Rechtsextreme Terror- und Mordserie in Deutschland

Schwere Vorwürfe gegen die Justiz und den Verfassungsschutz

18.11.2011

Zurzeit gibt es jeden Tag neue Enthüllungen über den rechtsextremistischen Terror in Deutschland. Dabei geht es um zahlreiche Morde, die Mitglieder einer rechtsradikalen Gruppe an Ausländern verübt haben. Es stellt sich die Frage, warum es möglich ist, dass eine rechte Terrorgruppe viele Jahre durch Deutschland zieht und unentdeckt Morde begeht. Die Justiz und der Verfassungsschutz, der eigentlich für mehr Sicherheit sorgen soll, stehen massiv in Kritik. Was sind die Hintergründe dieser schlimmen Verbrechen? Was bedeutet überhaupt rechtsextremistischer Terrorismus?

Das ausgebrannte Haus der Täter in Zwickau (Quelle: André Karwath, Aka/ Wikimedia Commons)

Deutschland ist schockiert von den Taten gewaltbereiter Rechtsextremisten. Mitglieder des so genannten "Nationalsozialistischen Untergrundes" (NSU) sollen zahlreiche Menschen umgebracht haben. Fast täglich kommen neue Straftaten der drei Rechtsextremisten aus dem sächsischen Zwickau ans Licht. Die jüngsten Fälle von rechtsradikaler Gewalt haben eine solch große Dimension, dass die Behörden von "extremistischem Terror von rechts" sprechen. Die drei Mitglieder des "Nationalsozialistischen Untergrundes", die Neonazis Uwe B., Uwe M. und Beate Z., sollen mindestens neun Ausländer ermordet und viele Unterstützer gehabt haben. Diese Verbrechen gingen nun unter dem umstrittenen Namen "Döner-Morde" durch die Medien, weil einige der Opfer Inhaber türkischer oder griechischer Läden gewesen sind.

Das Trio aus zwei Männern und einer Frau stammt aus der thüringischen Stadt Jena. Die zwei Männer überfielen Anfang November 2011 eine Bank in Eisenach und flohen. Die Polizei leitete eine Fahndung ein und stieß auf ein verdächtiges Wohnmobil. Als die Polizei sich dem Wagen näherte, fielen Schüsse und das Fahrzeug geriet in Brand. Die beiden Neonazis haben sich vermutlich selbst erschossen. Wie sich kurze Zeit darauf herausstellte, war die Pistole, die die Beamten bei den Toten fanden, die Tatwaffe, mit der vor vier Jahren in Heilbronn eine Polizistin erschossen und ihr Kollege schwer verletzt wurde.

Kurz darauf flog in Zwickau ein Haus in die Luft. Es war das Haus, in dem die drei Rechtsextremisten gewohnt hatten. Wenige Tage nach der Explosion stellte sich die Frau der Polizei. Sie gestand, dass sie das Gebäude in die Luft gesprengt habe - vermutlich, um Beweise zu vernichten. Nach ihren Angaben hatte sie mit den zwei Bankräubern den "Nationalsozialistischen Untergrund" gegründet. Wie sich mittlerweile herausgestellt hat, sind seine Mitglieder für die Ermordung von acht Türken, einem Griechen und einer Polizistin verantwortlich und haben zudem einige Banküberfälle begangen. Weiterhin wird vermutet, dass sie hinter mehreren Sprengstoffanschlägen in Nordrhein-Westfalen steckten. Polizisten fanden in den Trümmern des Hauses insgesamt elf Pistolen und Gewehre. Außerdem wurden DVDs gefunden, in denen die Mitglieder des NSU damit prahlen, Ausländer ermordet zu haben. Diese Filme wollte das Trio offenbar an Medien und islamische Organisationen verschicken.

Der Verfassungsschutz hat versagt

Kundgebung der NPD in Nürnberg im Jahr 2004 (Quelle: Christian Horvat, User: VisualBeo/ Wikimedia Commons)

Nach dem Auffliegen der NSU-Terrorzelle wurden schwere Vorwürfe gegen den Verfassungsschutz und die Ermittlungsbehörden laut. Der größte Vorwurf lautet: Wie kann es sein, dass eine Terrorgruppe 13 Jahre lang unentdeckt durch Deutschland zieht und Menschen ermordet? Gesine Lötzsch, die Parteivorsitzende der Linkspartei, bezeichnete die massiven Versäumnisse und Pannen in der Ermittlung als den größten Skandal der Justiz und des Verfassungsschutzes seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland.

