von Andreas Fischer - 13.12.2011
Dem norwegischen Polarforscher Roald Amundsen gelang es am 14. Dezember 1911, als erster Mensch das "ewige Eis" des Südpols zu betreten. Mit dem Engländer Robert Falcon Scott hatte er sich über Wochen einen erbitterten Wettkampf um Ruhm und Ehre geliefert - und gewann die große Herausforderung. Dies war ein gigantischer Erfolg für Amundsen und sein Heimatland. Der Entdecker hatte zunächst andere Pläne verfolgt: Er hatte eigentlich eine große Expedition zum Nordpol geplant, aber die US-Forscher Frederik Cook und Robert Peary waren ihm zuvor gekommen.
Roald erblickte am 16. Juli 1872 als fünftes Kind der Eheleute Jens und Gustava Amundsen das Licht der Welt. Als hätten seine Eltern schon bei seiner Geburt gewusst, dass er einmal ein weltweit angesehener Entdecker werden würde, gaben sie ihm den passenden Namen Roald, was so viel bedeutet wie "der Ruhmvolle". Sein Vater hatte es vor allem durch den regen Sklavenhandel zwischen China und Mittelamerika zu beträchtlichen Reichtum gebracht, sodass Roald in wohlhabenden Verhältnissen aufwuchs.
Seine Interessen galten schon im Kindesalter großen Entdeckern - vor allem die Schriften des britischen Polarforschers John Franklin sollen ihn begeistert haben. Die schulischen Leistungen des jungen Roalds litten unter seiner immer größer werdenden Leidenschaft für die Polarforschung so sehr, dass er am Ende sein Abitur im Jahre 1890 nur mit Ach und Krach bestand. Als 16-Jähriger unternahm er mit drei Schulkameraden im Winter 1889 eine mehrtägige Wanderung durch die Berge westlich seiner Heimatstadt Kristiania (das heutige Oslo), um Erfahrungen zu sammeln. Sein Vater, der durch seine Arbeit im Handelsministerium nur selten zu Hause war und zu dem Roald daher auch kein besonders inniges Verhältnis gehabt haben soll, verstarb bereits 1886 auf einer Reise nach England.
Die erste Expedition in die Eiswüste
Auch mit seinem Studium der Fächer Zoologie, Philosophie, Französisch, Deutsch und Latein tat sich Roald schwer und erzielte schwache Leistungen. Mit seinen Gedanken war er ständig bei den Planungen für seine erste Polarexpedition - sehr zum Unmut seiner Mutter. Als sie 1893 verstarb, hielt Roald Amundsen nichts mehr von seinem Vorhaben ab und er heuerte als Matrose an, um bald darauf sein Steuermannspatent abzulegen.
Schon bei seiner ersten Expedition in die Antarktis (also in die Südpol-Region) von 1896-1899 verschaffte sich der junge Mann viel Respekt und übernahm wegen der mangelnden Fähigkeiten des Expeditionsleiters praktisch die Führungsrolle. Dadurch wurde auch eines seiner größten Vorbilder, der Polarforscher Fridjof Nansen, auf den jungen Nachwuchsforscher aufmerksam und unterstützte ihn fortan bei seinen weiteren Vorhaben. Nansen hatte bereits Grönland durchquert und sich mit seinem Schiff im arktischen Packeis einschließen lassen, um sich vom Eis zum Nordpol treiben zu lassen. Mit diesem Vorhaben war er allerdings gescheitert, da er die Strömung des Eises falsch eingeschätzt hatte und das Schiff somit von der vorberechneten Route stark abgewichen war. Roald Amundsen hatte sich in den Kopf gesetzt, diesen Plan Nansens zu vollenden und als erster Mensch den geographischen Nordpol zu erreichen.
Der geheime Plan von Roald Amundsen
Als Amundsen von 1903 bis 1906 die erste komplette Durchfahrt der Nordwestpassage gelang, hatte er nicht nur seine außergewöhnlichen Qualitäten als Kapitän und Polarforscher bewiesen, sondern er stieg in der öffentlichen Wahrnehmung zum norwegischen Nationalhelden auf. Während der Expedition machte Amundsen wertvolle Erfahrungen mit Hundeschlitten und lernte die Überlebenstechniken der Inuit - der dortigen Ureinwohner- kennen. Dieses Wissen sollte ihm später von unschätzbarem Vorteil sein.
Nach seiner Rückkehr sah Amundsen die Zeit gekommen, um seine Mission zu erfüllen und als erster Mensch den Nordpol zu erreichen. Wie bereits sein Idol Fridjof Nansen wollte sich auch Amundsen mit seinem Schiff im Packeis einschließen lassen, um sich mit der so genannten Eisdrift zum Nordpol treiben zu lassen. Das norwegische Parlament erteilte ihm schließlich die Erlaubnis, für seine Expedition die "Fram" zu verwenden - jenes Schiff, mit dem Nansen bereits den ersten Versuch unternommen hatte - und stellte ihm das nötige Geld zur Verfügung. Während die Vorbereitung bereits auf Hochtouren liefen, machte im September 1909 auf einmal die Nachricht die Runde, dass gleich zwei verschiedene US-Polarforscher namens Cook und Peary in zwei voneinander unabhängigen Expeditionen den Nordpol erreicht hätten.
