Iran nach den Präsidentschaftswahlen

Unzufriedenheit mit dem politischen System führt zu Protesten

von Björn Pawlak - 20.06.2009

Im Iran haben die Präsidentschaftswahlen stattgefunden. Der Amtsinhaber, Präsident Mahmud Ahmadinedschad, ist aus diesen Wahlen als deutlicher Sieger hervorgegangen. Die Anhänger des Gegenkandidaten Hossein Mussawi und Gegner des Regimes wollen das Ergebnis nicht anerkennen und unterstellen Wahlbetrug. Vor allem in der Hauptstadt Teheran, aber auch in anderen iranischen Städten, ist es teilweise zu schweren Unruhen gekommen. Tausende von Menschen kamen im Verlauf der Woche Tag für Tag in Teheran bei Demonstrationen zusammen.

Im Amt bestätigt: Präsident Ahmadinedschad hat offiziellen iranischen Angaben zufolge die Präsidentschaftswahlen mit über 60 Prozent Stimmenanteil gewonnen. (Quelle: Wikipedia)

Viele Iraner wollen wahrscheinlich weder den einen noch den anderen Kandidaten, sondern sind mit dem herrschenden politischen System der iranischen Republik unzufrieden. Deswegen gehen sie auf die Straße und geben ihrem Unmut Ausdruck. Im Iran sind Demonstrationen in den letzten Jahrzehnten vom Staat und seinen Eingreiftruppen oft blutig aufgelöst worden.

Vor 30 Jahren wurde im Iran die Monarchie abgeschafft - damals hatten sich unterschiedlichste Gruppierungen zusammengetan, um das unterdrückerische Regime des "Schahs von Persien" ("Schah" ist das persische Wort für "König"), Mohammed Reza Pahlavi, zu Fall zu bringen ("Iranische Revolution").

Als Führerfigur der Revolution entpuppte sich damals das religiöse Oberhaupt, der "Ajatollah" Ruhollah Musavi Chomeini - "Ajatollah" ist ein religiöser Titel des schiitischen Islam. Nach dem Sturz des Schahs im Jahr 1979 entschieden sich die Iraner durch einen Volksentscheid für die Errichtung der noch heute bestehenden "Islamischen Republik".

1979 - Jahr der Iranischen "Islamischen" Revolution

Träger des eigentlich höchsten Staatsamts des "Revolutionsführers" ist der "Ajatollah" Chamenei. Er repräsentiert die herrschende geistliche Oberschicht des Iran. (Quelle: Wikipedia)

Im Rahmen dieser Staatsform ist die wichtigste Autorität des Staates der auf Lebenszeit gewählte "Revolutionsführer": damals der Ajatollah Chomeini, heute der Ajatollah Ali Chamenei. Der Revolutionsführer wiederum ernennt den so genannten "Wächterrat", der auf die Einhaltung der islamischen Prinzipien - etwa bei der Gesetzgebung durch das Parlament - aufpassen soll.

Dieses politische System war anfangs von den Iranern mehrheitlich erwünscht. Doch im Verlauf der Jahre wurden die persönlichen Freiheitsrechte der Menschen stark beschnitten. Die Unterdrückung durch das Regime hat bei vielen Iranern den Wunsch nach einem politischen Umsturz geweckt. Dieser Wunsch ist nicht neu und hat schon zu sehr viel Gewalt und Gegengewalt geführt.

Schlechte Erfahrungen mit "Einmischung" aus dem Ausland

Einst war Mohammad Mossadegh der politische Hoffnungsträger im Iran. Er wurde im Jahr 1953 mit Hilfe des US-amerikanischen Geheimdienstes "CIA" gestürzt. (Quelle: Wikipedia)

Damals vor 30 Jahren war die "antiwestliche" (also gegen den Westen eingestellte) Politik des Ajatollah Chomeini beim Volk beliebt, denn der gestürzte Schah hatte das Land zuvor kaum zum Wohle der eigenen Bevölkerung regiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte der beim Volk beliebte damalige Premierminister Mohammad Mossadegh die Ölindustrie des Landes verstaatlicht, um die iranische Bevölkerung an dem Geschäft mit dem Rohstoff zu beteiligen und den Wohlstand im eigenen Land zu fördern. Zuvor hatte das britische Unternehmen "BP" ("British Petroleum") das Ölgeschäft im Iran beherrscht und sich dabei geweigert, die Gewinne aus dem Ölgeschäft mit dem iranischen Staat angemessen zu teilen.

