Heinrich von Kleist - Zwischen Genie und Wahnsinn

Der deutsche Schriftsteller nahm sich vor 200 Jahren das Leben

von Britta Pawlak - 20.11.2011

Heinrich von Kleist zählt zu den berühmtesten Schriftstellern der Romantik und Weimarer Klassik. Seine Werke sind heute weltbekannt - unter anderem das Lustspiel "Der zerbrochne Krug" oder die Novellen "Michael Kohlhaas" und "Die Marquise von O…". Kleist führte ein Leben voller Höhen und Tiefen, welchem er am 21. November 1811 durch einen gemeinsamen Selbstmord mit seiner Freundin Henriette Vogel auf tragische Weise ein Ende setzte.

Heinrich von Kleist zählt zu den berühmtesten Schriftstellern der Romantik und Weimarer Klassik - seine Werke ziehen den Leser noch heute in ihren Bann. (Quelle: Wikimedia Commons)

Die Werke des deutschen Schriftstellers Heinrich von Kleist zählen heute zur Weltliteratur und werden auch in der Schule immer wieder gelesen. Kleist führte ein Leben voller Gegensätze. In seinen fesselnden literarischen Texten, die auch die politischen und sozialen Konflikte seiner Zeit widerspiegeln, behandelt er Themen wie Krieg und Politik, Glaube und Gerechtigkeit oder Familie und gesellschaftliche Strukturen.

Heinrich von Kleist wurde am 18. Oktober 1777 in Frankfurt an der Oder als Sohn des Kompaniechefs Joachim Friedrich von Kleist und seiner zweiten Ehefrau Ulrike geboren. Er hatte noch zwei ältere Halbschwestern, die aus erster Ehe des Vaters stammten, sowie zwei ältere Schwestern, einen jüngeren Bruder und eine jüngere Schwester. Kleists Familie war sehr angesehen und gehörte dem Adel an. Heinrichs Vater starb, als der Junge zehn Jahre alt war. Er wurde in Berlin in einer Pension unter der Leitung des Pädagogen und Predigers Samuel Heinrich Catel erzogen und besuchte das französische Gymnasium. Vermutlich war es Catel, der den jungen Kleist dazu anregte, sich schon frühzeitig mit den Werken vieler Dichter und Philosophen der Aufklärung zu beschäftigten.

Eintritt in den Militärdienst

Im Jahr 1800 verlobte Kleist sich mit der Generalstochter Wilhelmine von Zenge. (Quelle: Wikimedia Commons)

Als gerade einmal 15-Jähriger trat Kleist in den Militärdienst - in das Potsdamer Gardenregiment - ein. Im Jahr 1796 nahm er am Rheinfeldzug gegen Frankreich teil und ein Jahr später wurde er zum Leutnant befördert. 1799 trat er freiwillig aus dem Dienst der Armee aus, den er als unerträglich empfand. Gegen den Widerstand seiner Familie entschied sich Heinrich von Kleist für ein Studium der Physik, Mathematik, Staatswissenschaft und Philosophie in Frankfurt an der Oder. Doch das Studium erfüllte ihn nicht wirklich, und er brach es 1800 nach nur drei Semestern wieder ab.

Im selben Jahr hatte er sich auch mit der Generalstochter Wilhelmine von Zenge verlobt. Er begann eine Stelle als Volontär im preußischen Wirtschaftsministerium in Berlin, die ihn jedoch nicht zufriedenstellte. Der junge Kleist befasste sich weiterhin mit Literatur und Philosophie und setzte sich insbesondere mit dem deutschen Denker Immanuel Kant auseinander. Dieser gilt als wichtiger Vertreter der Aufklärung - eine philosophische Richtung, die den menschlichen Verstand in den Mittelpunkt rückte. Doch Kant übte auch Kritik an vereinfachten Vorstellungen der Aufklärung und einer einseitig vernunftorientierten Weltsicht. Kleist geriet immer stärker ins Zweifeln und schrieb 1801 in einem berühmten Brief an seine Verlobte Wilhelmine: "Wir können nicht entscheiden, ob das was wir Wahrheit nennen, wahrhaftig Wahrheit ist oder ob es uns nur so scheint (…) Mein einziges, mein höchstes Ziel ist gesunken, ich habe nun keines mehr."

Leidenschaft fürs Schreiben

Titelblatt der Erstausgabe von "Der zerbrochne Krug" aus dem Jahr 1811 (Quelle: H.-P.Haack)

Kleist reiste nach Paris und Thun in der Schweiz, begann, verschiedene Trauerspiele zu schreiben und sehnte sich immer mehr nach einem ländlichen Leben in der Natur. Es kam zum Bruch mit seiner Verlobten, die nicht mit ihm gemeinsam ein "Bauersleben" führen wollte. In der Schweiz begann Kleist, sein berühmtes Lustspiel "Der zerbrochne Krug" zu schreiben, das 1808 unter der Leitung Goethes in Weimar uraufgeführt wurde. Nach einer erneuten Reise nach Paris kehrte Kleist 1803 nach Deutschland zurück und bemühte sich in Berlin um eine Tätigkeit im diplomatischen Dienst. Ab 1805 arbeitete der junge Autor dann als Beamter in Königsberg und traf dort die inzwischen verheiratete Hermine wieder. Er beendete "Der zerbrochne Krug" und widmete sich weiteren Werken, die heute ebenfalls weltberühmt sind - so das Trauerspiel "Penthesilea" sowie die Erzählungen "Michael Kohlhaas" und "Das Erdbeben in Chili".

