Hormone - Wie wirken sie? Woher kommen unsere Gefühle?

Reise in den menschlichen Körper - Teil 1

Teil 1 von 7

von Ulf Pawlak

Sie lassen uns wachsen, machen uns glücklich oder traurig, beeinflussen unseren Kontakt zu anderen Menschen und der Umwelt, aber sie können uns auch krank machen: die Hormone. Doch wie schaffen diese winzigen Teilchen das alles und was bewirken sie genau? Um das zu verstehen, müssen wir uns auf eine Reise ins Innerste unseres Körpers begeben. Dort entdecken wir eine faszinierende eigene Welt.

Hormone steuern Empfindungen und Funktionen unseres Körpers - auch das Gefühl des Verliebtseins wird von Hormonen beeinflusst. (Quelle: Pixelio)

Jeder hat wohl schon einmal den Begriff "Hormon" gehört, zum Beispiel im Zusammenhang mit unseren Gefühlen. Redewendungen wie: "bei dir spielen die Hormone verrückt" hört man, wenn jemand frisch verliebt ist, Glücksgefühle empfindet und verrückte Dinge tut, um seiner oder seinem Angebeteten zu gefallen. Diese winzigen Moleküle (aus Eiweiß bestehende Teilchen) haben also unter anderem auf das Gefühlsleben Einfluss. Doch Hormone regulieren weit mehr als Gefühle und Sexualverhalten des Menschen.

Vom Wachstum über Verdauung bis hin zum Denken und Fühlen werden Körperfunktionen von Hormonen und so genannten Neurotransmittern (Überträgerstoffen von Nervenimpulsen) gesteuert oder beeinflusst, ohne dass man bewusst etwas davon mitbekommt. Hormone steuern nicht nur unser Verhalten, sie haben auch Einfluss auf unser Aussehen. So wird bekanntermaßen im Profi-Bodybuilding mit muskelaufbauenden (anabolen) Hormonen gedopt. Diese Hormone tragen zum Aufbau von Muskelzellen bei.

Eine große Muskelmasse kann nur mit Hilfe der männlichen Sexualhormone wie Testosteron aufgebaut werden. Das ist auch der Grund, warum Frauen weniger Muskeln als Männer haben - sie produzieren von Natur aus weniger dieser Sexualhormone im Körper. Frauen dagegen bilden größere Mengen an Östrogen, einem weiblichen Sexualhormon. Würde ein Mann diese Hormone regelmäßig einnehmen, würde sein Körperbau dem weiblichen ähnlicher werden - würde eine Frau dagegen Testosteron einnehmen, würde sie männliche Merkmale ausbilden. Sexualhormone bewirken, dass sich der Körper während der Pubertät verändert und die typisch weiblichen oder männlichen Merkmale ausgebildet werden. Die Körperbehaarung wird stärker, Jungen bekommen ein Bart und ihre Stimme wird tiefer, bei Mädchen wächst die weibliche Brust und das Becken wird breiter. Auch der weibliche Zyklus, der auf eine mögliche Empfängnis vorbereitet, wird von Sexualhormonen gesteuert.

Was sind Hormone und wie arbeiten sie?

Der im Bild orangefarbene Teil des Gehirns ist die Hypophyse, eine Hormondrüse. Darüber liegt der Hypothalamus, der die Hypophyse und deren Hormonbildung steuert. (Quelle: Wikipedia)

Sie haben also einen großen Einfluss auf uns, doch wie funktionieren Hormone genau? Der Begriff "Hormon" wurde 1905 von E.H. Starling eingeführt und ist vom griechischen Wort "hormao" abgeleitet, was so viel wie "ich treibe an" oder "ich bewege" bedeutet. Dieses Wort deutet schon an, was Hormone eigentlich bewirken.

Seine Tätigkeit übt das Hormonsystem durch über 30 verschiedene Hormone aus, die in mehreren Hormondrüsen (Organe, die Hormone herstellen) gebildet werden - zum Beispiel in der Schilddrüse oder der Bauchspeicheldrüse. Auch in bestimmten Geweben werden Hormone gebildet. Die Grundaufgaben des Hormonsystems kann man sich zunächst bildlich vorstellen: als eine Art "Regierung" des Körpers. Zusammen mit dem Nervensystem reguliert und lenkt es die vielen verschiedenen Organe und Einzelfunktionen des Körpers - und stimmt sie aufeinander ab.