Der Weg zu staatlicher und eben auch wirtschaftlicher Unabhängigkeit durch Mossadegh wurde aber durch die Geschäftsinteressen der ausländischen Vertreter vereitelt - zunächst durch einen internationalen "Boykott" (das bedeutet "Verweigerung") des iranischen Öls, was zu einer Wirtschaftskrise im Iran führte. Als das nicht half, wurde durch einen vom US-amerikanischen Geheimdienst "CIA" ("Central Intelligence Agency") organisierten "Putsch" (also einen gewaltsamen Sturz) Mossadegh entmachtet und dafür der "US-amerikafreundliche" Schah Mohammed Reza Pahlavi an die Spitze des Staates gebracht. Dies wurde bekannt als "Operation Ajax". In diesen Entwicklungen liegt die feindliche Haltung vieler Iraner gegenüber dem Westen begründet. Sie trugen zur späteren Beliebtheit der Verfechter des islamischen und antiwestlich geprägten "Gottesstaates" bei.

Weder Ahmadinedschad noch Mussawi stellen politisches System in Frage

1979 lehnte sich das iranische Volk gegen die Monarchie auf und stürzte den "Schah". Der neu gegründeten "Islamischen Republik" stand "Ajatollah" Chomeini vor. (Quelle: Wikipedia)

Ajatollah Chomeini und seine Bewegung rissen nach dem erfolgreichen Aufstand gegen den Schah alle Macht an sich. Viele Menschen fragten sich bald, ob ihr Widerstand sich gelohnt hatte, da doch nun die Unfreiheit vieler Iraner noch zugenommen hatte. Chomeini ließ in den frühen 1980er-Jahren die innerstaatlichen Widerstandsgruppen auflösen, viele ihrer Mitglieder wurden hingerichtet. Einen Bruch mit dem politischen System wagte bald keiner mehr. Auch die "Reformer", zu denen sich der Gegenkandidat der aktuellen Wahlen Mussawi zählt, wollen nicht die Abschaffung des islamischen Rechts. ("Reform" bedeutet "Umgestaltung".) Insofern rütteln die Wahlen auch nicht an der Macht der geistlichen Obrigkeit und an den diktatorischen Strukturen. Es gibt im Iran überhaupt keinen "rechtmäßigen" Weg, diese herrschende geistliche Oberschicht der "Mullahs" - das sind die schiitischen Geistlichen - zu entmachten. Entschiedene Gegner des politischen Systems werden vom "Wächterrat" überhaupt nicht zu den Wahlen zugelassen - dieser Rat prüft, ob das Programm eines Kandidaten mit der Verfassung des "Gottesstaates" vereinbar ist.

Direkter Vorgänger von Ahmadinedschad als iranischer Präsident war der "Reformer" Mohammad Chatami (1997 bis 2005). Ahmadinedschad setzte sich bei seiner ersten Wahl zum Präsidenten des Iran vor vier Jahren gegen den Kandidaten der "Reformer" Ali Rafsandschani durch, der zuvor (1989 bis 1997) fast zehn Jahre lang Präsident des Iran gewesen war. Auch heute nimmt Rafsandschani als mutmaßlich reichster Mann Irans und Schlüsselfigur des inneren Machtkampfes großen Einfluß auf die Politik des Landes. Der damalige Herausforderer Ahmadinedschad warb vor allem für eine Lösung der Probleme der ärmeren Iraner wie Arbeitslosigkeit und Hunger. Auch bei den diesjährigen Wahlen ist es vor allem die ärmere und ländliche Bevölkerung, die Ahmadinedschad ihre Stimme gab. Die obere Mittelschicht und die Studenten, also vor allem wohlhabendere Iraner, stimmten eher für Mussawi. Insgesamt sind bei den Präsidentschaftswahlen neben Ahmadinedschad und Mussawi noch zwei weitere Kandidaten angetreten, denen allerdings keinerlei Chancen eingeräumt wurden.

