Sigmund Freud, der Deuter der Träume

Begründer der Psychoanalyse

Der Name Sigmund Freud ist bestimmt den meisten von uns ein Begriff. Viele wissen, dass er ein bedeutender österreichischer Arzt und Psychologe war, und oft wird sein Name in einem Atemzug mit dem Begriff "Psychoanalyse" genannt. Was für eine Person hinter dem berühmten Namen steckt, wissen die meisten nicht. Wie und warum also wurde Sigmund Freud so berühmt, was war das Besondere an seinen Ideen und Theorien und was versteht man unter der Psychoanalyse?

Ein Foto Sigmund Freuds von Max Halberstadt aus dem Jahr 1914. (Quelle: Wikipedia | Live Photo Archive)

Geboren wurde Sigmund Freud am 6. Mai 1856 im tschechischen Freiberg als Sohn jüdischer Eltern. Schon drei Jahre später zog die Familie zuerst nach Leipzig und anschließend nach Wien, wo Sigmund Freud den Großteil seines Lebens verbringen sollte. Im Jahr 1865 kam er aufs Gymnasium und fiel dort als hervorragender Schüler auf. 1873 machte er seine Matura (die österreichische Entsprechung zum deutschen Abitur) und bestand die Prüfungen sogar mit Auszeichnung.

Nachdem Freud die Schule abgeschlossen hatte, dachte er zuerst darüber nach, ein Jurastudium anzufangen, aber er überlegte es sich doch noch anders. Anstatt Jurist zu werden, begann er ein Medizinstudium an der Universität Wien. Im Jahr 1879 war schließlich die Zeit für den jungen Sigmund Freud gekommen, seinen einjährigen Militärdienst anzutreten. 1881, im Alter von erst 25 Jahren, promovierte Freud - das bedeutet, dass er sein Studium als Doktor der Medizin abschloss.

Der Weg zur Psychoanalyse

Freuds Theorien, in denen die menschliche Sexualität oft im Mittelpunkt steht, sind bis heute sehr umstritten.

Anschließend begann für Freud die Arbeit als Arzt. Zuerst arbeitete er im Laboratorium für Gehirnanatomie des Allgemeinen Krankenhauses in Wien. Während einer Studienreise nach Paris besuchter er unter anderem eine bekannte psychiatrische Klinik - die "Psychiatrie" ist ein Gebiet der Medizin, das sich mit den Ursachen und der Behandlung seelischer Störungen befasst. In der Pariser Klinik erfuhr Freud viel über die Anwendung von Hypnose und so genannter "Suggestion" - beides sind Behandlungsmethoden, bei denen das Bewusstsein und die Vernunft des Patienten ausgeschaltet werden sollen. Suggestion geht zurück auf das lateinische Wort "suggestio", was "Eingebung" oder "Einflüsterung" bedeutet. Durch eine gezielte Beeinflussung von Geist und Seele sollen dabei bestimmte Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen bei einem Menschen hervorgerufen werden.

Sigmund Freud interessierte sich besonders für das menschliche Seelenleben. Schon einige Jahre vor seiner Studienreise kam er in Kontakt mit dem Arzt Josef Breuer, dessen Vorgehensweisen Freud faszinierten: Josef Breuer hatte zum Beispiel eine Patientin, die unter Angstattacken und Lähmungserscheinungen litt, einer Sprechbehandlung unterzogen, wie Sigmund Freud es später nannte. Breuer hatte den Verdacht, dass die körperlichen Beschwerden aus der Seele der Patientin herrühren könnten. Fände man die Ursachen in den Gesprächen zwischen Arzt und Patientin heraus, würden auch die körperlichen Probleme verschwinden, hoffte Breuer. Diese Therapie hatte Erfolg, denn Breuer konnte herausfinden, dass tatsächlich unterdrückte Gefühle und Erlebnisse Schuld an den Symptomen waren, unter denen die Frau litt.

Sigmund Freund entwickelte diese Idee weiter und ließ seine Kenntnisse über Hypnose und Suggestion mit einfließen. Zusätzlich entwickelte er die Technik der so genannten freien Assoziation ("Assoziation" heißt Verbindung oder Verknüpfung). Das bedeutet, dass man den Patienten als Psychologe einfach über das reden lässt, was ihm gerade einfällt und so früher oder später an verdrängte Gefühle und Erinnerungen aus dem Unterbewusstsein kommt und sie an die Oberfläche holen kann. Freud war überzeugt davon, dass schlimme Erlebnisse, die zum Beispiel in der Kindheit passiert sind, oft unterdrückt und vergessen werden. Im Unterbewusstsein würden sie den Menschen jedoch weiterhin belasten und krank machen. Die Chance auf eine Heilung vieler Leiden sah Freud darin, diese "traumatischen Erlebnisse" (der Begriff "Trauma" kommt aus dem Griechischen und bedeutet "Wunde") wieder ins Bewusstsein zu bringen, sodass der Patient sich ihnen stellen kann.