Dies durchkreuzte die Pläne von Amundsen, sodass er sich nicht mehr für sein ursprüngliches Vorhaben begeistern konnte. Wesentlich verlockender und ruhmreicher erschien ihm nun die Aussicht, als erster Mensch den Südpol zu "erobern". Doch schon bald darauf musste er feststellen, dass auch für dieses waghalsige Unterfangen die Zeit knapp wurde: Der britische Polarforscher Robert Falcon Scott plante bereits eine Expedition in die Antarktis, die im August 1910 starten sollte. Diesmal wollte Amundsen aber unbedingt der Erste sein, um nicht erneut das Nachsehen zu haben. Um sein Vorhaben nicht zu gefährden, erzählte er fast niemandem davon, nicht einmal seiner eigenen Mannschaft. Nur zwei Personen weihte er in seinen Beschluss ein: seinen Bruder, der nach Amundsens Abfahrt von Madeira an die Öffentlichkeit gehen sollte, und Thorvald Nilsen, der als Schiffsmeister und Kapitän der Fram das wahre Ziel der Expedition für seine Vorbereitungen kennen musste.
Der Wettlauf beginnt
Nun gab es keine Zeit mehr zu verlieren: In den folgenden Monaten erarbeitete Amundsen einen genauen Expeditionsplan, der bis in kleinste Detail durchdacht war, und studierte alle verfügbaren Bücher über die weitestgehend unerforschte Antarktis. Auch die gesamte Ausrüstung wurde sorgfältig ausgewählt, um so gut wie nur irgend möglich auf die außerordentlichen Anforderungen einer solchen Expedition ins Ungewisse vorbereitet zu sein - Amundsen wollte nichts dem Zufall überlassen. In Kopenhagen kaufte er 100 Grönlandhunde, die später die Schlitten ziehen sollten. Sein Gegenspieler Scott hingegen kannte sich mit Schlittenhunden nicht aus und setzte daher auf Ponys - eine Entscheidung, die er noch bereuen sollte.
Am 9. August 1910 brach die Fram in Richtung Madeira auf, zuvor hatte Amundsen seine beiden Offiziere in das geänderte Vorhaben eingeweiht - sie reagierten mit Begeisterung. Doch weiterhin wurde das wahre Ziel der Fram vor der Mannschaft geheim gehalten. In Madeira wartete bereits Amundsens Bruder Leon, um die letzten Nachrichten in Empfang zu nehmen. Erst jetzt wurde die Crew eingeweiht und jeder Einzelne konnte sich entscheiden, ob er an der Expedition teilnehmen wollte oder nicht. Alle Besatzungsmitglieder blieben an Bord. Nachdem das Schiff wieder in See gestochen war, informierte Leon den norwegischen König Haakon VII., Nansen und auch Robert Scott per Telegramm über die geänderten Expeditionspläne - Scott erhielt die Nachricht am 12. Oktober 1910 in Melbourne. Von nun an war auch ihm klar, dass es sich um einen Wettlauf zum Südpol handelte - und nur einer der beiden, Scott oder Amundsen, konnte am Ende der Gewinner sein.
Fehlstart mit Folgen
Am 14. Januar 1911 kam die Fram an ihrem Bestimmungsort, der Bucht der Wale vor der Antarktis, an. In den nächsten Monaten errichtete die Mannschaft mehrere Lager. Ihr Ziel war es dabei, vor Wintereinbruch im Mai möglichst weit in den Süden vorzudringen und in regelmäßigen Abständen Lager einzurichten. Damit wäre zumindest der erste Teil der insgesamt 1.400 Kilometer langen Strecke bis zum Südpol für die Abenteurer leichter zu überwinden. Da sich die Antarktis auf der Südhalbkugel befindet, ist natürlich klar, dass dort tiefster Winter herrscht, wenn bei uns Sommer ist. In den Wintermonaten scheint in der Antarktis mehrere Monate lang die Sonne nicht und die Temperaturen liegen bei minus 60 Grad Celsius - in dieser Zeit wäre an einen Aufbruch nicht einmal zu denken. Die Männer nutzten also die dunklen Wintermonate, um sich und ihre Ausrüstung vorzubereiten.
Da Amundsen davon gehört hatte, dass sein Rivale Scott motorisierte Schlitten einsetzen würde, trieb ihn die Angst um, den Wettlauf zu verlieren. Was er nicht wissen konnte war, dass die Motorschlitten von Scott schon sehr bald ihren Dienst versagen würden, denn die Technik steckte seinerzeit nicht nur in den Kinderschuhen, sondern sie war den extremen Bedingungen der Antarktis schlichtweg nicht gewachsen. Obwohl der Winter noch nicht ganz vorbei war, wollte Amundsen nicht länger abwarten und brach am 8. September mit acht Männern, sieben Schlitten und 90 Hunden auf.
