Gudrun Pausewang - Eine mutige und kritische Schriftstellerin

Zum 85. Geburtstag der deutschen Jugendbuchautorin

von Tanja Lindauer - 03.03.2013

Sie ist eine der berühmtesten Kinderbuchautorinnen in Deutschland. Von ihr stammen kritische und mutige Bücher wie "Die Wolke" oder "Die letzten Kinder von Schewenborn", für die sie viele Preise erhielt. In ihren Romanen setzt sie sich oft mit Krisen, gesellschaftlichen Problemen und Katastrophen wie Krieg oder atomarer Verstrahlung auseinander. Eindringlich beschreibt sie, wie die Menschen versuchen, mit schwierigen Situationen umzugehen. Dabei geht es ihr vor allem darum, ihre Leser wachzurütteln und auf bestehende Gefahren wie Umweltzerstörung aufmerksam zu machen. Die Rede ist natürlich von Gudrun Pausewang. Am 3. März wurde die Schriftstellerin 85 Jahre alt und wir gratulieren ihr ganz herzlich!

Gudrun Pausewang hat viele Bücher in ihrem Leben geschrieben und erhielt auch etliche Auszeichnungen. Mit ihren Geschichten will sie den Menschen die Augen öffnen. (Quelle: Zefram, Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0) )

Gudrun Pausewang wurde am 3. März 1928 in Wichstadtl, was früher noch zu Böhmen gehörte, als erstes Kind der Familie geboren. Gemeinsam mit ihren fünf Geschwistern wuchs sie auf einem Bauernhof auf. Die Familie baute Obst und Gemüse an und versuchte, von dem zu leben, was der Hof hergab. Sie selbst beschreibt ihre Kindheit als sehr glücklich. Bereits als Kind liebte sie es, zu lesen und sie verschlang die Bücher regelrecht. Die Autorin sagte über sich selbst einmal, dass sie lesesüchtig sei. Gudrun wurde zu einer Zeit geboren, die in Europa von politischen Umbrüchen geprägt war. Der Erste Weltkrieg gehörte bereits der Geschichte an, doch er hatte seine Spuren hinterlassen. Schon bald übernahmen in Deutschland die Nationalsozialisten die Macht und der Zweite Weltkrieg stand bevor.

Gudruns Vater, ein Diplomlandwirt, wurde im Krieg einberufen. Da er zunächst noch an die Ideen der Nationalsozialisten glaubte, empfand er es als richtig, in den Krieg zu ziehen. Und so glaubte auch seine Tochter Gudrun als Kind noch an das Gute in der nationalsozialistischen Diktatur, distanzierte sich aber später stark vom Gedankengut der Nazis. Als Gudrun 15 Jahre alt war, fiel ihr Vater im Krieg. Nachdem die Deutschen den Krieg verloren hatten, wurde Böhmen ein Teil der damaligen Tschechoslowakei. Mit 17 Jahren musste Gudrun Pausewang mit ihrer Familie nach Westdeutschland fliehen. Von Hamburg aus kamen sie nach Wiesbaden, wo die zukünftige Schriftstellerin ein Gymnasium besuchte und 1948 dort ihr Abitur machte. Nach dem Schulabschluss entschied sie sich, in Weilburg Pädagogik zu studieren und später unterrichtete sie als Lehrerin an verschiedenen Grund- und Hauptschulen in Deutschland.

1956 wurde Gudrun Pausewang vom Auswärtigen Amt beauftragt, nach Chile zu reisen, um dort als Lehrerin an einer deutschen Schule zu unterrichten. Sie war zu diesem Zeitpunkt 27 Jahre alt und nutzte die Gelegenheit, um Nord-, Mittel- und Südamerika zu bereisen. In Chile unterrichtete sie fünf Jahre lang an Deutschen Schulen und danach über zwei Jahre an der Schule in Maracaibo in Venezuela. Das Leben in Südamerika, die Menschen und die Kultur faszinierten sie so sehr, dass sie den Entschluss fasste, ein Buch darüber zu schreiben. Und so veröffentlichte Gudrun Pausewang 1958 ihren ersten Roman "Rio Amargo". Ihre Reisen durch Amerika inspirierten sie noch zu vielen weiteren Romanen. Die ersten zehn Jahre schrieb sie aber zunächst nur Bücher für Erwachsene, und erst später, nämlich mit der Geburt ihres Sohnes, sollte sie sich einem jüngeren Lesepublikum zuwenden.

