von Andreas Fischer und Britta Pawlak - 23.05.2007
Am vergangenen Wochenende starben bei einem Selbstmordattentat drei in Afghanistan stationierte Bundeswehrsoldaten und acht Zivilisten. Die radikal-islamischen Taliban bekannten sich zu dem Anschlag. Der Zustand im Land bleibt kritisch, und immer wieder kommt es auch zu Opfern innerhalb der Zivilbevölkerung. Erneut ist die Debatte über die Militäreinsätze der Isaf und die Krisensituation in Afghanistan entbrannt.
Am Mittwoch (23. Mai) fand die Gedenkfeier für die drei in Afghanistan gefallenen Bundeswehrsoldaten statt. Neben Angehörigen der Opfer nahmen auch der Generalinspekteur der Bundeswehr und die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Hessen und Schleswig-Holstein teil. Diese Bundesländer waren die jeweilige Heimat der drei Soldaten. Auf dem Militär-Flughafen in Köln würdigte Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung ihren Einsatz. Er sprach den Angehörigen sein Mitgefühl aus und gedachte auch der Zivilopfer ("zivil" heißt: "nicht militärisch").
Die drei deutschen Soldaten, die in Afghanistan stationiert waren, kamen am vergangenen Wochenende bei einem Selbstmordattentat auf einem Markt der Stadt Kunduz in Nordafghanistan ums Leben. Bei dem Anschlag starben auch acht afghanische Zivilisten, und es gab viele Verletzte. Die islamistischen Taliban-Milizen bekannten sich anschließend zu dem Attentat.
Der Anschlag löste nun eine erneute Debatte über die Einsätze in Afghanistan aus. Die deutschen Soldaten sind überwiegend im Norden des Landes stationiert, um sich hauptsächlich an Wiederaufbaumaßnahmen zu beteiligen. Bisher galt diese Region als relativ sicher. Allgemein ist die Sicherheitslage in Afghanistan allerdings kritisch. Immer wieder werden Anschläge verübt, bei denen auch viele Zivilisten sterben. Zum einen geraten die internationalen Einsätze in Afghanistan zunehmend in Kritik, weil sich die kritische Situation im Land kaum verbessert hat, zum anderen fürchtet man um die Sicherheit der Soldaten.
Geschönte Berichterstattung über die Isaf-Einsätze?
Ebenso werden die Einsätze der Isaf scharf kritisiert, weil sie zahlreiche Opfer - auch in der Zivilbevölkerung - fordern. Viele Menschen in Afghanistan sehen in den US- und Isaf-Truppen keineswegs ihre "Befreier", die das Land unterstützen. Es wird berichtet, dass die Soldaten den Krieg mit immer größerer Brutalität führen, immer wieder sterben bei ihren Einsätzen Zivilisten - darunter auch Kinder. Nicht der Schutz der dort lebenden Menschen, sondern vor allem der "Kampf gegen den Terrorismus" würde für sie an oberster Stelle stehen. Ebenso Angehörige der deutschen Bundeswehr sind an militärischen Einsätzen beteiligt, nicht nur am Wiederaufbau des Landes. Der Vorwurf wird lauter, dass die internationalen Militäreinsätze in den Medien sehr einseitig und gefärbt dargestellt werden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte dennoch, dass sie den Einsatz von Soldaten und zivilen Helfern weiterhin für entscheidend halte. Vor allem Politiker der Linkspartei dagegen üben heftige Kritik an den Militäreinsätzen in Afghanistan.
Was sind die Aufgaben der Isaf?
Die Abkürzung "Isaf" steht für "International Security Assistance Force". Sie ist also die "Internationale Sicherheitsunterstützung" in Afghanistan. Zur Truppe gehören im Moment rund 20.000 Soldaten aus 37 Nationen. Sie soll die afghanische Regierung beim Wiederaufbau des Landes unterstützen und für Sicherheit sorgen. Die Isaf ist jedoch keine friedenssichernde Blauhelm-Truppe. Sie ist eine Schutztruppe freiwilliger Soldaten, die vom UN-Sicherheitsrat genehmigt wurde. Die Mitgliedsstaaten beteiligen sich finanziell und tragen eine Mitverantwortung. Die NATO, das Verteidigungsbündnis westlicher Staaten, trägt die Führungsrolle der Isaf.