Statt rechtsradikale Gewalt hinter den Morden zu vermuten, wurden sogar die Familien der Opfer verdächtigt und die Ermittler nahmen an, dass die Toten in kriminelle Machenschaften verwickelt gewesen wären. Während in den vergangenen Jahren immer mehr Gesetze zum Schutz gegen den internationalen Terrorismus eingeführt worden sind, sei in der Politik viel zu wenig gegen die Gefahr der rechten Gewalt getan worden, sagen Kritiker. Stattdessen stünden muslimische Zuwanderer schnell unter allgemeinem Verdacht, radikale Glaubensvorstellungen oder sogar Verbindungen zu Terror-Organisationen zu haben. Vor allem nach den jüngsten Enthüllungen fühlen sich viele muslimische Migranten nicht mehr sicher.

Die Spitzel, die der Verfassungsschutz bei rechtsextremistischen Gruppierungen wie der Partei NPD hat (so genannte "V-Leute"), sollen die Behörde zudem betrogen haben: Eigentlich hat der Geheimdienst diesen Leuten Geld dafür gegeben, damit sie Informationen über ihre Partei preisgeben. Die V-Leute wurden also bezahlt, um Taten und Ziele der Rechtsextremisten aufzudecken. Allerdings bekamen die V-Leute für wertlose Informationen viel Geld. Damit sollen sie dann die Rechtsextremisten unterstützt haben. Auch werden die Verfassungsschützer dafür kritisiert, dass sie die Gefahren von Linksextremisten in den vergangenen Jahren sogar höher eingeschätzt haben als die realen Gefahren von rechts - ein verhängnisvoller Fehler, wie sich nun deutlich gezeigt hat.

Eigentlich herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass genügend Gründe vorliegen, die ein Verbot der NPD als verfassungsfeindliche Partei rechtfertigen würden. Gerade die "V-Männer" des Verfassungsschutzes stellten allerdings immer wieder ein großes Hindernis für ein Parteiverbot dar: Es konnte nämlich nicht geklärt werden, wie sehr die rechte Partei von der Sicherheitsbehörde gesteuert und beeinflusst wurde und wird. So ließ sich in vielen Fällen nicht feststellen, ob verfassungsfeindliche Aussagen von NPD-Mitgliedern aus Überzeugung oder im Auftrag des Verfassungsschutzes selbst gemacht wurden.

Rechtsextreme Gruppen in Deutschland

Skinheads bei einem Konzert. Als Schreckensbild der Rechtsextremisten wird häufig ihr Outfit herangezogen. Aber Menschen mit solchen Ansichten müssen nicht wie Skins aussehen. (Quelle: Wikipedia)

In Deutschland leben nach Schätzungen mindestens 25.000 Rechtsextremisten und nahezu 10.000 gelten als gewaltbereit. Menschen mit extrem rechter Einstellung lehnen den gegenwärtigen Staat ab. Anstelle der Demokratie wollen sie einen "autoritären" Staat errichten. In einem solchen Staat hätte nicht mehr das Parlament über die Politik zu bestimmen. Dafür gäbe es eine einzelne Person (Autorität), die die politischen Entscheidungen treffen würde. Das Volk hätte also wenig oder überhaupt keine Einflussnahme auf die Politik.

Das Ideal vieler Rechtsextremisten ist die Nazizeit unter Adolf Hitler. Während der Zeit des Faschismus in Deutschland zwischen 1933 und 1945 war die parlamentarische Demokratie abgeschafft worden. Dafür bestimmte der so genannte "Führer" Adolf Hitler über die politischen Entscheidungen. Hitler hatte praktisch unbeschränkte Macht und war niemandem zur Rechenschaft verpflichtet. Unter seiner Herrschaft wurden Millionen Juden, Kommunisten und andere politische Gegner, Behinderte, Homosexuelle und Roma getötet und die Nazis stifteten den Zweiten Weltkrieg an, dem weitere Millionen von Menschen zum Opfer fielen.