Überlebenskampf: Angriff oder Flucht

Hier sieht man den Spalt zwischen zwei Nervenzellen. Die Pünktchen stellen Neurotransmitter dar, die ausgeschüttet werden und eine "Information" an die nächste Nerven- oder eine Muskelzelle weitergeben. (Quelle: Wikipedia)

In einer bedrohlichen Lage muss der Körper zum Beispiel blitzschnell auf die Situation reagieren, denn sein Überleben kann davon abhängen. Würden wir auf einem Spaziergang plötzlich überfallen werden, müsste der Körper von "Entspannung" sofort auf "Alarm" umschalten. Folgendes spielt sich in einer solchen Situation im Körper ab: Wir nehmen die Gefahr mit den Augen wahr. Über den Sehnerv (ein Leiter, der Sinneseindrücke weitergibt) gelangt diese Information zum Gehirn. Dieses gibt über den Hypothalamus (eine Schaltstelle unseres Gehirns, in der Sinneseindrücke verarbeitet werden) den Befehl an das Nebennierenmark (eine Hormondrüse), die "Stresshormone" Adrenalin und Noradrenalin auszuschütten. Diese Hormone werden über das Blut transportiert und docken in den Körperzellen an so genannte Hormonrezeptoren an. Das sind "Anlegestellen" für Hormone, an denen sie ihre Information abliefern können

Für viele Hormone gibt es eigene Rezeptoren, an denen nur ein ganz bestimmtes Hormon andocken kann, um seine Information an eine andere Nervenzelle weiterzuleiten. Deshalb spricht man auch vom Schlüssel-Schloss-Prinzip, nach dem das Hormonsystem arbeitet. Die Rezeptoren funktionieren dabei wie ein Schloss, das Hormon wie der passende Schlüssel dazu. Ist das Hormon einmal an den Rezeptor angedockt, löst es eine Reaktion in dieser Zelle aus - in unserem Fall wird der Körper durch das Noradrenalin und Adrenalin innerhalb von Sekunden in Alarmbereitschaft versetzt. Energiereserven werden mobilisiert, das Herz schlägt schneller, die Konzentration wird erhöht und die Muskeln stärker durchblutet. Der Organismus bereitet sich damit auf eine körperliche und geistige Höchstleistung in Form eines Kampfes oder einer Flucht vor. Kurz: ein "Überlebensprogramm" wird im Körper abgespielt, das ohne die Hormone nicht funktionieren könnte und im Laufe der Evolution schon unzählige Leben gerettet hat.

Sind wir innerlich noch Urmenschen?

Das Hormonsystem des heutigen Menschen ist dem der Urzeitmenschen noch sehr ähnlich. Die kulturelle Evolution ist in einem viel rascheren Tempo vorangeschritten. (Quelle: Wikipedia)

Hormone steuern und beeinflussen also unser Verhalten und helfen uns dabei, in den unterschiedlichsten Situationen das Richtige zu tun. In unserer modernen Welt mit ihren Reizüberflutungen durch Fernsehen, Handy, Computer und unserer hektischen Lebensart ist das natürliche Gleichgewicht der Hormone aber oft gestört. Dies liegt zum großen Teil daran, dass unser Hormonsystem schon sehr alt ist. Denn schon unsere Vorfahren, die Urmenschen, hatten ein ganz ähnliches Hormonsystem wie wir heute. Es war spezialisiert auf das Überleben in der Wildnis, aber nicht auf den "täglichen Kampf" in der Schule, am Arbeitsplatz oder um den Sitzplatz im Bus - und auch nicht auf die Dauerberieselung durch den Fernseher.

Grund dafür ist, dass die biologische Evolution (Entwicklung des Menschen) viel langsamer voranschreitet als die "kulturelle Evolution" (Entwicklung der Gesellschaft und der Lebensbedingungen des Menschen). Unser Körper hat sich den ständig wechselnden Anforderungen der hektischen Umwelt also noch nicht optimal anpassen können. Die Folge dieser ständigen Reize kann Dauerstress - verursacht durch Hormone wie Cortisol - sein. Dieser Stress kann wiederum zu Panikattacken, Depressionen oder dem so genannten "Burn-out-Syndrom" - einem anhaltenden Zustand völliger körperlicher und seelischer Erschöpfung - führen. Der oben beschriebene Mechanismus, der eigentlich unser Überleben sichern soll, verselbstständigt sich und macht uns dann krank, anstatt uns zu nützen.