Arbeit als Lehrerin und Schriftstellerin

Die Schriftstellerin lebt heute in der hessischen Kleinstadt Schlitz bei Fulda. Diese Stadt wurde zum Handlungsort ihrer berühmten Bücher "Die letzten Kinder von Schewenborn" und "Die Wolke". (Quelle: Sigurd Betschinger, Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0) )

1963 kehrte die Schriftstellerin nach Deutschland zurück und begann ein Germanistik-Studium. Gleichzeitig arbeitete sie in Mainz als Grundschullehrerin. Im Jahr 1967 heiratete sie in London den Deutsch-Chilenen Hermann Wilcke und trug von da an den bürgerlichen Namen Gudrun Wilcke. Schon bald packte sie wieder die Sehnsucht nach Südamerika und gemeinsam mit ihrem Mann zog sie im selben Jahr nach Kolumbien, wo sie abermals an der Deutschen Schule unterrichtete.

In Kolumbien bekamen Hermann und Gudrun 1970 ihren Sohn, mit dem sie 1972 nach Deutschland zurückkehrten. Von diesem Zeitpunkt an lebte die Familie in Schlitz bei Fulda, in Hessen, wo die Schriftstellerin heute noch wohnt. Diese Stadt wurde zum Handlungsort ihrer berühmten Bücher "Die letzten Kinder von Schewenborn" und "Die Wolke". Auch hier arbeitete sie bis 1989 als Lehrerin, bis sie schließlich in den wohlverdienten Ruhestand ging. Doch auch in den folgenden Jahren war sie sehr fleißig und so wurde ihr 1998 ihr Doktortitel von der Johann-Wolfgang-Goethe Universität in Frankfurt verliehen. In ihrer Doktorarbeit beschäftigte Gudrun Pausewang sich mit der Jugendliteratur und forschte über "Vergessene Jugendschriftsteller der Erich-Kästner-Generation".

In ihren Romanen setzt sich die Autorin immer wieder mit schwerwiegenden Problemen wie Umweltzerstörung, Krieg, den Risiken der Atomenergie, Umweltschutz oder auch Hunger und Armut auf der Welt, welche sie in Südamerika hautnah miterlebte, auseinander. Seit ihrem Ruhestand widmet sich die frühere Lehrerin ganz dem Schreiben, hält viele Lesungen und lädt regelmäßig Schüler zu sich ein, um über ihre Bücher und die Welt zu reden. Bis heute hat sie über 90 Bücher geschrieben und viele ihrer Romane wurden ausgezeichnet. Gudrun Pausewang gilt als sehr sozialkritisch und ihre Werke wurden schon über Dreimillionen Mal verkauft. In Deutschland wurde die Autorin vor allem durch die Romane "Die Wolke" und "Die letzten Kinder von Schewenborn" bekannt, die sich mit den Gefahren der Atomkraft und den Folgen eines Atomkriegs beschäftigen.

Die Angst vor der Kernenergie

Seit den 1970er Jahren demonstrieren viele Menschen gegen den Einsatz von Kernenergie. Wie die Folgen eines Reaktorunfalls aussehen könnten, beschreibt Gudrun Pausewang in ihrem Roman "Die Wolke". (Quelle: Ch-info.ch, Wikimedia Commons)

In den 1970er Jahren demonstrierten immer mehr Menschen in Deutschland und anderen Ländern gegen die Nutzung von Kernenergie und es kam zu "Anti-Atomkraft-Bewegungen". Vor allem die Risiken, die mit der Nutzung der Kernenergie verbunden sind, standen dabei im Mittelpunkt. Mögliche Unfälle in einem Reaktor und die Lagerung des Atommülls stehen bis heute bei den Diskussionen im Vordergrund. Denn die Folgen eines Unfalls können katastrophal sein, wie es auch in unserer jüngsten Geschichte die Ereignisse in Fukushima in Japan im Jahr 2011 bewiesen haben.

Gudrun Pausewang setzt sich besonders in ihren bekanntesten Büchern sehr kritisch mit diesen Gefahren auseinander. Im Roman "Die letzten Kinder von Schewenborn ... oder sieht so unsere Zukunft aus?", der 1983 erschien, beschreibt sie, wie Deutschland nach einem Atomkrieg aussehen könnte. Die Handlung spielt zur Zeit des Kalten Krieges, also zu einer Zeit, in der die ganze Welt Angst hatte, dass es einen Dritten Weltkrieg geben könnte. Man wusste, dass dieser Krieg noch gefährlicher und grausamer werden würde, da die USA auf der einen und die Sowjetunion auf der anderen Seite mit immer vernichtenderen Atomwaffen aufrüsteten. Was ein solcher Krieg für Folgen gehabt haben könnte, beschreibt Pausewang in ihrem Roman.

