Lexikon: Mythos / Mythologie

von Britta Pawlak

Prometheus (Gemälde von Gustave Moreau): Im Mythos ist er der Gott, der sich mit den Menschen verbündet. Zur Strafe lässt Zeus ihn anketten - jeden Tag kommt ein Adler und frisst von seiner Leber. (Quelle: Wikipedia)

Der Begriff "Mythos" kommt aus dem Griechischen und bedeutet etwa Rede, Erzählung oder auch "sagenhafte Geschichte". Das Wort wird unterschiedlich verwendet und hat somit mehrere Bedeutungen. Sprechen wir im Alltag von einem "Mythos", meinen wir damit oft etwas Erfundenes, Unvernünftiges oder gar Falsches - so wird das Wort manchmal abwertend gebraucht, um bestimmte Behauptungen oder verbreitete Meinungen als unsinnig oder nicht wahrheitsgetreu hinzustellen. Andererseits wird der Begriff positiv verwendet, wenn wir besonders berühmte Persönlichkeiten oder sehr bekannte und sagenumwobende Geschichten oder Phänomene hervorheben wollen - dann sprechen wir zum Beispiel von dem "Mythos Marilyn Monroe" oder dem "Mythos Loch Ness".

In einer anderen Bedeutung bezeichnet man mit Mythen sehr alte Ursprungserzählungen: So sind in der griechischen Antike viele Götter- und Heldensagen entstanden - sie erzählen zum Beispiel von dem tragischen Schicksal des Königs Ödipus, dem prophezeit wird, dass er seinen Vater töten und seine Mutter heiraten wird. Obwohl er versucht, diesem schlimmen Schicksal zu entkommen, bewahrheitet sich die Voraussage und Ödipus sticht sich aus Verzweiflung die Augen aus. Oder der Mythos von dem Gott Prometheus, der sich mit den Menschen verbündet und zur Strafe von Zeus in Ketten gelegt wird, während ein Adler täglich von seiner Leber frisst.

All diesen Mythen ist gemeinsam, dass es sich um erdachte und zunächst mündlich überlieferte Geschichten handelt, in denen "übernatürliche" Dinge geschehen - meist folgt die Handlung einer "höheren Ordnung". Die alten Griechen sahen diese Sagen als Ausdruck der göttlichen Wahrheit und Wahrhaftigkeit, in denen sich der tiefere Sinn der schicksalhaften Verstrickungen des Menschen offenbarte. Insbesondere in den berühmten Epen des griechischen Dichters Homer, der ungefähr 1.000 Jahre vor Christus gelebt haben soll, spiegelt sich das "mythische" Weltbild der alten Griechen wider: Sie glaubten, dass das Geschehen auf der Welt von den Göttern des Olymps (dem "Berg der Götter") gelenkt wird. Die Gesamtheit dieser Ursprungserzählungen bezeichnet man auch als "griechische Mythologie".

Der so genannte Wandel "vom Mythos zum Logos" (mit dem griechischen Begriff "logos" ist unter anderem die Vernunft gemeint) gilt als entscheidende Wendung im europäischen Denken: Schon die Vorsokratiker, also alle griechischen Denker, die vor dem Philosophen Sokrates (469 bis 399 vor Christus) lebten, entwickelten eine "Naturphilosophie", die die Inhalte der antiken Göttersagen infrage stellte. Sie waren vor allem auf der Suche nach Erklärungen für die Vorgänge in der Natur, für welche nicht mehr einfach nur das Wirken der übermächtigen Götter verantwortlich gemacht wurde. Auch der griechische Philosoph Platon (428/427 bis 348/347 vor Christus), der Schüler des Sokrates, machte auf die Fragwürdigkeit von Mythen aufmerksam. Der Philosoph Aristotels (384 bis 322 vor Christus) sah in Mythen immerhin die Möglichkeit gegeben, sich der Wahrheit anzunähern. Sie lieferten Autoren seiner Ansicht nach den Stoff für eine gelungene Tragödie - also ein auf der Bühne aufgeführtes Trauerspiel, das bei den alten Griechen stets von dem tragischen Schicksal der Götter und Helden erzählte.

Das große Interesse an Mythenerzählungen blieb über die Jahrhunderte bestehen - immer wieder setzten sich Denker, Künstler und Autoren mit ihnen auseinander und interpretierten sie neu. In der Epoche der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert, in welcher die menschliche Vernunft in den Mittelpunkt gerückt und religiöse und übernatürliche Weltanschauungen zunehmend infrage gestellt wurden, wandte man sich entschieden von "mythischen" Weltbildern ab. Die Vertreter der Romantik wiederum, die den Aufklärern vorwarfen, die Welt "entzaubern" zu wollen, besannen sich zurück auf die Mythen, in denen ihrer Ansicht nach eine allumfassende Wahrheit zum Ausdruck kam. Selbst wenn die mythischen Erzählungen keinen Anspruch auf "Wahrheit" und "Gültigkeit" mehr genießen, ist ihre Faszination bis heute ungebrochen und immer wieder wird der Stoff von Mythen aufgegriffen, weiterentwickelt und neu gedeutet.

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letzte Aktualisierung: 23.10.2011

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