Stadt muss und morgens auf dem Feld arbeitet. Er wünscht sich, dass dieser Krieg bald vorbei ist. Vor zwei Jahren hat er mit vielen anderen Kindern und ihren Eltern demonstriert. Sie hatten Transparente, auf denen stand: "Wir wollen keine Killer werden" und "Wir wollen nicht sterben". Wenn endlich Frieden wäre, könnte er wieder zur Schule gehen und mit der ganzen Familie im gemeinsamen Bett schlafen.

Mehr zur Ausstellung "WeltSpielZeug"


(Quelle: Kindermuseum Frankfurt)

27. August 2005 bis 19. Februar 2006

im Kindermuseum des Historischen Museums

Saalgasse 19, 60311 Frankfurt am Main

Tel.: 069-21 23 51 54

E-Mail: info.kindermuseum@stadt-frankfurt.de

Webseite: www.kindermuseum.frankfurt.de

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letzte Aktualisierung: 31.10.2009

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