Die Geschichte wird von dem zwölfjährigen Roland Bennewitz erzählt, der mit seiner Familie nach Schewenborn fährt, um seine Großeltern zu besuchen. Die Familie weiß, dass der politische Konflikt sich jederzeit verschärfen könnte. Und dann, während der Fahrt, passiert es: Die Familie wird Zeuge einer großen und sehr grellen Explosion. Eine Atombombe ist explodiert! Und es kommt noch schlimmer, die Großeltern sind nicht da, sie waren zum Zeitpunkt der Explosion in Fulda. Rolands Mutter macht sich zu Fuß auf nach Fulda, um die Großeltern zu finden. Aber die Stadt liegt in Schutt und Asche. Die Familie bleibt in Schewenborn, wo bald kriegsähnliche Zustände herrschen: Die Lebensmittel werden knapp und Typhus bricht aus. Roland hilft freiwillig im Krankenhaus und muss mit ansehen, wie viele Menschen an der Strahlenkrankheit leiden und sterben. Die Familie erfährt, dass auch andere Städte betroffen sind, es gibt kaum noch Hoffnung. Schließlich erkranken und sterben auch Rolands Geschwister und seine Mutter. Roland und sein Vater errichten eine Schule im Ort, an der Roland nun unterrichtet, wie er vermutet "die letzten Kinder von Schewenborn".

Bücher, die uns warnen sollen

In "Die letzten Kinder von Schewenborn" beschreibt Pausewang, was passieren könnte, wenn es zum Atomkrieg kommt. Sie möchte darin schon junge Leser warnen und zum Nachdenken anregen. (Quelle: United States Department of Energy)

Und auch in "Die Wolke" werden die fürchterlichen Folgen der gefährlichen Atomenergie beschrieben. In dem 1987 veröffentlichten Roman wird das Schicksal der 14-jährigen Janna-Berta geschildert, die Opfer einer radioaktiven Strahlung wird. Grundlage für diese Geschichte war der Reaktorunfall in Tschernobyl von 1986. Viele Menschen starben an den Folgen des Unfalls, so wie beinahe die ganze Familie von Janna-Berta in dem Buch auch. In diesem Roman kritisiert Pausewang auch die Politik, die mit Fehlinformationen Wahrheiten vertuschen will. Für "Die Wolke" erhielt die Kinderbuchautorin 1988 den Deutschen Jugendliteraturpreis. Zwar sind beide Ereignisse in den Büchern äußerst schockierend, doch wollte Pausewang damit die Leser nicht einfach verängstigen, sondern zeigen, dass wir die Gefahren der Kernenergie ernst nehmen und solche Katastrophen verhindern sollten. Heute werden die Romane auch oftmals in der Schule besprochen. "Die Wolke" wurde sogar im Jahr 2006 als einziger Roman der Autorin verfilmt.

In vielen ihrer Bücher lässt Gudrun Pausewang ihre eigenen Erfahrungen mit einfließen. Ihr Leben und die Eindrücke, die sie in Südamerika sammelte, beschreibt sie zum Beispiel im Buch "Die Not der Familie Caldera", das 1977 erschien. Die Familie ist sehr arm und verliert alles, was sie besitzt - nur mit Gaunereien kann sie sich über Wasser halten. Auch die Erfahrungen aus dem Krieg beschreibt die Autorin in ihren Büchern. In "Au revoir, bis nach dem Krieg", das 2012 erschien, widmet sie sich dem Zweiten Weltkrieg mit Blick auf die Schicksale zweier junger Menschen. Doch es geht in der Geschichte auch um die Liebe. Eine Frau namens Hanni betrachtet ein altes schwarz-weißes Familienfoto und schwelgt in Erinnerungen: Als Kind erlebte sie viele glückliche Tage, bis zum Ausbruch des Krieges schien alles perfekt.