Auch heute noch gibt es Menschen, die die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland verherrlichen. Diese Rechtsextremisten werden auch Neofaschisten oder Neonazis genannt. Das letzte Wort ist eine Kombination aus "Neo" ("neu") und "Nazi" (Nationalsozialisten). Neonazis bedauern nicht den Tod vieler unschuldiger Menschen, sondern nehmen sich die menschenverachtende Weltanschauung der Nazis noch zum Vorbild. Rechtsextremisten glauben, dass bestimmte Menschen weniger wert seien als andere. Sie sind der Auffassung, dass es auch höherrangige "Menschenrassen" gäbe, die über anderen stehen. So meinen sie, dass Menschen mit jüdischen Wurzeln den "Deutschen" schaden wollen oder Menschen anderer Ethnien nicht so viele Rechte haben sollten wie "Weiße".

Debatten um die rechte Partei NPD

Die NPD betreibt sogar Jugendzentren. Mit kostenlosen Musik-CDs wollte die rechtsextreme Partei bei Schülern punkten.

In Deutschland ist die rechteste zugelassene Partei die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD). In ihrem Programm heißt es: "Volkstum und Kultur sind die Grundlagen für die Würde des Menschen." Im Grundgesetz, der deutschen Verfassung, steht: "Die Würde des Menschen ist unantastbar". Das heißt, die Menschenwürde bedarf nicht einer extra Grundlage wie "Volkstum" oder Kultur. Die NPD behauptet außerdem, für die Interessen des Volkes da zu sein. Dabei verschweigt sie aber, dass bei ihr zum Volk nur die Deutschen gehören - die fast zehn Prozent Bürger mit ausländischen Wurzeln gehören offensichtlich nicht dazu.

Viele Rechtsextremisten finden diese Partei gut, weil sie selbst nationalistische und rassistische Ziele verfolgen. Die Partei behauptet zwar, nichts mit den Neonazis und Rechtsextremisten zu tun zu haben. In Wahrheit aber kommen viele der rechten Gewalttäter aus dem Umfeld der Partei oder sind sogar selbst NPD-Mitglieder. Jedoch gibt es auch außerhalb der NPD viele rechtsextremistische Gruppen. So gibt es Neonazivereine unter anderem für Frauen, Kinder, Jugendliche oder Studenten. Außerdem versuchen Rechtsextremisten, ihre Ansichten in normalen Sport- oder Heimatvereinen und Bürgerinitiativen versteckt zu verbreiten. Auch die gewaltbereiten Neonazis haben eigene Strukturen und Organisationen. So haben sich in Thüringen Vereine wie der "Thüringer Heimatschutz" oder in Sachsen die 2001 verbotenen "Skinheads Sächsische Schweiz" (SSS) gegründet. Diese so genannten "Kameradschaften" sind straff organisiert und verfügen zum Teil sogar über Waffen.

Viele rechtsradikale Gewalttaten

Dieses Rostocker Haus, in dem Asylbewerber wohnten, wurde 1992 von Rechtsextremen angegriffen. (Quelle: mc005)

In den letzten Jahren gab es immer wieder Fälle rechtsextremistischer Gewalt. So wurden zahlreiche Übergriffe rechtsradikaler Schläger gegen Ausländer, Jugendliche oder Politiker gemeldet. In Magdeburg wurden in den 1990er Jahren an Christi Himmelfahrt Ausländer von Rechten durch die Stadt gejagt. Rechte überfielen in Mecklenburg-Vorpommern auch mehrfach Jugendgruppen auf Campingplätzen.

Im Jahr 1992 kam es zu massiven Ausschreitungen im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen. Mehrere Hundert Rechtsextreme attackierten ein Haus, das von Asylbewerbern bewohnt war und steckten ein Nachbarhaus, in dem ein Teil der flüchtenden Menschen untergebracht wurde, in Brand.

Besonders in Ostdeutschland sind Rechtsextremisten aktiv. Das führt so weit, dass sie in einigen Gegenden "national befreite Zonen" einrichten wollen - also Gebiete, in denen es keine Ausländer oder andere "volksfremde Elemente" geben soll. Nach Angaben von Initiativen gegen rechte Gewalt sind seit der Wiedervereinigung 1990 über 180 Menschen in ganz Deutschland von Rechtsextremisten umgebracht worden.

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letzte Aktualisierung: 19.11.2011

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