Erneute Übergriffe auf Ausländer: Was tun gegen rechte Gewalt?

Hetzjagd auf Inder in Sachsen/ Angriff auf Afrikaner in Rheinland-Pfalz

25.08.2007

In Mügeln, einem Ort mit etwa 5.000 Einwohnern im ostdeutschen Bundesland Sachsen, machten Einwohner eine Hetzjagd auf acht Inder. Auch in Rheinland-Pfalz kam es zu einem brutalen Übergriff auf Ausländer. Nun überlegen Politiker und Polizei, was zu unternehmen ist. Schon in der Vergangenheit kam es wiederholt zu rassistischen Gewalttaten. Die Diskussion, so genannte "No-Go-Areas" zu benennen - Orte, die zu gefährlich für Ausländer seien -, ist aufgeflammt. Wie kann man rechte Gewalt bekämpfen?

Skinheads bei einem Konzert. Als Schreckensbild der Rechtsextremisten wird häufig ihr Outfit herangezogen. Aber Menschen mit solchen Ansichten müssen nicht wie Skins aussehen.
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50 Menschen haben in der Nacht zum Sonntag acht Inder durch den Ort getrieben. Die Opfer flüchteten in eine Pizzeria und verbarrikadierten sich dort. Sie erlitten durch die Angriffe schwere Platzwunden und Abschürfungen. 70 Polizisten lösten schließlich die gewalttätige Gruppe auf.

Auch im rheinland-pfälzischen Guntersblum bei Mainz kam es am vergangenen Wochenende zu einem rassistischen Übergriff: Zwei Afrikaner wurden auf einem Weinfest beleidigt und schließlich angegriffen. Einer von ihnen trug schwere Verletzungen davon. Es eilten Menschen zu Hilfe, um Polizei und Krankenwagen zu rufen. Die Polizei startete eine Suche nach den geflüchteten Tätern. Gegen einen dringenden Verdächtigen wurde nun Haftbefehl erlassen, ein zweiter durfte unter Auflagen wieder gehen.

In Mügeln protestierten am Dienstagabend spontan 200 Menschen gegen Ausländerfeindlichkeit und Neo-Nazis. Der SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz sprach sich für ein Verbot der rechten Partei NPD aus. Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sagte, dass rechte Gewalt ein gesamtdeutsches Problem sei, das bekämpft werden müsse. Generalsekretär Stephan Kramer vom Zentralrat der Juden regte Gespräche über "No-Go-Areas" an, vor denen Ausländer gewarnt werden sollten. Auch das Netzwerk gegen rechte Gewalt, das im Jahr 2007 schon 139 rechtsextreme Überfälle in Sachsen dokumentiert hat, brachte die "Sperrgebiete" wieder ins Gespräch.

"No-Go-Areas" - Sieg der Rechten?

No-Go-Areas? Viele sehen das als "Sieg der Rechten" an. Auf der anderen Seite ist es für Ausländer tatsächlich gefährlich, sich in bestimmten Gegenden aufzuhalten.

Das Problem: Eigentlich gewinnen so die Rechtsextremen noch Boden, denn sie hätten durch Gewalt und Prügel erreicht, dass Ausländer flüchten müssen und dieses Gebiet meiden. Ihr "Erfolg" könnte weitere fremdenfeindliche Taten folgen lassen. Außerdem kann niemand vorhersehen, wo der rechte Pöbel die nächsten Opfer zusammenschlägt - welche Gebiete also noch "No-Go-Areas" werden könnten. Auch Mügeln war kein Ort, in dem eine feste rechtsextreme Szene bekannt war. "No-Go-Areas" einzurichten, bedeutet für viele aber schon, aufzugeben.

Eigentlich soll jeder, egal welcher Hautfarbe, Religion oder Nationalität, dorthin gehen können, wo er will - und zwar ohne körperlich angegriffen zu werden oder sich zumindest bedroht zu fühlen. Eine schöne Vorstellung, die Politiker immer wieder anführen, die sich gegen "No-Go-Areas" aussprechen. Doch die Realität sieht leider anders aus. Und das Wichtigste ist immer noch, dass Leib und Leben der Menschen sicher sind. Gefährliche Gebiete sollten von Betroffenen deshalb tatsächlich gemieden werden. Das Problem des Rechtsradikalismus ist damit jedoch nicht gelöst. Um Fremdenhass zu bekämpfen und gegen Neo-Nazis vorzugehen, müssen ganz andere Wege eingeschlagen werden.

Kritik für Familienministerin von der Leyen

Bei der Landtagswahl 2006 gewann die NPD 9,2 Prozent der Stimmen, das sind 8 Sitze im Landtag. Vier jetzt fraktionslose Abgeordnete gehörten ebenfalls der NPD an.
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Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) betonte, dass das Geld für die Bekämpfung des Rechtsextremismus um fünf Millionen Euro aufgestockt wird. Dies führte zu Verwirrungen und großer Kritik: Denn bereits vergangenes Jahr hat die SPD dies durchgesetzt - und zwar gegen den Widerstand der CDU. Deshalb haben viele Politiker und Medien die Ankündigung der Ministerin falsch verstanden und dachten, dass es eine weitere Aufstockung um fünf Millionen Euro geben würde.

