WJT: Und täglich grüßt das Verkehrs-Chaos

Julia berichtet vom Weltjugendtag in Köln

Teil 7 von 8

von Julia Fischer - 21.08.2005

Schon wieder hatte ich eine viel zu kurze Nacht. Scheinbar ist es mir auf diesem Weltjugendtag nicht vergönnt, auch nur ein einziges Mal auszuschlafen - dabei ist doch Wochenende und ich habe frei. Aber nein, übereifrige Volunteers, die mit mir in einer Turnhalle schlafen, beginnen schon um fünf Uhr morgens, geräuschvoll ihren Schlafsack und ihre Isomatte einzupacken und sich auf den Weg zum Marienfeld zu machen.

Etwa eine Million Pilger verbrachten die Nacht im Freien, um den Abschluss-Gottesdienst am nächsten Morgen nicht zu verpassen.

Dort wollen sich meine Kollegen schon in aller Herrgottsfrühe einen guten Platz zu sichern. Dabei soll die "Vigil" doch erst am späten Abend stattfinden! Eine Vigil ist in der katholischen Kirche die Vorbereitungsfeier am Abend für ein großes Ereignis am nächsten Tag. Dieses große Ereignis ist natürlich der Abschlussgottesdienst mit Benedikt XVI. (dem 16.), an dem voraussichtlich über eine Millionen Menschen teilnehmen werden. Diese Messe am Sonntag ist der Höhepunkt und gleichzeitig das Ende des Weltjugendtags 2005.

Das Marienfeld ist nicht nur der Veranstaltungsort der Vigil am Samstag, sondern auch der gigantischen Abschlussmesse am Sonntag. Es liegt etwa 20 Kilometer von Köln entfernt, was viele Pilger jedoch nicht davon abschrecken kann, in einem etwa sechsstündigen Fußmarsch dennoch dorthin zu gelangen.

Lohn der Arbeit: eine Busfahrt

Der Altarhügel. Von dort oben wird Benedikt XVI. die Messe in vielen verschiedenen Sprachen halten.

Als ich mich endlich entschlossen habe aufzustehen, weil bei dem Krach in der Turnhalle ja sowieso kein Mensch schlafen kann, bekomme ich einen Anruf aus dem Pressezentrum. "Kannst du heute, an deinem freien Tag, nicht vielleicht doch arbeiten?", fragt mich eine Stimme. Ich willige ein, da mir eine Belohnung in Aussicht gestellt wird: "Dafür darfst du auch mit dem Journalistenbus zur Vigil fahren." Das ist doch mal ein Wort.

Mit Schlafsack und Isomatte unter dem Arm mache ich mich also auf den Weg ins Pressezentrum, wo ich diese Nacht auch schlafen werde. Denn das Marienfeld wird viel zu voll sein (obwohl es ein riesiges Gelände ist), und meine bisherige Schlafstätte, die Turnhalle, soll heute Nacht geschlossen bleiben.

Messe in vielen Sprachen

Stunden später. Gegen 9 Uhr abends beginnt die Vigil, und der Bereich vor dem Altarhügel ist hoffnungslos überfüllt. Die einzig freien Plätze sind die VIP- und Pressebereiche, in die das Sicherheitspersonal nur Leute mit einer besonderen Zugangsberechtigung lässt.

Es herrscht eine feierliche und besinnliche, aber auch eine euphorische Stimmung während des Gottesdienstes. Der Papst spricht jeden Absatz seiner Rede in einer anderen Sprache. Immer, wenn Benedikt XVI. einen Abschnitt in einer neuen Sprache beginnt, jubeln die Jugendlichen, die ihn verstehen können.

Wieder das gewohnte Verkehrs-Chaos

Am Sonntag um 9 Uhr wurde das Marienfeld für weitere Pilger gesperrt, weil es bereits überfüllt war.

Als die Vigil schließlich über eine Stunde später als geplant vorbei ist, versuchen alle, die nicht auf dem Marienfeld schlafen wollen, möglichst schnell zu den Bussen zu gelangen. Angeblich sollen die Fahrzeuge direkt vor den Eingängen parken. Aber weit gefehlt. Die Polizei hat alle Zufahrts-Straßen gesperrt, und kein einziger Bus ist da. Jeder, egal ob VIP, Journalist oder Pilger, muss eine knappe Stunde laufen, um zu einer Stelle zu kommen, von der die Busse abfahren. Schon wieder das reinste Verkehrschaos! Drei Stunden nach Ende der Vigil, um zwei Uhr nachts, bin ich endlich zurück im Pressezentrum.

Ich habe etwas aus dem Tag gelernt: Das tue ich mir nicht noch mal an! Die Messe am Sonntag werde ich mir zusammen mit vielen anderen Freiwilligen auf einer Leinwand ansehen. So kann ich ausschlafen. Am nächsten Morgen erfahre ich, dass meine Entscheidung richtig war - und das nicht nur, weil das Wetter miserabel ist.

Um 9 Uhr ist das Marienfeld gesperrt worden, weil es hoffnungslos überfüllt ist. Angeblich haben sich über eine Millionen Menschen dort eingefunden. Außerdem muss ich spätestens um drei Uhr den Bus zum Flughafen bekommen. Denn ich will dabei sein, wenn der Papst in sein Flugzeug steigt und zurück nach Rom fliegt.

Weltjugendtag oder Weltpapsttag?

In seinem "Papa-Mobil" sitzend trifft Benedikt XVI. auf dem Marienfeld ein.

Der Hype (engl. Rummel) auf den Papst, den ich in den vergangenen vier Tagen mitbekommen habe, ist unbegreiflich! Seit ich diese unglaubliche Euphorie mitbekomme, stellt sich mir die Frage, ob der Weltjugendtag tatsächlich ein Fest des Glaubens ist, oder einfach nur eine gute Gelegenheit, den Papst einmal "life" zu sehen. Der religiöse Führer wird gefeiert wie ein Popstar, sogar die - in meinen Augen sehr flache - Jugendzeitung "Bravo" hat ein lebensgroßes "Starposter" von Benedikt XVI. veröffentlicht.

Wie denkt ihr darüber? In unserem Forum habt ihr die Möglichkeit, eure Meinung zu sagen. Ich werde am Sonntag versuchen, noch einige Pilger zu fragen, was der Weltjugendtag für sie bedeutet und was für sie wichtiger war: die Stärkung des Glaube oder der ("deutsche") Papst.

Viele Grüße aus Köln sendet euch

eure Julia

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letzte Aktualisierung: 15.08.2009

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