Freud und die Traumdeutung

Im Traum verarbeiten wir Dinge, leben Fan- tasien aus und werden mit Wünschen und Ängsten konfrontiert. Traumsymbole können uns wichtige Hinweise geben. (Bild: Salvador Dalí) (Quelle: Wikipedia )

Als einen besonders guten Weg, den unterbewussten Teil der menschlichen Psyche offenzulegen und zu verstehen, sah Sigmund Freud die Traumdeutung an. Freud nahm an, dass man gerade über Träume Zugang zum Unterbewusstsein erhalten konnte. Seine Theorie war, dass der Träumer zwar äußerliche Reize wie Hunger, Durst oder vielleicht auch das Klingeln des Weckers in seinen Traum mit einbaut und außerdem Erlebnisse des Tages sowie bewusste Gedanken eine Rolle spielen.

Für Freud machte das Unterbewusste in Träumen jedoch den größten Anteil aus. Er ging davon aus, dass sich in unseren Träumen Impulse des so genannten "Es" äußerten und unterbewusste Wünsche und Triebe verarbeitet würden. Der Patient selbst weiß nach dem Aufwachen in der Regel nichts von der unterbewussten Bedeutung seiner Träume - er erinnert sich sozusagen nur an die "Rahmenhandlung". Freud wollte über die freie Assoziation an die verborgenen Inhalte der Träume seiner Patienten kommen und ihre Bilder und Symbole verstehen - denn er vermutete, dass sehr viele Botschaften in unseren Träumen enthalten sind, die in "verschlüsselter" Form vorliegen. Freud erklärte dies damit, dass wir uns - je älter wir werden - immer strengere Regeln auferlegen und unsere wahren Wünsche und Ängste oft nicht eingestehen wollen. Im Traum würde dieser "Verdrängungs-Mechanismus" zwar auch noch wirken, aber eben in abgeschwächter Form. Deshalb müssten unsere Traumbilder erst auf ihren tieferen Sinn hin gedeutet werden, damit sich ihre wahre Botschaft offenbart.

"Es", "Ich" und "Über-Ich"

Sigmund Freud war überzeugt davon, dass sich in Träumen verborgene Ängste und unterdrückte Wünsche offenbaren. (Quelle: D.M. Bourneville / P. Régnard)

Sigmund Freud entwickelte im Laufe seiner Arbeit verschiedene Theorien zu den Ursachen psychischer Probleme und zur Beschaffenheit der menschlichen Psyche. Zu seinen bekanntesten Theorien gehört die Vorstellung, dass die Seele eines Menschen in drei Teile geteilt sei: das Es, das Ich und das Über-Ich. Das Es symbolisiert dabei das "Lustprinzip" und die menschlichen Triebe - so sei bei einem Neugeborenen, das einfach schreit, wenn es Hunger oder Schmerzen hat, das Es noch dominierend. Später umfasst das Es aber auch unterbewusste Wünsche und Gefühle wie Eifersucht, Neid, Liebe und Hass.

Den krassen Gegensatz dazu bildet das Über-Ich: Freud verstand darunter eine Art Kontrolleur, der das Es in Schach hält. Es besteht aus anerzogenen Richtlinien, moralischen Wertvorstellungen und dem Gewissen. Wenn Kinder heranwachsen, bildet sich das Über-Ich immer stärker aus. Auch das Über-Ich ist auf eine Art unterbewusst. Zwischen den beiden gegensätzlichen Teilen der Seele steht das Ich, das ständig zwischen Es und Über-Ich vermitteln muss. Das Ich ist unsere bewusste Persönlichkeit, die nachdenkt, fühlt und sich erinnert. Freuds Idee war, dass es ständig zu Konflikten zwischen diesen drei Teilen der Psyche kommt und dass sich die meisten psychischen Probleme dadurch erklären lassen.

Der Ödipus-Komplex

Auffällig ist, dass Freud die meisten dieser Konflikte auf die menschliche Sexualität bezog. Freud ging davon aus, dass viele psychische oder psychosomatische (das bedeutet, dass sich ein seelisches Problem in körperlichen Beschwerden äußert) Störungen ihre Wurzeln in triebhaften Wünschen aus der Kindheit haben, welche sozusagen außer Kontrolle geraten sind. Zu den bekannteren Theorien Sigmund Freuds gehört die des "Ödipus-Komplexes". Freud ging davon aus, dass jeder Junge im Alter zwischen drei und fünf Jahren seine Mutter im Rahmen der kindlichen Sexualität unterbewusst anziehend findet und den Vater als Rivalen sieht. In diesem Alter sprechen kleine Jungen zum Beispiel davon, dass sie einmal ihre Mütter heiraten wollen.