Gerade bei Depressionen hat die Wissenschaft den Einfluss der Hormone recht gut belegen können und herausgefunden, dass in vielen Fällen der Serotoninhaushalt (ein Hormon, das unter anderem Einfluss auf unsere Stimmung hat) im Gehirn gestört ist. Durch Medikamente, die den Serotoninspiegel erhöhen, ist man heute in der Lage, vielen Menschen zu helfen, die die Macht der Hormone durch ständige Niedergeschlagenheit an sich selbst erfahren müssen. In vielen Fällen muss es aber erst gar nicht so weit kommen, denn man kann die Hormone auch auf natürliche Art beeinflussen. Wer leicht in Stress gerät, kann sich meist mit vorbeugenden Maßnahmen helfen. Dazu gehören ausreichend Schlaf, tägliche Bewegung, ausgewogene, gesunde Ernährung, aber auch Entspannungstechniken wie Yoga und Autogenes Training.

Der Rausch und die Sucht

Veränderte Wahrnehmung: Drogen wirken auf das Hormonsystem unseres Körpers und täuschen ein verändertes Bild der Wirklichkeit vor. (Quelle: Quelle: pixelio.de)

Dass Drogen eine berauschende Wirkung haben, ist vielen bekannt, aber woher diese Wirkung genau kommt, leider nicht. Denn auch der rauschhafte Zustand der Drogen ist auf Hormone und Neurotransmitter zurückzuführen. Der Grund dafür ist, dass viele Drogen und ihre Wirkstoffe bestimmten Hormonen im Gehirn derart ähnlich in ihrem Aufbau sind, dass sie an den Hormon-Rezeptoren ihre Wirkung entfalten können. Bezogen auf das Schlüssel-Schloss-Prinzip der Hormone könnte man zur Veranschaulichung sagen, dass solche Drogen - wie ein Einbrecher - einen "Nachschlüssel" zu unserem Hormonsystem darstellen und mit diesem in unser Nervensystem eindringen.

Andere Drogen wiederum verhindern, dass die Hormone in ihr Depot zurückgelangen (dort werden Hormone so lange gelagert, bis sie wieder gebraucht werden) und deshalb ohne Pause im Einsatz sind. Dies führt dazu, dass das extrem empfindliche Gleichgewicht dieses Systems gestört wird. Die meisten Drogen wirken auf unser "Belohnungsystem" und auf das Hormon Dopamin, welches im Normalfall ausgeschüttet wird, wenn wir etwas Schönes erleben - zum Beispiel, wenn wir uns über eine gute Note freuen, gerade Spaß mit Freunden haben, gute Musik hören oder ein leckeres Essen zu uns nehmen. Dann wird dieses Gebiet in unserem Gehirn aktiv, das man als unser Belohnungssystem bezeichnet. Wenn jemand nun ständig Drogen zu sich nimmt, gewöhnt sich das Gehirn an den Suchtstoff. Der Süchtige braucht nun immer mehr von der Droge, um sein Belohnungssystem zu reizen.

Nimmt er das Rauschmittel dann nicht mehr, fehlt dieser Reiz und die Folge sind Entzugserscheinungen (körperliche und geistige Störungen bei Suchtkranken) wie Depressionen, Aggressionen und Angstzustände, die sich so sehr steigern können, dass der Betroffene sogar an Selbstmord denkt. Diese Symptome dauern so lange an, bis der Süchtige wieder die Droge zu sich nimmt und damit den hormonellen Zustand, an den sein Körper gewöhnt ist, wieder herstellt. Ein Teufelkreis entsteht, aus dem bei schwerer Sucht nur ein qualvoller Entzug hilft. Selbst bei legalen (also "erlaubten") Drogen wie Alkohol oder einigen Medikamenten kann es bei Missbrauch zur schweren Sucht kommen.

Doch auch ein einmaliger Gebrauch von Drogen kann gerade bei noch heranwachsenden Menschen Schäden herbeiführen. Dies liegt daran, dass sich während und nach der Pubertät das Gehirn noch stark verändert. Ein Eingriff durch Drogen in den hochempfindlichen Hormonhaushalt von Jugendlichen kann diesen derart durcheinander bringen, dass es noch lange nach der Einnahme der Droge zu Störungen kommt. Dazu zählen vor allem Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, aber auch Angstattacken und Depressionen. Gerade deshalb sollte man sich bewusst machen, welches Risiko man dabei eingeht.

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letzte Aktualisierung: 12.12.2016

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