Die Isaf hat im Dezember 2001 ihren Einsatz unter britischem Kommando aufgenommen. Zunächst waren die Soldaten nur in Kabul, der Hauptstadt von Afghanistan, stationiert. Inzwischen wurde das Einsatzgebiet aber auf andere Teile des Landes ausgeweitet. Im September beschloss die NATO, die Mission auch auf den Osten Afghanistans auszudehnen. Die Truppenstärke soll demnächst durch US-Soldaten der "Operation Enduring Freedom (bedeutet "Operation zur langfristigen Erhaltung der Freiheit") auf 30.000 erhöht werden. Diese im Oktober 2001 begonnene US-Operation hat zum Ziel, Terroristen zu bekämpfen und zu verurteilen sowie Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten.
Ursachen für die Krise in Afghanistan
Afghanistan liegt in Zentralasien und hat rund 30 Millionen Einwohner. Fast alle Afghanen sind Muslime. Lange Zeit waren in Afghanistan die radikal-islamischen Taliban-Milizen an der Macht. Der Islamismus betrachtet westliche Wertevorstellungen als Inbegriff der Unmoral. Die "Verwestlichung" der islamischen Länder wird dabei als "Grund allen Übels" angesehen. Er kämpft auf radikale Weise gegen die "Ungläubigen" und für die ursprünglichen Traditionen und Werte des Islams. Endziel ist es, einen islamistischen Weltstaat zu schaffen.
Die Taliban-Regierung gewährte Mitgliedern von Terrororganisationen Unterschlupf. Es gab keine freien Wahlen, Frauen hatten unter dem strengen Regime so gut wie keine Rechte. Es war ihnen verboten, Ausbildungs- und Arbeitsstellen anzunehmen und sie durften sich in der Öffentlichkeit nur komplett verhüllt in einer so genannten "Burka" zeigen. Verstöße gegen die Regeln wurden hart geahndet - mit körperlichen Verstümmelungen oder sogar der Todesstrafe. Während des afghanischen Bürgerkriegs besetzten ab 1979 sowjetische Truppen das Land. Erst nach zehn Jahren Krieg und Besatzung zogen die Sowjets nach Vermittlungen der UNO ihre Truppen zurück. Es gab auf der afghanischen Seite weit über eine Millionen Tote. Insgesamt herrschten in Afghanistan mehr als 22 Jahre lang Krieg und Bürgerkriege.
Anschläge am 11. September und Suche nach Bin Laden
Am 11. September 2001 kamen in den USA fast 3.000 Menschen ums Leben, nachdem mehrere Flugzeuge entführt und zum Absturz in die beiden Türme des World Trade Centers und das Pentagon gebracht wurden. Die NATO rief daraufhin den Bündnisfall aus. Man vermutete, dass die Verbrecher-Organisation Al Qaida hinter den Anschlägen steckte. Später tauchte ein Video auf, in dem sich ihr Gründer, Osama Bin Laden, zu den Terroranschlägen bekennt.
Eigentlich wird der Bündnisfall ausgerufen, wenn ein NATO-Staat angegriffen wird und man es als Notwendigkeit ansieht, sich selbst oder das Bündnis zu verteidigen. Dies soll dazu dienen, die Sicherheit im Land (und im gesamten transatlantischem Gebiet) wiederherzustellen. Es wird nach wie vor bezweifelt, ob dieses Recht auf Selbstverteidigung nach dem 11. September überhaupt gegeben war.
Seit den verheerenden Anschlägen sind die USA auf der Suche nach Osama Bin Laden, dem "Anführer der Terroristen". Die US-Regierung führt seitdem mit Härte den "Kampf gegen den Terror". Präsident George W. Bush erklärte jedes Land zum Feind, das die USA nicht in diesem Kampf unterstütze. Er vermutete, dass sich Bin Laden in Afghanistan versteckt hält. Bislang konnte man ihn jedoch nicht finden.
Bündnis-Krieg und Sturz des Taliban-Regimes
Die Kampfhandlungen der Allianz (bezeichnet das Militärbündnis) unter US-Führung begannen im Oktober 2001 mit Luftangriffen auf Kabul. Zwei Monate später endete die Hauptphase des Krieges, nachdem Kabul und die Provinzhauptstädte Kandahar und Kunduz gefallen waren. Das Taliban-Regime wurde gestürzt.
In der darauf folgenden Übergangsregierung setzten die USA und ihre Verbündeten Hamid Karsai als vorläufigen Präsidenten ein. Doch der Streit zwischen unterschiedlichen Stämmen und Völkern ging weiter, der radikale Kampf der Taliban-Milizen entbrannte erneut - und eine friedliche Lösung lag in weiter Ferne. Der Einsatz der NATO wurde zunehmend kritischer gesehen. Die Situation der Einwohner Afghanistans hat sich nach dem amerikanischen Eingriff und den Isaf-Einsätzen kaum verbessert.
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