Kleist fasste den Entschluss, nicht mehr länger im Staatsdienst zu arbeiten, sondern sich voll und ganz seiner Leidenschaft für das Schreiben zu widmen und als Autor durchzuschlagen. Unter der Herrschaft des französischen Kaisers Napoleon I. war das Heilige Römische Reich Deutscher Nation 1806 aufgelöst worden. Auf dem Weg nach Berlin im Jahr 1807 wurde Kleist von den französischen Behörden als vermeintlicher Spion verhaftet und später in das Kriegsgefangenenlager Châlons-sur-Marne gebracht. Man vermutet, dass er dort die berühmte Novelle "Die Marquise von O…" schrieb. Kleist reiste nach seiner Freilassung nach Dresden, wo er die Romantiker Ludwig Tieck und Caspar David Friedrich sowie den Philosophen Adam Heinrich Müller traf. Mit diesem gab er ab 1808 das Kunstjournal "Phöbus" heraus, in dem er Texte aus seinem schriftstellerischen Werk veröffentlichte.

1808 schloss Heinrich von Kleist das Drama "Die Hermannsschlacht" ab, das von der berühmten Varusschlacht im Jahr neun vor Christus handelt - in dieser wurden drei römische Legionen (also Heereseinheiten) von den germanischen Soldaten unter Arminius vernichtend geschlagen. Als Kleist das Drama schrieb, war er geprägt von den zeitgenössischen Ereignissen zur Zeit der Herrschaft Napoleons I., die zwischenzeitlich weite Teile Europas umfasste. Doch der Widerstand gegen Napoleon Bonaparte wuchs und Kleist engagierte sich verstärkt politisch, um gegen die französische Vorherrschaft und für die "deutsche Freiheit" zu kämpfen.

Das tragische Ende

Kleist-Denkmal von Gottlieb Elster in Frankfurt an der Oder (Quelle: Sicherlich/ Wikimedia Commons)

1809 reiste Heinrich von Kleist wieder nach Berlin und lernte unter anderem die Autoren Achim von Arnim, Clemens Brentano, Joseph von Eichendorff, Wilhelm Grimm und Rahel Varnhagen kennen. Er traf dort auch Henriette Vogel, die eine enge Freundin von ihm werden sollte. Ein Jahr später kam der erste Band seiner Erzählungen heraus und Kleist begann, die "Berliner Abendblätter" zu veröffentlichen. Es handelte sich um eine täglich erscheinende Zeitung mit örtlichen Nachrichten. Doch aufgrund der verstärkten Zensur in den Medien durfte er das Blatt ab 1811 nicht mehr herausgeben.

Kleist geriet in finanzielle Schwierigkeiten, weil sein Schauspiel "Der Prinz von Homburg" auf den Bühnen verboten wurde und er auch keine Stelle im preußischen Staatsdienst erhielt. Er musste aus Geldnot weitere Erzählungen schreiben, die später in einem zweiten Band herausgegeben wurden. Der Autor geriet immer tiefer in eine seelische Krise und hatte vermehrt Gedanken an Selbstmord. Eine Seelenpartnerin stellte für ihn die 31-jährige, an Krebs erkrankte Freundin Henriette Vogel dar, mit der er den gemeinsamen Selbstmord plante. Am 21. November 1811 erschoss der erst 34-jährige vom Leben enttäuschte Autor auf einem Hügel am heutigen Kleinen Wannsee in Berlin erst sie und dann sich selbst.

Ein Leben voller Höhen und Tiefen

Auszug aus dem Abschiedsbrief Kleists (Quelle: Heinrich von Kleist)

"Die Wahrheit ist, daß mir auf Erden nicht zu helfen war", schrieb Kleist in seinem Abschiedsbrief an seine Halbschwester Ulrike. Den gemeinsamen Tod mit einem geliebten Menschen hatte er in seinen Werken geradezu vorweggenommen. Der deutsche Autor galt als empfindsam, leidenschaftlich und haltlos. Unrecht und die "Flachheit" vieler Mitmenschen nahm er sich zu Herzen, immer wieder trieben ihn neue Ideen und Überzeugungen voran und stets aufs Neue warfen ihn Zweifel, Lebensschmerz und Enttäuschungen zurück.

Kleist hat einen eigentümlichen literarischen Stil - in seinen Texten sind häufig ewig lange Sätze aneinandergereiht, die sich über viele Zeilen erstrecken. Einige Passagen wirken geradezu so, als sträube der Autor sich vor dem Schlusspunkt. Typisch für Kleist sind intensive, aber nie langatmige Beschreibungen. Häufig schwanken seine Erzählungen zwischen einem Zustand paradiesischer Harmonie und völliger Hoffnungslosigkeit - so wie in "Das Erdbeben in Chili", in welchem das schreckliche Ende den Leser schockiert: Einige Menschen - unter ihnen zwei Liebende - schöpfen neue Hoffnung, nachdem sie ein schweres Erdbeben überlebt haben. Sie wollen ihre Rettung bei einem Gottesdienst dankbar feiern und werden dann von einer Menschenmenge grausam getötet, die meinen, die Schuldigen für das Erdbeben als "Strafe Gottes" gefunden zu haben.

Im Gegensatz zu den Texten einiger zeitgenössischer Autoren gelten die Schriften Kleists auch heute noch als mitreißend und alles andere als verstaubt. Immernoch ziehen seine Erzählungen, in denen oft dunkle Mächte zu wirken scheinen, den Leser in ihren Bann. Mit Theateraufführungen, Ausstellungen und Lesungen wurde und wird der deutsche Dichter und Dramatiker im Kleist-Jahr 2011 gebührend gefeiert.

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letzte Aktualisierung: 21.11.2011

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