Monika Lazar, Rechtsextremismus-Expertin der Grünen, bezeichnete von der Leyens Äußerungen sogar als "Verdummung der Öffentlichkeit". Viele werfen der Familienministerin außerdem vor, das Problem des Rechtsextremismus nicht ernst genug genommen zu haben. Sie fordern, diese Aufgabe an das Innenministerium zurückzugeben, wo die Bekämpfung rassistischer Gewalt zuvor einen viel höheren Stellenwert gehabt hätte.

Mehr Geld könnte dafür eingesetzt werden, Jugendzentren zu fördern, Toleranz zu stärken und Aufklärung zu betreiben. Viele Jugendorganisationen im Osten gehören rechten Parteien an - somit wird schon früh ein Einfluss auf junge Menschen ausgeübt. Mit Fördergeldern kann Jugendlichen, die zu rechtsextremer Gewalt neigen, auch eine Perspektive - beispielsweise eine berufliche Ausbildung - eröffnet werden. Bisher kümmern sich vorwiegend Organisationen der "NPD" oder der "Republikaner" um viele der jungen Menschen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt

Gerade unter Jugendlichen finden Neo-Nazis immer mehr Anhänger. Im Vergleich zum Vorjahr 2005 ist ein Zuwachs rassistischer Straftaten um über 20 Prozent zu verzeichnen.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat inzwischen das Ermittlungsverfahren gegen zwei mutmaßliche Täter eingeleitet. Es handelt sich um einen 21- und um einen 23-jährigen Mügelner. Ihnen wird "Landfriedensbruch" vorgeworfen. Trotz des offensichtlich rassistischen Hintergrundes der Tat wiegelte Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) ab.

Er sagte am Mittwoch, der Überfall sei nicht von Rechtsextremen geplant gewesen. Der Streit habe sich nach einem Gerangel auf der Tanzfläche des Dorffestes "hochgeschaukelt". Bei den Gewalttaten sei Alkohol im Spiel gewesen. Rassistische Sprüche seien nur von Einzelnen gekommen. Die acht Inder, die inzwischen ihre Version in den Medien berichtet haben sagen, sie hätten keinen Alkohol getrunken und wüssten nicht, welche Ursache für einen Streit bestanden haben soll.

Was tun gegen rechte Gewalt?

Was tun gegen rechte Gewalt? Zivilcourage ist wichtig - ein direkter Eingriff kann aber auch gefährlich sein. Am besten ruft man sofort die Polizei und bittet Passanten um Hilfe.
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Wichtig ist zum einen, schon früh über Rassismus und Fremdenhass aufzuklären, Toleranz zu üben und Respekt zu vermitteln. Einige Politiker fordern die Bevölkerung immer wieder zu größerer "Zivilcourage" auf: Viel mehr Menschen sollten bei ausländerfeindlichen Taten einschreiten, Hilfe leisten und die Polizei rufen. Wirklicher Einsatz fängt aber schon früher an als beim Eingreifen in eine Schlägerei.

Du solltest dich öffentlich gegen Fremdenhass aussprechen und Stellung beziehen für Ausländer, die ausgegrenzt oder angefeindet werden. Es ist wichtig, sich in einer solchen Situation stark zu machen, indem man zu dem Betroffenen steht. Trotzdem dürfen gewaltbereite Neo-Nazis nicht unterschätzt werden. In der Vergangenheit wurden Menschen immer wieder schlimm zugerichtet, die sich gegen sie gewandt haben. So verprügelten Rechtsradikale 2006 ein Mädchen aus Bautzen, das eine Prügelei verhindern wollte. Ebenso wurde ein Bahnhofspolizist aus Halberstadt, der einem Ausländer helfen wollte, schwer verletzt.

Das Bundeskriminalamt rät deshalb, bei Gewalttaten, aggressiven Pöbeleien und drohenden Konflikten lieber sofort die Polizei zu verständigen. Befinden sich in der Umgebung noch andere Passanten, sollte man diese direkt zu Hilfe rufen - je mehr, desto besser. Leider wurde allerdings ebenso der Polizei in vielen Fällen ein Vorwurf gemacht. Bei einigen Übergriffen von Rechtsradikalen schritt sie zu spät oder nicht mit vollem Einsatz ein. Auch nach einer Straftat ist die Hilfeleistung manchmal ungenügend. Die acht Inder berichteten, dass sie nach dem Überfall mehrere Stunden auf der Polizeistation gesessen hätten, ohne dass ihre Wunden von einem Arzt versorgt worden wären.

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letzte Aktualisierung: 11.03.2010

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