06.11.2007
In Pakistan herrscht Ausnahmezustand: Präsident Pervez Musharraf hat eine neue, vorläufige Verfassung an die Stelle der bisher gültigen von 1973 gesetzt. Nun haben die obersten Richter im Land keine Entscheidungsbefugnis mehr. Die Medien dürfen nicht mehr frei berichten - Radio, Fernsehen und Zeitungen nur das veröffentlichen, was der Staat zulässt. Damit ist die für eine Demokratie wichtige Pressefreiheit gebrochen. Die für Anfang 2008 geplante Parlamentswahl hat die Regierung auf unbestimmte Zeit verschoben.
Am Samstag (3. November) hat der pakistanische Präsident Musharraf den Ausnahmezustand verhängt und die Verfassung außer Kraft gesetzt. Einen Tag später hätte das Oberste Gericht in Pakistan eigentlich verkündet, ob die Wiederwahl des Präsidenten und seine doppelte Funktion als Staatschef und Chef der Armee gegen die Verfassung verstoßen. Sein Amt als Präsident war bedroht. Der entlassene Oberste Richter Iftikhar Chaudry gilt als größter Rivale von Musharraf. Sein Nachfolger dagegen ist ein Vertrauter des Präsidenten.
Inzwischen geht die pakistanische Polizei rücksichtslos gegen Kritiker von Musharraf vor. Hunderte Parteianhänger, die eine andere politische Meinung vertreten, wurden bereits verhaftet. Mit Knüppeln schlägt die Polizei Demonstranten nieder, die gegen den Ausnahmezustand protestieren. Am Montag gingen viele Rechtsanwälte auf die Straßen, um zu demonstrieren. Es gab Verletzte und zahlreiche Verhaftungen. Journalisten, die sich nicht an das Verbot der freien Berichterstattung halten, werden festgenommen oder müssen mit sehr hohen Geldstrafen rechnen. Ihre Computer werden eingezogen, Telefone beschlagnahmt.
Zerbrechliche Demokratie
Präsident Musharraf hat die Verhängung des Ausnahmezustandes damit begründet, dass das Oberste Gericht seinen Wahlsieg vor wenigen Wochen noch immer nicht bestätigt hat. Außerdem beschuldigt er die pakistanischen Gerichte, die Freilassung von 61 Terroristen veranlasst zu haben. Mit dem Ausnahmezustand konnte Musharraf die bevorstehende Gerichtsentscheidung, durch die sein Amt als Präsident gefährdet war, verhindern.
Nach der im Jahr 1973 erlassenen, bisher mehrfach geänderten Verfassung hat die Islamische Republik Pakistan eine demokratische Staatsform. Eine wirklich stabile Demokratie konnte sich allerdings nicht entwickeln. Der Islam ist Staatsreligion. Der Präsident wird laut Verfassung von einem Wahlgremium auf fünf Jahre gewählt. Dieses besteht aus den beiden Bundesparlamenten und den Regionalparlamenten der vier Provinzen. Der Präsident verfügt über einige Sonderrechte. So kann er jederzeit die Nationalversammlung auflösen und besitzt den Oberbefehl über die Streitkräfte. Pervez Musharraf kam 1999 durch einen Staatsstreich an die Macht. Die Verfassung wurde damals außer Kraft gesetzt und das Parlament aufgelöst.
Fragwürdiger Verbündeter
Seit 2002 war die Verfassung schrittweise wiederhergestellt worden. Im selben Jahr fanden dann wieder reguläre Parlamentswahlen statt. Allerdings waren im Vorfeld der Wahl die im Land beliebten Politiker Benazir Bhutto und Nawaz Sharif Wahl ausgeschlossen worden, andere Kandidaten wurden stark benachteiligt. Der Wahlkampf wurde eingeschränkt.
2004 schuf Musharraf den Nationalen Sicherheitsrat unter seinem Vorsitz. Der Sicherheitsrat kann den Ausnahmezustand verhängen. Die USA machten Pervez Musharraf zu einem ihrer engsten Verbündeten im Kampf gegen den Terrorismus. Pakistan ist das Nachbarland von Afghanistan und dient islamistischen Taliban-Kämpfern immer wieder als Rückzugsgebiet. Laut der Zeitung "Washington Post" erhielt Pakistan in den vergangenen sechs Jahren fast elf Milliarden Dollar von den Vereinigten Staaten.
Die USA prüfen jetzt die Fortführung der finanziellen Unterstützung. Pakistan ist eine Atommacht - seit 1998 besitzt das Land nach eigenen Angaben Atomwaffen. Das Land hat den internationalen Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet. Darin haben sich Staaten geeinigt, Kernwaffen nicht in einem Krieg einzusetzen oder an andere weiterzugeben. Der internationale Druck auf Musharraf wächst. Viele Länder kritisierten das Vorgehen des pakistanischen Präsidenten scharf. Pakistan wurde angedroht, zugesagte Gelder zu streichen.
Mehr Hintergrundinformationen über das Land Pakistan findest du in unserem Artikel "Indien und Pakistan: 60 Jahre Unabhängigkeit", der unten verlinkt ist.
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