Neue Übergangsregierung in der Ukraine

Teil 2 von 2

19.03.2014

Die Ukraine hat eine neue Regierung - diese "Übergangsregierung" soll bis zu den neuen Wahlen, die im Mai geplant sind, bestehen. Nach monatelangen Protesten, vor allem in der Hauptstadt Kiew, wurde die Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch gestürzt. Der bisherige Präsident flüchtete nach Russland. Weiterhin ist die Situation in der Ukraine sehr angespannt und das Land steht vor großen Problemen.

Der Majdan ("Platz der Unabhängigkeit") in der ukrainischen Hauptstadt Kiew: Hier protestierten die Menschen seit vielen Wochen gegen die Politik des Landes. (Quelle: Elke Wetzig (User:Elya), Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0) )

Chef der neuen Regierung in der Ukraine ist Arseni Jazenjuk. Der 39-jährige Politiker gehört der so genannten Vaterlandspartei an und war schon einmal Außenminister und Wirtschaftsminister. Mitglied dieser Partei ist auch der Übergangspräsident Alexander Turtschinow. Die neue Übergangsregierung, der ausschließlich Politiker der Parteien der bisherigen Regierungsgegner ("Opposition") angehören, steht vor gewaltigen Schwierigkeiten. Das größte Problem der Ukraine ist die finanzielle Lage. Das osteuropäische Land ist bankrott, das heißt der Staat hat kein Geld mehr, um Renten und Löhne für Staatsbeamte wie Polizisten, Richter oder Feuerwehrleute und Soldaten zu bezahlen. Ein zweites ernstes Problem betrifft den Rückhalt der Regierung im gesamten Land. Viele Bürger, vor allem im Osten der Ukraine, erkennen die Regierung in Kiew nicht an und betrachten den Sturz des ehemaligen Präsidenten Janukowitsch als unrechtmäßig.

Die neue Regierung wurde am 27. Februar vom alten Parlament mit der Mehrheit von 72 Prozent gewählt. Unter den Befürwortern waren auch viele Abgeordnete der Partei des gestürzten Präsidenten Janukowitsch. Viele Mitglieder der ehemaligen Regierungspartei waren vor der Abstimmung bedroht worden. Andere waren recht schnell aus der Partei des ehemaligen Präsidenten ausgetreten und rechnen sich dadurch bessere Chancen für die Zukunft aus. Die neu gebildete Übergangsregierung besteht aus Politikern der Vaterlandspartei der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, die Ende Februar nach zweieinhalb Jahren aus der Haft entlassen wurde, sowie aus rechtsextremen Politikern der Partei Swoboda und aus Vertretern der Widerstandsbewegung gegen die alte Regierung und Ex-Präsident Janukowitsch.

Eine der ersten Ziele der neuen Übergangsregierung war die Abschaffung von Russisch als zweiter Amtssprache in der Ukraine. Das hätte bedeutet, dass sich viele russischsprachige Ukrainer auf Ämtern und Behörden nicht mehr auf Russisch hätten verständigen dürfen. Nach Kritik aus der russischsprachigen Bevölkerung, von Politikern aus Russland und der Europäischen Union (EU) wurde das Gesetz aber nicht verabschiedet. Ein weiteres Ziel war die Verurteilung des ehemaligen Präsidenten Janukowitsch. Er soll nach dem Willen der neuen Machthaber wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werden. Außerdem hat die neue Regierung angekündigt, sich mehr den westlichen Ländern wie Deutschland, Frankreich und der USA sowie der EU zuzuwenden und das umstrittene Abkommen mit der Europäischen Union zu unterzeichnen, das in den vergangenen Wochen und Monaten für große Konflikte gesorgt hatte.

Anerkennung im Westen - Kritik von Russland

Auch die aus der Haft entlassene ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko gehört der neu gebildeten Übergangsregierung an. Auf dem Bild spricht sie auf dem Majdan zu den Demonstranten. (Quelle: Mstyslav Chernov, Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0) )

Die neue Übergangsregierung wurde von westlichen Staaten sofort als rechtmäßige Regierung der Ukraine anerkannt. Bundeskanzlerin Merkel telefonierte kurz nach seiner Wahl mit dem Chef der Übergangsregierung und wünschte diesem viel Erfolg. Russland kritisierte diese Anerkennung durch den Westen und der russische Ministerpräsident Medwedjew hält die neue Führung in Kiew für illegal, also nicht rechtmäßig. Er sagte, sie sei nichts anderes als "das Ergebnis einer bewaffneten Revolte" (Revolte bedeutet Aufstand).

Russland kritisierte, dass der neue Regierungschef nicht die von der Verfassung der Ukraine vorgeschriebene Anzahl von Stimmen erhalten hatte. Damit sei er nicht rechtmäßig gewählt. Außerdem würden jetzt Menschen bedroht, die nicht mit den neuen Machthabern einverstanden seien. Moskau versprach russischsprachigen Ukrainern, die sich verfolgt fühlten, schnell und unkompliziert die russische Staatsangehörigkeit zu verleihen. Wenige Tage nach seinem Sturz meldete sich auch Präsident Viktor Janukowitsch zu Wort. In einer Pressekonferenz in Russland sagte er, er sei immer noch der rechtmäßige Präsident der Ukraine. Er sei nicht abgesetzt, sondern bedroht worden und habe deshalb das Land verlassen müssen.

Das Verhältnis zwischen Russland, das einst das Sagen in der mächtigen Sowjetunion hatte (zu dieser gehörte damals auch die Ukraine), und den westlichen Staaten ist angespannt. Deshalb sprechen einige auch von einer Fortsetzung des "Kalten Krieges", in dem sich bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 der Westen, allen voran die USA, und der "Ostblock" feindlich gegenüberstanden.

