Drohende Umweltkatastrophe: Wird die Ostsee sterben?

Politiker beraten in Helsinki über die Rettung des Binnenmeeres

von Britta Pawlak - 10.02.2010

Die Ostsee ist in großer Not: Das Wasser stinkt zunehmend, es bilden sich giftige Algenteppiche und viele Meeresbewohner verenden. Bereits ein Sechstel der Fläche ist tot. Dringend müssen neue Regelungen den erheblichen Umweltproblemen entgegenwirken. Intensive Düngung und Fischerei, aber auch die Abgabe vieler Schadstoffe, müssen eingedämmt werden. Die Regierungen der betroffenen Länder wollen aus eigenen Interessen immer wieder Lockerungen durchsetzen. Auf einem eintägigen Gipfel haben Politiker nun über Maßnahmen zur Rettung der Ostsee beraten.

Das Leben in der Ostsee ist bedroht: In vielen Gebieten haben sich bereits riesige Algenteppiche gebildet. (Quelle: Pixelio )

Am Mittwoch (10. Februar) haben sich die Staats- und Regierungschefs der Ostsee-Anrainerstaaten - das sind die an der Ostsee liegenden Länder - zu einem eintägigen Gipfel in Helsinki getroffen, um über Maßnahmen zur Rettung des Binnenmeeres zu beraten. Dort haben die Regierungen sowie Unternehmen, Institute und Stiftungen Selbstverpflichtungen veröffentlicht, die zur Entlastung der verschmutzen Ostsee beitragen sollen.

Umweltschutzorganisationen halten die Ergebnisse des Gipfeltreffens jedoch noch lange nicht für ausreichend und fordern nachhaltige und für alle verbindliche Regelungen. Streitpunkt ist zudem der geplante Bau einer Gaspipeline (Rohrleitung für Erdgas) zwischen Russland und Deutschland, in welchem Umweltschützer eine neue Belastung für das ohnehin stark gefährdete Gewässer sehen.

Fest steht, dass die Ostsee (auch "Baltisches Meer" genannt) allmählich zu einem "toten Meer" wird, wenn nicht schnell etwas getan wird, um das Leben in ihr zu schützen. Bereits ein Sechstel der Meeresfläche ist tot, aufgrund der Sauerstoffarmut ist dort kein Leben mehr möglich. In Zahlen sind also etwa 70.000 von der 413.000 Quadratkilometer großen Ostsee davon betroffen - das entspricht einer Fläche, die in etwa so groß ist wie das Bundesland Bayern.

Empfindliches Ökosystem

Die Abgase der vielen Schiffe gelangen in großen Mengen ins Meer. In bestimmten Ostsee-Gebieten müsste die Schifffahrt stark eingeschränkt oder ganz verboten werden. Bild: Öltanker (Quelle: Klaas Hartz | Pixelio.de)

In diesem Gebiet, das sich immer weiter vergrößert, findet man keine Fische mehr. Auch andere Meerestiere sind verdrängt worden. Nur noch Algen und Bakterien, die das Bodenmaterial zersetzen und dem Wasser den Sauerstoff entziehen, haben sich hier angesiedelt. Auch in anderen Ostsee-Regionen gibt es mittlerweile kaum noch Fische und weitere Tierarten sind bedroht.

Das Problem ist schon lange bekannt. Die Ostsee ist ein sehr empfindliches Ökosystem, denn ihr Wasser erneuert sich viel langsamer als das anderer Meere. Der Grund dafür ist, dass das Gewässer recht flach und von den Weltmeeren "abgeschottet" ist. Die Ostsee ist ein Binnenmeer, was bedeutet, dass das Gewässer nur durch eine schmale Meerenge mit anderen Ozeanen und Meeren verbunden ist. Bisher haben Eigeninteressen der einzelnen Staaten immer wieder verhindert, dass einheitliche Regelungen zur Rettung des Meeres durchgesetzt werden konnten. Diese fürchten nämlich Nachteile und wirtschaftliche Einbußen.

Gift und Gestank an der Ostseeküste

Bewohner an der Ostsee beklagen den zunehmenden Gestank an den Küsten. Durch giftige Algen, die angeschwemmt werden, verenden sogar Hunde. (Quelle: Ute Bibow / pixelio.de)

Viele Menschen, die an der Ostsee wohnen, beschweren sich zunehmend darüber, dass das Meer nach Abfluss riecht - gerade in den warmen Sommermonaten. Nimmt man eine Wasserprobe vom Boden der sauerstoffarmen, toten Gebiete, wird man feststellen, dass das Wasser tatsächlich extrem stinkt - ähnlich wie bei einem stehenden Gewässer. Das ist jedoch noch nicht das Schlimmste daran.