Anders herum würden Mädchen ihre Väter ganz für sich allein wollen und unbewusst mit ihren Müttern rivalisieren. Normalerweise wird diese Phase ganz natürlich überwunden. Ein Junge fängt an, sich mit seinem Vater zu identifizieren und ein Mädchen nimmt sich seine Mutter als Vorbild. Es kommt erst dann zu Problemen, wenn diese "ödipale Phase", wie Freud sie nennt, nicht überwunden wird und die Gefühle nur verdrängt werden. Dann kommt es nach Freuds Ansicht zum Ödipus-Komplex, der beim Erwachsenen zu psychischen Störungen führt.

Wer war König Ödipus?

Nach der Prophezeiung des Orakels, Ödipus werde seinen Vater töten und seine Mutter heiraten, floh Ödipus aus der Stadt. Später heiratete er die Königin von Theben - ohne zu wissen, dass sie seine leibliche Mutter ist. (Quelle: Attischer Tonteller, 470 v. Chr.)

Benannt wurde der Ödipus-Komplex nach einer Figur aus der griechischen Mythologie. König Ödipus wurde demnach als Kind ausgesetzt. Ein Orakel prophezeit ihm eines Tages, dass er seinen eigenen Vater umbringen und seine Mutter heiraten würde. Ödipus flüchtet daraufhin aus Korinth - im Glauben, damit dem vorausgesagten Schicksal zu entgehen. Doch gerade dadurch erfüllt sich die Prophezeiung: Auf dem Weg nach Theben tötet er Laios nach einer Auseinandersetzung - ohne zu wissen, dass es sich um den König von Theben und seinen leiblichen Vater handelt.

Anschließend befreit Ödipus die Stadt Theben von der gefährlichen Sphinx - einem gefürchteten Dämon, der sich in den Bergen vor der Stadt aufhält und jedem Reisenden ein Rätsel stellt. Können sie dieses nicht lösen, werden sie von der Sphinx getötet. Ödipus weiß jedoch die richtige Antwort auf das Rätsel und stürzt das Ungeheuer. Zum Dank erhält er die Königin zur Frau - ohne zu wissen, dass Iokaste, die Witwe des Königs, seine leibliche Mutter ist. Die beiden bekommen vier Kinder. Als Theben von einer schlimmen Seuche heimgesucht wird, verkündet das Orakel von Delphi, dass der Mörder des Königs gefunden werden müsse, damit die Seuche verschwindet. Als König Ödipus und seine Frau die Wahrheit erfahren, nimmt sich die Königin das Leben. Ödipus sticht sich die Augen aus und irrt als gebrochener Mensch umher.

Freuds Ende und seine Wirkung

Sigmund Freud musste 1938 vor den Nazis aus Wien fliehen. Ein Jahr später setzte er als Schwerkranker seinem Leben ein Ende. (Quelle: Library of Congress)

Die Gedanken zu Es, Ich und Über-Ich und zum Ödipus-Komplex sind aber nur ein kleiner Ausschnitt aus Freuds Arbeit. Im Laufe seines Lebens veröffentlichte Sigmund Freud mehrere viel beachtete Werke zur Psychoanalyse. Dabei sah er sich eher als Entdecker denn als Wissenschaftler - zumindest hielt er es oft nicht für nötig, seine Theorien auch zu beweisen, beziehungsweise mit Beispielen aus der Praxis zu belegen. Das ist einer der Gründe, warum Freud schon zu Lebzeiten kritisiert wurde. Auf dem Höhepunkt seines Schaffens befand sich Freud in den 1920er Jahren - in dieser Zeit wurden seine wichtigsten Werke veröffentlicht.

Schwierig wurde es für Sigmund Freud und seine Lehren nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland. Auch wenn er die Gefahr zunächst nicht ernst genommen hatte, war für Freud 1938 die Zeit gekommen, ins Exil zu gehen. Er zog mit einigen Familienmitgliedern nach London. Ein Jahr später war Sigmund Freud von einer Krebserkrankung, an der er schon seit 1922 litt, schwer gezeichnet und setzte seinem Leben am 23. September 1939 in London ein Ende.

Nach seinem Tod führte Freuds Tochter Anna die Arbeit ihres Vaters weiter. Auch heute noch werden Sigmund Freuds Gedanken eifrig diskutiert, besonders wegen der starken Ausrichtung auf den Zusammenhang zwischen Sexualität und Psyche des Menschen. So ist zum Beispiel Freuds These sehr umstritten, dass Jungen ab einem bestimmten Alter eine "Kastrationsangst" entwickeln würden (also Angst davor hätten, ihren Penis zu verlieren), während Mädchen unter einem "Penis-Neid" litten (also neidisch auf das männliche Glied wären). Dennoch ist Sigmund Freud unbestritten der Begründer der Psychoanalyse. Er ist auch der wichtigste Theoretiker dieser Disziplin, denn obwohl spätere Wissenschaftler in vielen Punkten nicht Freuds Meinung waren, bezogen sie sich immer auf sein Werk und entwickelten seine Gedanken und Methoden weiter.

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letzte Aktualisierung: 01.09.2011

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