Chef der neuen Regierung: Arseni Jazenjuk, der der Vaterlandspartei angehört und schon einmal Außenminister und Wirtschaftsminister der Ukraine war. (Quelle: Marc Müller, securityconference.de, Creative Commons (CC BY 3.0 DE))

Sieg der Freiheit und Demokratie?

Die Politiker und Medien (wie Zeitungen, Fernsehen und Radio) im Westen sehen den Sturz der ukrainischen Regierung überwiegend positiv und begrüßen, dass sich der Wille vieler Ukrainer nach einem politischen Machtwechsel durchsetzen konnte. Gleichzeitig kritisieren sie das Vorgehen der russischen Regierung, prangern das Machtstreben des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, an und sehen die russische Berichterstattung als stark gefärbt und einseitig an. So sprach Putin im Hinblick auf die Demonstranten in Kiew von "schwer bewaffneten Kommandos", die in gewaltsamer Absicht einen politischen Umsturz erzwungen hätten.

Kritische Stimmen werfen aber auch dem Westen vor, zu einseitig über die Situation in der Ukraine zu berichten. So hätte sich mit dem Sturz der Regierung nicht einfach der Wille des Volkes sowie der Gedanke von Freiheit und Demokratie durchgesetzt. Denn die ukrainische Bevölkerung ist gespalten und viele Menschen sind entschieden gegen eine Annäherung an den Westen. Außerdem sei auf beiden Seiten Gewalt ausgeübt worden, aber die westlichen Medien hätten die Gewaltbereitschaft der "pro-westlichen" Demonstranten heruntergespielt, so die Kritiker. Weiterhin weisen sie darauf hin, dass der Widerstandsbewegung gegen die bisherige Regierung in der Ukraine auch einige rechtsextreme Politiker angehören und nun auch in der Übergangsregierung sitzen, was im Westen oft verharmlost würde.

Kritisch sehen einige Menschen auch, dass in Zukunft ein paar sehr reiche Geschäftsleute viel Macht im Land haben werden. Nach der Bildung der Übergangsregierung wechselte die neue Führung einige der wichtigsten Gouverneure aus. Die Gouverneure in der Ukraine haben viel Einfluss und sind vergleichbar mit den Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer. Besonders die Gouverneure im Osten der Ukraine waren eng mit der Regierungspartei des gestürzten Viktor Janukowitsch verbunden. Insgesamt wurden 18 neue Gouverneure bestimmt, unter ihnen zwei der reichsten Männer des Landes. Diese reichen Unternehmer, auch "Oligarchen" genannt, haben einen großen wirtschaftlichen und politischen Einfluss. Durch sie hofft die Regierung in Kiew, auch die östlichen Teile der Ukraine besser kontrollieren zu können. Gleichzeitig wurden Gegner der neuen Regierung wegen "Umsturzversuchs" angeklagt. So wurden der bisherige Gouverneur und der Bürgermeister des Gebietes Charkiw kurzzeitig festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, das Gebiet mit seiner mehrheitlich russischsprachigen Bevölkerung an Russland anschließen zu wollen.

Unruhen im ganzen Land

Gewalt auf dem Majdan im Februar 2014 (Quelle: Mstyslav Chernov/Unframe/http://www.unframe.com/, Creative Commons (CC BY-SA 3.0) )

Seitdem kommt es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen den Vertretern unterschiedlicher politischer Lager. Vor allem im Osten der Ukraine hat die neue Regierung in Kiew nicht viele Freunde. Hier fühlt man sich eher Russland zugehörig. So besetzten Gegner der neuen Regierung in den ostukrainischen Städten Charkiw, Donezk und Lugansk die Gebietsverwaltungen und hissten russische Fahnen auf den Gebäuden. In Donezk kam es zu schweren Straßenkämpfen zwischen Regierungsanhängern und Demonstranten, die Russland nahestehen. Dabei wurde ein Mensch getötet. Vertreter der Übergangsregierung in Kiew machten Russland für die Gewalt im Osten der Ukraine verantwortlich. Auch im Süden der Ukraine wurden Demonstrationen und Unruhen gemeldet. So wurde in der Schwarzmeer-Hafenstadt Odessa auf dem Gebäude der Regionalverwaltung die Ukrainische Flagge gegen die Flagge des Gebietes Odessa ausgetauscht.

Besonders heftig wehrten sich die russischsprachigen Bewohner der Halbinsel Krim. Sie wollen ihre Insel von der Ukraine abspalten und an Russland anschließen. In einer Volksabstimmung am Sonntag (16. März) stimmte die große Mehrheit der Krim-Bewohner dafür, dass ihre Halbinsel in Zukunft zu Russland gehören soll. Der russische Präsident Putin hat bereits einen Vertrag zur Angliederung der Krim an Russland unterzeichnet, der bald in Kraft treten soll. Die Ukraine und die westlichen Länder sprechen hingegen von einer unrechtmäßigen Aneignung der Krim durch Russland und versuchen, die russische Regierung unter Druck zu setzen.

In Russland sorgten die Unruhen in der Ukraine für große Besorgnis. Fünf Tage nach dem Sturz der alten ukrainischen Regierung hielt das russische Militär ein großes Manöver an der Grenze zur Ukraine ab. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums nahmen daran etwa 150.000 Soldaten der russischen Land- und Luftstreitkräfte teil. Die ukrainische Regierung beschuldigte Russland deswegen, einen Angriff auf die Ukraine vorzubereiten. Russland wiederum erklärte, die Manöver hätten nichts mit der Situation in der Ukraine zu tun.

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letzte Aktualisierung: 10.09.2014

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