Bereits drei Tage später fiel die Temperatur plötzlich über Nacht auf minus 56 Grad Celsius und Amundsen ordnete den Rückzug an. Viele der Schlittenhunde waren aber bereits so geschwächt, dass sie auf dem Rückweg starben. Als die Männer wieder in ihr Basislager "Framheim" zurückgekehrt waren, machte einer der Männer, Johansen, Amundsen schwere Vorwürfe, aus Leichtsinn zu früh gestartet zu sein. Daraufhin teilte Amundsen sein Team und schickte Johansen mit zwei anderen Männern auf eine andere Mission - damit hatte er sich des "Störenfrieds" entledigt. Der Fehlstart hatte auch seine guten Seiten: Amundsen und seine Leute erkannten dadurch, welche Probleme es gab und hatten nun Gelegenheit, ihre Ausrüstung zu verbessern und aus ihren Fehlern zu lernen.
Triumph am Südpol
Am 20. Oktober schließlich brach Amundsen mit vier Männern zu seinem zweiten Versuch auf. Die Gruppe arbeitete sich in den nächsten Wochen von Lager zu Lager weiter vor, bis sie am 5. November das letzte der angelegten Depots erreichte. Von hier aus würden die Männer also in unbekanntes Gebiet vordringen. Damit ihre Versorgung gesichert war, erschossen die Männer unterwegs immer wieder einzelne Schlittenhunde, um ihr Fleisch zu essen, an die anderen Hunde zu verfüttern oder als Nahrungsreserve im Eis einzufrieren. Natürlich fiel ihnen ein solcher Schritt nicht leicht, aber sie sahen dies als notwendig zum eigenen Überleben an.
Am 17. November erreichten die Entdecker die Ausläufer des Transarktischen Gebirges, welches sie mitsamt ihren Schlitten erklimmen mussten, um auf das Polarplateau zu gelangen. Bereits nach vier Tagen Kletterei erreichten sie das Plateau. Ihr Weg führte sie weiter durch das ewige Eis, über Gletscher und Berge und endlose Eiswüsten. Am Nachmittag des 13. Dezembers war es soweit: Die norwegischen Männer um Roald Amundsen waren die ersten Menschen am Südpol. Die größte Sorge Amundsens, dass sein Gegenspieler Scott bereits vor ihm da gewesen sein könnte, hatte sich in Luft aufgelöst - Amundsen triumphierte.
In einem Ersatzzelt hinterließ Amundsen einen Brief an König Haakon VII., den Robert Scott dem norwegischen Regenten überbringen sollte, falls Amundsen auf dem Rückweg ums Leben kommen sollte. Danach machte sich die Gruppe auf den Rückweg. Obwohl die Männer aufgrund von Schneestürmen und Schneeverwehungen mehrfach Schwierigkeiten hatten, sich zu orientieren und die eingerichteten Lager zu finden, kamen sie schnell voran und kehrten bereits am 26. Januar wieder in ihr Basislager zurück, nach insgesamt 99 Tagen und 3.000 zurückgelegten Kilometern - nicht nur für die damalige Zeit eine Meisterleistung.
Wie erging es Robert Scott und seinen Leuten?
Dies ist das traurigste Kapitel der Geschichte um die "Eroberung" des Südpols. Im Gegensatz zu Amundsen hatte Scott sowohl Pech mit den Motorschlitten, die bereits gleich zu Beginn seiner Reise versagten, als auch mit den Ponys, die mit den antarktischen Bedingungen komplett überfordert waren. Robert Scott und seine Leute erreichten den Pol erst am 18. Januar, also mehr als einen Monat nach Amundsen. Der beschwerliche Kampf um jeden Meter durch Eis und Schnee hatte ihnen bereits alles abverlangt und ihre Nahrungsvorräte und Kraftreserven reichten nicht mehr für den 1.300 Kilometer langen Rückweg. Nach einigen Wochen des ständigen Überlebenskampfes starben die fünf Männer nacheinander an Unterernährung, Krankheit und Unterkühlung.
Robert Scott führte ein Tagebuch mit sich, in dem er die Ereignisse beschrieb und seine persönlichen Eindrücke festhielt. Er verfasste zudem noch kurz vor seinem Tod Abschiedsbriefe an seine Frau, seine Mutter, an Freunde und Vorgesetzte sowie auch an die Öffentlichkeit. Seine Leiche und seine Aufzeichnungen wurden am 12. November 1912 von einem Suchtrupp gefunden. Scott wurde trotz seiner Niederlage im Wettrennen um den Südpol in seiner Heimat als Nationalheld gefeiert und verehrt. Roald Amundsen wurde in seiner Heimat mit großem Jubel empfangen. Sein Erfolg wurde jedoch vom Tod seines Rivalen Robert Falcon Scott überschattet. Vor allem britische Zeitungen gaben Amundsen eine Mitschuld am Tod seines Konkurrenten. Roald Amundsen bestritt noch viele weitere Expeditionen in die Arktis. Bei einem Rettungsflug für den in Not geratenen Polarforscher Umberto Nobile kam der bedeutende Entdecker 1928 ums Leben.
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