Doch dann marschierte Hitler in Polen ein und ihr ganzes Leben änderte sich. Ihr älterer Bruder und ihr Vater wurden eingezogen und einige Jahre später folgte ihnen auch der Jüngste der Familie, Alfred. Zurück blieben die Oma, Hannis Mutter und Hanni selbst. Die Arbeit auf dem großen Hof konnten die Frauen nur schwer bewältigen und so wurde ihnen ein französischer Gefangener zugeteilt. Doch damit begann das eigentliche Drama: Hanni und Philippe verliebten sich ineinander. Natürlich durfte niemand davon erfahren, denn Philippe gehörte ja zu den Feinden! Da es einfach zu gefährlich war, mussten sie sich trennen, vorläufig, bis nach dem Krieg. Mit einem Happy End darf man bei Pausewang nicht unbedingt rechnen, sie beschreibt oft schonungslos die Realität. So auch in diesem Buch - ein Wiedersehen von Hanni und Philippe scheint nicht in Sicht. Aber genau mit dieser unverblümten, ehrlichen Art ist sie bekannt und erfolgreich geworden.

Auch Humor kommt nicht zu kurz

Für ihren Roman "Die Wolke" erhielt Gudrun Pausewang 1988 den Jugendliteraturpreis. Bild: Verleihung des Preises im Jahr 2005 auf der Buchmesse in Frankfurt. (Quelle: Hans Weingartz, Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE) )

Aber nicht in all ihren Büchern geht es düster und grausam zu, denn Gudrun Pausewang hat auch einige lustige Bücher für Kinder geschrieben. Im "Spinatvampir", der 2003 erschien, gibt es zum Beispiel einen "Anti-Vampir" namens Basil Grusel. Basil lebt in Prag und findet Blut und Blutwurst einfach nur ekelhaft, ein richtiger Vampir ist er also auf keinen Fall. Er hat zwar scharfe Zähne wie ein Vampir, doch er mag viel lieber Spinat. Auch seine blonden Locken und das viele Lachen unterscheiden ihn von seinen Artgenossen. Seine Eltern sind geschockt. Und dieser fürchterliche Spinatgestank, wegen dem die Haushälterin der Familie Grusel ihren Job kündigt. Das hält doch kein Vampir aus! Doch nun brauchen die Eltern einen Ersatz, und sie finden zwar eine neue Haushälterin - aber sie ist ein Mensch. Und damit fangen die Probleme erst richtig an.

In dieser Art von Büchern geht es zwar heiter zu, Probleme werden aber dennoch angesprochen - wie etwa, dass Menschen von anderen ausgegrenzt werden, nur weil sie vermeintlich anders sind. Die Autorin sagte einmal, dass sie ihren Lesern nicht vorgaukeln wolle, dass alles in der Welt schön sei. Es gibt viele Probleme und zahlreichen Menschen geht es alles andere als gut, und das will sie zeigen. Sie möchte ihre Leser warnen und dazu beitragen, dass sie nicht mit geschlossenen Augen durch die Welt spazieren. In einem Interview sagte Gudrun Pausewang einmal, sie wolle ihre Leser ernst nehmen und daher die Dinge nicht verschönen, sondern Probleme und Gefahren unverblümt beschreiben. Als Kind hätte sie sich darüber geärgert, dass man in den Kinderbüchern nicht die Wahrheit sagte, sondern nur heile Welten beschrieb. Sie möchte sich nicht fragen müssen, was sie gegen Ungerechtigkeit, Gewalt und Umweltzerstörung getan habe, sondern handeln, indem sie darüber schreibt und andere Menschen aufklärt. "Im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten habe ich versucht, etwas gegen die Gefahren unserer Zeit zu tun!", sagte die Autorin einmal.

Deshalb ist Gudrun Pausewang für manche natürlich auch eine "unbequeme" Persönlichkeit, der einige Kritiker vorwerfen, dass sie nur Furcht mit ihren Büchern verbreite und eine "Lehrerin der Angst" sei. Doch nicht nur ihre vielen Auszeichnungen, sondern vor allem die intensiven, mutigen und einfühlsamen Beschreibungen in ihren Büchern beweisen das Gegenteil: Gudrun Pausewang tritt für mehr Menschlichkeit und Gerechtigkeit auf der Welt ein und will aufklären, damit auch schon junge Menschen sich über die Gefahren und Probleme unserer Zeit Gedanken machen und etwas dagegen unternehmen können. Neben vielen Literaturauszeichnungen wurde der Autorin 1999 das Bundesverdienstkreuz verliehen und 2009 erhielt sie von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur e.V. den Großen Preis für ihr Lebenswerk.

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Co-Autorin: Britta Pawlak
letzte Aktualisierung: 25.05.2014

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