Abgesehen vom üblen Geruch sind die Algenteppiche, die im Sommer an die Strände gespült werden, sogar giftig. Nicht selten erkranken oder verenden Hunde und andere Landtiere, nachdem sie damit in Kontakt gekommen sind. Wenn es schon für die Tiere an Land tödlich sein kann, wird schnell klar, in welchem Maße die Meeresbewohner gefährdet sind. Umweltschützer klagen an, dass ein Großteil des Schadens Folge der Überdüngung ist. Und es liegt in der Macht der Anliegerstaaten, durch klare Richtlinien endlich Abhilfe zu schaffen.

Schädlicher Dünger und Tiergülle landen im Meer

So sieht es aus, wenn dicke Algenschichten die Wasseroberfläche bedecken. Diese Gewässer sind für Tiere unbewohnbar. (Quelle: Pixelio )

Überdüngung entsteht auf den Feldern, da viele Bauern ihre Anbauflächen aus wirtschaftlichen Interessen mehr düngen als notwendig. Die starke Düngung sorgt zunächst für eine größere Ernte, stellt aber eine Belastung für die Böden dar. Gerade durch die Massentierhaltung werden extrem hohe Mengen an Tiergülle produziert, welche auf den Feldern landet und die Böden belastet. Der überschüssige Dünger gelangt letztendlich über die Flüsse und das Grundwasser ins Meer.

Dort liefert er den Algen und Bakterien Nahrung - und diese beginnen, sich rasant zu vermehren. Eine Maßnahme der Europäischen Union wäre, nur eine gewisse Menge an Düngemitteln zuzulassen, bei Nichteinhaltung Strafen zu verordnen oder Landwirte nur mit Fördergeldern zu unterstützen, wenn sie erwiesenermaßen nicht überdüngen. Dadurch könnte das Leben in den Meeren deutlich geschont werden. Ebenso der Fischfang schadet der Ostsee enorm: Weite Gebiete sind so überfischt, dass dort viele Arten überhaupt nicht mehr vorkommen. Auch dafür müssten verbindliche Regeln her, die festlegen, wie viele Fische einer Art gefangen werden dürfen. In bedrohten Regionen sollte der Fang generell verboten werden, damit die Arten erhalten bleiben.

Tiere sterben - Fäulnisbakterien breiten sich aus

Durch Algen und Bakterien wird dem Wasser mehr und mehr Sauerstoff entzogen. Viele Tiere verenden. In einigen Teilen des Meeres gibt es überhaupt keine Fische mehr. (Quelle: Marvin Siefke / pixelio.de)

Außerdem landen viele weitere für das Meer schädliche Stoffe in der Ostsee: So zum Beispiel scharfe Waschmittel, die wir benutzen, Autoabgase des täglichen Straßenverkehrs oder Toilettenabwässer - speziell die veralteten Kläranlagen Osteuropas sind problematisch. Ebenso Abgase der vielen Schiffe - wie giftiges Motoröl - gelangen in großen Mengen ins Meer. In bestimmten Gebieten müsste die Schifffahrt stark eingeschränkt oder ganz verboten werden.

All diese "Giftstoffe" tragen zum Sterben der Ostsee bei. Täglich gelangen Phosphate und Stickstoff über das Grundwasser, die Flüsse, die Luft und die Schiffe in das Meer. Diese Stoffe führen zur Vermehrung der Bakterien auf dem Meeresboden. Heutzutage soll das Wasser der Ostsee neun Mal mehr Phosphor und fünf Mal mehr Stickstoff enthalten als noch vor 100 Jahren. Je mehr Fäulnisbakterien entstehen, desto weniger Sauerstoff befindet sich im Wasser. Denn die Bakterien verbrauchen beim Zersetzen von Tier- und Pflanzenresten sehr viel Sauerstoff. Irgendwann ist der O2-Gehalt so gering, dass kein Fisch mehr in dem Gebiet leben kann.

Es muss schnell gehandelt werden

Bereits ein Sechstel der Fläche ist tot. Es muss dringend etwas getan werden, um die Ostsee zu retten. (Quelle: Pixelio)

Bislang ist es noch nicht zu spät, die Vergiftung zu stoppen. Entscheidend ist, dass sich die Staaten rund um die Ostsee endlich einig werden, klare Regelungen treffen und schnell handeln. Bisher gelten viele unterschiedliche Bestimmungen, sodass Veränderungen, die der Bequemlichkeit oder der Industrie und Wirtschaft im Weg stehen, nur ungern angenommen - geschweige denn umgesetzt - werden.

Lasse Gustavsson, Generalsekretär beim schwedischen Verband der Naturschutzorganisation WWF (World Wide Fund For Nature), sieht keine Gründe dafür, nicht endlich mit der Rettung der Ostsee zu beginnen: "Die Region ist eine der reichsten der Erde und die nötigen Maßnahmen würden nicht mehr kosten, als etwa die EU-Subventionen (Fördergelder für Länder), die derzeit in die Anrainerstaaten fließen", sagte er. Es bleibt zu hoffen, dass schnelle, wirkungsvolle und verbindliche Regelungen getroffen und auch eingehalten werden, bevor es zu spät ist.

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letzte Aktualisierung: 11.03.2010

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