Libanon: Israelische Soldaten ziehen ab

von Anna Schäfer (Update) - 02.10.2006

Die israelische Armee hat ihre Truppen aus dem Libanon abgezogen. Die letzten Soldaten verließen das Land in der Nacht von Samstag auf Sonntag (1. Oktober). Damit erfüllt Israel einen wichtigen Teil des Waffenstillstandsabkommens. Nun liegt die Verantwortung für den Libanon bei den Vereinten Nationen und der libanesischen Regierung.


Von den über 1.100 getöteten Zivilisten (Nicht-Soldaten) im Libanon sind mehr als ein Drittel Kinder und Jugendliche. (Quelle: Unicef)

Das Waffenstillstandsabkommen, das der Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) in der Nacht zum 12. August beschlossen hatte, beendete die Kämpfe zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah. Das israelische und das libanesische Parlament hatten der "UN-Resolution" (bedeutet "Beschluss der Vereinten Nationen") zugestimmt und sich bereit erklärt, alle Kampfhandlungen einzustellen. Die libanesische Regierung verpflichtete sich, die Hisbollah-Milizen zu entwaffnen. Israel dagegen sicherte zu, seine Soldaten aus dem Libanon abzuziehen.

Die Friedenstruppe UNIFIL der Vereinten Nationen soll nun die Waffenruhe überwachen. Fast 6.000 UN-"Blauhelm-Soldaten" und 15.000 Soldaten der libanesischen Armee sind zurzeit im Süden des Libanon stationiert um zu verhindern, dass die Hisbollah-Milizen Israel erneut angreifen. Auch 2.400 Marinesoldaten der Deutschen Bundeswehr sind im Einsatz. Gemeinsam sollen sie so die Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden schaffen.

Raketen statt Diplomatie

Die Hisbollah verehrt "Märtyrer", die im Kampf gegen Israel gestorben sind. (Quelle: Bertil Videt (GNU Wikipedia))

Nachdem die radikal-islamische "Hisbollah" ("Partei Gottes") am 12. Juli zwei israelische Soldaten in den Libanon verschleppt hatte, kam es zum offenen Krieg. Die Hisbollah wollte die israelische Regierung dazu zwingen, im Tausch gegen die beiden Soldaten einige libanesische Gefangene freizulassen.

Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert ließ sich jedoch nicht auf Verhandlungen ein, sondern griff sofort an. Kampfflugzeuge bombardierten Ziele im Südlibanon und in der Hauptstadt Beirut. Mit Bodentruppen versuchte Israel, den Süden des Libanon, wo die israel-feindliche "Hisbollah" besonders stark und einflussreich ist, unter seine Kontrolle zu bringen. Die radikal-islamische Organisation sollte so weit zurückgedrängt und geschwächt werden, dass sie künftig keine Gefahr mehr für die Israelis darstellt. Außerdem sollten die beiden entführten Soldaten aus der Gewalt der Hisbollah befreit werden, was jedoch nicht gelang.

Die Hisbollah-Kämpfer ließen sich von dem israelischen Angriff nicht beeindrucken und feuerten immer wieder Raketen auf israelische Städte. Besonders die Hafenstadt Haifa war oft Ziel von Angriffen. 43 unschuldige Menschen kamen durch die Raketen der Hisbollah ums Leben.

Viele Kinder unter den Opfern

Im Süd-Libanon sind viele Menschen auf Hilfslieferungen mit Wasser, Nahrungsmitteln und Medikamenten angewiesen. (Quelle: Unicef)

Beide Seiten nahmen kaum Rücksicht auf die zivile Bevölkerung. Besonders auf libanesischer Seite starben erheblich mehr Zivilisten (Nicht-Soldaten) als Hisbollah-Kämpfer. Über 1.100 unbeteiligte Menschen - darunter viele Kinder - sollen nach Angaben von Unicef getötet worden sein. Zudem schätzt die Kinderhilfsorganisation, dass etwa 900.000 Libanesen aus ihrer Heimat flüchten mussten.

Schockiert reagierte die Welt, als am 30. Juli über 28 Menschen bei einem israelischen Raketenangriff auf das südlibanesische Dorf Kana getötet wurden. Die Bewohner hatten im Schutzkeller eines Hauses Zuflucht gesucht, wurden jedoch unter den Trümmern begraben. Mehr als die Hälfte der Opfer waren Kinder.

Viele Menschen sind unmittelbar nach Beginn der Waffenruhe in ihre Dörfer und Städte zurückgekehrt. Doch vielerorts sind die Straßen und Brücken zerstört. Im Südlibanon war die Lage besonders schlimm. Es gab dort keinen Strom mehr, es mangelte an Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten. Hilfsorganisationen versuchen jetzt, die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen. Es wird aber noch Jahre dauern, bis alle Schäden beseitigt sind.

