Teil 5: Rückkehr nach 11 Millionen Jahren

Das Kha-Nyou - fünfter Teil der Serie "Geheimnisse der Natur"

Teil 6 von 6

27.04.2006

Auf einem asiatischen Markt bekam Robert J. Timmins im Jahr 2005 ein gegrilltes Nagetier zum Essen angeboten. Irgendetwas kam dem us-amerikanischen Tierforscher jedoch sehr seltsam vor. Und tatsächlich: Der Braten erwies sich als wissenschaftliche Sensation. Denn das "Kha-Nyou" (auch Laotische Felsenratte) ist mit keinem anderen bekannten Geschöpf verwandt, das heute auf der Erde lebt. Man hatte vermutet, dass es vor elf Millionen Jahren ausgestorben ist.

Die Laotische Felsenratte ähnelt äußerlich einem Hörnchen. (Quelle: Eborutta/ Wikimedia Commons)

Das 26 Zentimeter lange Kha-Nyou sieht auf den ersten Blick gar nicht so ungewöhnlich aus. Mit seinem dunkelgrauen Fell, seinen langen Schnurrhaaren und seinem 14 Zentimeter langen, buschigen Schwanz erinnert es an eine Mischung aus einem Eichhörnchen und einer Ratte.

Es lebt im südlichen Laos zwischen zerklüfteten Kalksteinfelsen und kommt vor allem nachts aus seiner Höhle. Die Einheimischen kennen das Nagetier schon lange. Sie schätzen das Kha-Nyou vor allem, wenn es gegrillt ist.

Doch Robert J. Timmins von der Wildlife Conservation Society (WCS) wusste sofort, dass das Kha-Nyou etwas ganz Besonderes ist. Ein solches Tier hatte der Experte nämlich noch nie zuvor gesehen. Timmins gelang es mit Hilfe von einheimischen Jägern, ein Kha-Nyou zu erlegen, das er anschließend im Labor untersuchen konnte. DNA-Vergleiche, Knochen- und Zahnuntersuchungen bestätigten seinen Verdacht: Das Kha-Nyou ist weder mit Hörnchen noch mit Mäusen, Ratten oder anderen lebenden Nagetieren näher verwandt. Daher glaubte Timmins, auf eine völlig unbekannte Tierfamilie gestoßen zu sein.

Wie Lazarus auferstanden von den Toten

Doch er hatte sich geirrt. Die Wahrheit ist allerdings noch viel erstaunlicher. Anfang 2006 hat Mary Dawson vom Carnegie-Museum für Naturgeschichte in Pittsburgh herausgefunden, dass das Kha-Nyou doch Verwandte hat - oder vielmehr hatte. Seine Vorfahren lebten schon vor 32 Millionen Jahren auf der Erde. Das Kha-Nyou und seine ausgestorbenen Verwandten gehören zur Familie der "Diatomyidae". Bislang glaubte man, dass diese Tiere des vor etwa 11 Millionen Jahren ausgestorben sind.

Doch nun ist der vermeintlich urzeitliche Nager plötzlich in der Gegenwart wieder aufgetaucht. Tierforscher nennen so etwas den "Lazarus-Effekt". Das Wort erinnert an eine Geschichte aus der Bibel, in der Jesus den toten Lazarus wieder zum Leben erweckt haben soll. Dieser Vergelich hinkt natürlich gewaltig, da "Diatomyidae" tatsächlich niemals ausgestorben waren. Vielmehr hatte die Wissenschaft schlicht und einfach keine Ahnung von deren Existenz.

Jetzt hoffen die Forscher, dass das Kha-Nyou nicht bald tatsächlich ausstirbt. Denn vermutlich leben nur noch wenige dieser scheuen Tiere in Laos. Wissenschaftler und Naturschützer müssen also schnell verhindern, dass "Diatomyidae" weiterhin gejagt und auf Märkten zum Verzehr angeboten werden.

Hinweis zum Copyright: Die private Nutzung unserer Webseite und Texte ist kostenlos. Schulen und Lehrkräfte benötigen eine Lizenz. Weitere Informationen zur SCHUL-LIZENZ finden Sie hier.

letzte Aktualisierung: 06.10.2011

Wenn dir ein Fehler im Artikel auffällt, schreib' uns eine E-Mail an redaktion@helles-koepfchen.de. Hat dir der Artikel gefallen? Unten kannst du eine Bewertung abgeben.

14 Bewertungen für diesen Artikel

Teil 6 von 6