Kritik am iranischen "Atomprogramm"

Wandgemälde einer Frau mit Kopftuch: Die strenge Kleiderordnung für Frauen gilt seit der Islamischen Revolution, die die Einführung von "Sittengesetzen" mit sich brachte. (Quelle: Wikipedia)

Im Ausland wird vor allem die Atompolitik unter Präsident Ahmadinedschad kritisch gesehen, weil man befürchtet, dass der Iran unter seiner Führung in den Besitz der Atombombe gelangen will. Ahmadinedschad hingegen - und mit ihm viele Iraner - fordern das Recht auf die zivile (also nichtmilitärische) Nutzung der Atomenergie ein. Der Iran will die Atomenergie nach eigenen Angaben nur zur Erzeugung von Strom nutzen. Allerdings gibt es wohl ein strategisches Interesse der "Regionalmacht" Iran, mittelfristig auch selbst in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen.

Noch jüngst im Rahmen seines eigenen Wahlkampfs drohte auch der US-amerikanische Präsident Barack Obama, wie zuvor schon sein Amtsvorgänger George W. Bush, dass die Möglichkeit eines Militärschlags gegen den Iran "nicht vom Tisch" sei. Zuletzt - zum Beispiel bei seiner "Kairoer Rede" - stimmte Obama dann jedoch gemäßigtere Töne an. Er brachte zum Ausdruck, dass er eine friedliche Lösung und "direkte Gespräche" mit der iranischen Regierung anstrebt. Von Mussawi hätte man erwartet, dass er bei einem Wahlsieg eher bereit gewesen wäre zu "Verhandlungen" mit dem Westen als Ahmadinedschad. Viele westliche Regierungen haben auch deshalb enttäuscht auf den Ausgang der Wahlen reagiert.

Chamenei bestätigt das Ergebnis, der Protest geht weiter

Nach der Wiederwahl von Ahmadinedschad gingen so viele Demonstranten auf die Straßen, wie seit 30 Jahren nicht mehr (hier ein Bild von damals). Könnte es wieder zu einer Revolution kommen? (Quelle: Wikipedia)

Im Moment ist die Lage im Iran angespannt und es lässt sich noch kaum sagen, was passieren wird. Staatsoberhaupt Chamenei wies eine Woche nach den Wahlen den Vorwurf des Wahlbetrugs zurück und verwies auf das deutliche Ergebnis zugunsten von Ahmadinedschad. Er forderte alle Iraner auf, das Ergebnis der Wahlen zu akzeptieren und verlangte nach einem Ende der öffentlichen Kundgebungen und Proteste, die dem Ansehen des Staates "Schaden" zufügen würden. Unterdessen spielen sich auf den Straßen der großen Städte tumultartige Szenen ab. Besonders am Anfang und am Ende der Woche gab es bei den Unruhen Verletzte und auch Tote.

Nach Berichten von Augenzeugen setzten die Sicherheitskräfte Wasserwerfer und Tränengas ein und teilten Schläge aus. Mehrere Menschen starben durch Schüsse bei den Demonstrationen am Montag - im iranischen Staatsfernsehen hieß es, die sieben erschossenen Menschen hätten zuvor versucht, eine militärische Einrichtung anzuzünden. Andere Quellen berichten von weiteren getöteten Demonstranten. Teilweise kam es zusätzlich zu den Zusammenstößen mit den staatlichen Sicherheitskräften auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern von Ahmadinedschad einerseits und Mussawi andererseits.

Im Fernsehen konnte man zwar Bilder von den Demonstranten sehen, die vermeintlichen gewaltsamen Eingriffe von Polizei und Sicherheitskräften oder auch von Demonstranten gegeneinander sah und sieht man nicht. Die iranische Zensur filtert grundsätzlich das Material und hat zudem eine Pressesperre verhängt. Im Iran sind außerdem Teile des Internets gesperrt. ("Zensur" heißt die Kontrolle durch den Staat oder durch eine entsprechende Ordnung, um kritische und unerwünschte Inhalte zu unterdrücken.) Die freie Berichterstattung der ausländischen Presse ist beeinträchtigt, so haben die iranischen Behörden den Dreh auf offener Straße im Augenblick untersagt. Im Verlauf der Woche verliefen die Massendemonstrationen wohl größtenteils friedlicher. Die Lage hat sich jedoch noch nicht wirklich beruhigt und jeden Tag versammeln sich erneut Menschen. Selbst wenn sich die Situation in den nächsten Tagen entschärfen sollte, wird die unterschwellige Spaltung innerhalb der iranischen Gesellschaft weiterhin bestehen.

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letzte Aktualisierung: 11.02.2011

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