"Partei Gottes" will die Vernichtung Israels

Der Name "Hisbollah" lässt sich mit "Partei Gottes" übersetzen. Die Hisbollah ist jedoch nicht nur eine Partei, die seit 1992 im libanesischen Parlament vertreten ist und derzeit sogar zwei Minister der Regierung stellt. Sie ist zugleich auch eine Hilfs-Organisation, die insbesondere im Süden des Landes mehrere Krankenhäuser betreibt. Außerdem ist sie ein radikal-islamischer Kampf-Verband (eine so genannte "Miliz").

Uns erscheint diese Kombination aus Hilfs- und Gewalt-Organisation vielleicht seltsam. Sie erklärt sich jedoch aus ihrer Geschichte. Indem sie Schulen, Waisen- und Krankenhäuser baut, will die "Hisbollah" erreichen, dass das Volk sie in ihrem Kampf gegen Israel unterstützt. Gegründet wurde die Hisbollah 1982, als sich mehrere schiitische Gruppen zusammengeschlossen haben.

Kampf gegen israelische Besatzer

Die Kinder im Libanon litten am meisten unter dem Krieg. (Quelle: Unicef)

Das Ziel der Hisbollah war von Anfang an, sich den israelischen Besatzungstruppen zu widersetzen. Ähnlich wie heute, war das israelische Militär auch damals in den Süd-Libanon einmarschiert. Dort wollte es die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) bekämpfen, die ihren Hauptsitz in der libanesischen Hauptstadt Beirut hatte und von dort aus Anschläge auf israelische Soldaten geplant haben soll.

In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu Kämpfen zwischen der Hisbollah und den israelischen Truppen. Dabei soll die "Partei Gottes" von der iranischen und der syrischen Regierung unterstützt worden sein. Durch den Widerstand gegen die israelischen Besatzungstruppen stieg das Ansehen der Hisbollah in der Bevölkerung immer weiter. Als sich Israel im Jahr 2000 wieder aus den süd-libanesischen Gebieten zurückzog, feierte die Hisbollah dies als ihren größten Erfolg.

Hisbollah übernimmt die Kontrolle

Ehud Olmert ließ sich nicht auf Verhandlungen mit der Hisbollah ein. (Quelle: Antônio Milena/ABr)

In den ehemaligen Besatzungszonen wurde die Hisbollah besonders mächtig und übernahm dort auch Aufgaben, die normalerweise nur der Staat ausführen darf. Statt der Polizei sorgten zum Beispiel bewaffnete Hisbollah-Milizen für Ruhe und Ordnung. Der Kampf gegen Israel war für die "Partei Gottes" nach dem Rückzug des südlichen Nachbarn noch nicht vorbei. Ihr Führers Sayyid Hassan Nasrallah hat gesagt, dass er Israel zerstören und alle Juden aus der Region vertreiben will.

Ohne dafür die Erlaubnis der Staatsregierung zu besitzen, hat die Hisbollah deshalb immer wieder Raketen in Richtung Israel geschossen. Einige Staaten, wie zum Beispiel die USA und Israel, betrachten die Hisbollah daher nicht als politische Partei, sondern als "Terror-Organisation". Die Vereinten Nationen hatten die libanesische Regierung mehrfach dazu aufgefordert, die "Partei Gottes" zu entwaffnen. Doch dazu war sie offenbar gar nicht in der Lage.

Militärisch geschwächt, moralisch gestärkt

Der sechsjährige Ibraheem Abu Oda in den Trümmern des Hauses seiner Eltern. (Quelle: Unicef)

In den vergangenen Monaten hatte sich die Lage in Nahost immer weiter zugespitzt. Der iranische Präsident, Mahmud Ahmadinedschad, hatte Öl ins Feuer gegossen, indem er forderte, dass Israel von der Landkate ausradiert werden müsse. Kurz darauf gewann die radikal-islamische Hamas die Wahlen in Palästina. Der Konflikt zwischen Israel und dem Libanon entflammte schließlich neu, als am 12. Juli Angehörige der Hisbollah zwei israelische Soldaten in den Libanon verschleppten.

Israel hatte der libanesischen Regierung vorgeworfen, dass sie die Raketenangriffe der Hisbollah und die Entführungen nicht verhindert habe. Mit seinen Aktionen schwächte das hoch überlegene israelische Militär jetzt zwar die Kampfeinheiten der Hisbollah. Gleichzeitig sorgte die Regierung Olmert aber auch dafür, dass die "Partei Gottes" in der libanesischen Bevölkerung mehr Rückhalt und Anerkennung fand.

Das Leid, das die Menschen durch die Angriffe der israelischen Armee erfahren haben, schürt den Hass auf Israel. Selbst Menschen, die keine radikalen Islamisten sind und vor dem Krieg nichts mit der Hisbollah zu tun haben wollten, haben diese möglicherweise im Kampf gegen ihren Nachbarn unterstützt. Zum Glück scheint es so, als drehe sich die Spirale der Gewalt jetzt nicht mehr so schnell. Allerdings ist es auch nach Beginn der Waffenruhe schon zu einigen Gewalttätigkeiten gekommen. Die Hisbollah hat zudem angekündigt, dass sie sich nicht freiwillig entwaffnen lassen will.

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letzte Aktualisierung: 15.08.2009

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