von Björn Pawlak - 12.03.2013
Venezuelas Präsident Hugo Chávez Frias starb vor wenigen Tagen, am 5. März 2013, im Alter von 58 Jahren an den Folgen seiner Krebserkrankung und von einem Herzinfarkt. Zuvor hatte er fast zwei Jahre lang mit der Krankheit gerungen. Die Mehrheit der Venezolaner, die Chávez erst vor einigen Monaten durch Wiederwahl bis 2019 im Amt des Präsidenten bestätigten, reagierte mit Trauer und Bestürzung auf die Nachricht vom Tod des Staatschefs. Wie wird es nun weitergehen?
Zum Trauerzug in der Hauptstadt Caracas blockierten Hunderttausende die Straßen. Dabei wurde der Sarg mit Chávez' Leichnam vom Krankenhaus, in dem er starb, zur Militärakademie Fuerte Tiuna kutschiert. Wegen des riesigen Andrangs dauerte diese Fahrt sieben Stunden. Die Menschen riefen ihren Abschiedsgruß, zum Beispiel "El pueblo está contigo, comandante!" - das bedeutet auf Spanisch "Das Volk ist mit dir, Befehlshaber!"
Chávez, der am 28. Juli 1954 im ländlichen Sabaneta im Westen Venezuelas zur Welt kam, war seit 1999 ununterbrochen als venezolanischer Staatspräsident im Amt (in den Jahren 2000, 2006 und 2012 wurde er jeweils wiedergewählt). Zur seiner Beerdigung erschienen Politiker und Vertreter aus aller Welt, aber vor allem aus den südamerikanischen Staaten, um dem Präsidenten die letzte Ehre zu erweisen.
Seine Anhänger hoffen, dass die von Chávez begonnenen Reformen (Neuerungen) im sozialen Bereich auch ohne ihn fortgeführt werden können. Seine Gegner hingegen setzen nun auf einen neuen politischen Kurs in Venezuela. Bis zu den Neuwahlen übernimmt Chávez' Stellvertreter Nicolás Maduro, der sich dann auch zur Wahl stellen wird, die Amtsgeschäfte.
Ausruf zum "Sozialismus des 21. Jahrhunderts"
Die Meinungen über das Lebenswerk und den Führungsstil von Chávez gehen weit auseinander. So gilt er als Kämpfer gegen die kapitalistische Marktwirtschaft und das "Weltmachtstreben" der USA. Er wurde als "Kommunist" und sein politischer Kurs als "sozialistisch" bezeichnet. Einige kritisierten, dass sein Führungsstil streng und unterdrückerisch gewesen sei. Noch mehr Hintergründe zu seiner Politik kannst du auch im Artikel "Venezuela nach den Präsidentschaftswahlen" nachlesen.
Als seine wichtigste Aufgabe bezeichnete er es, die Lebensverhältnisse der Ärmeren in Venezuela zu verbessern. Chávez ging es in seinem Wirken nicht um Venezuela allein: Wie einst dem lateinamerikanischen Unabhängigkeitskämpfer Simón Bolívar schwebte ihm die Idee eines geeinten lateinamerikanischen Kontinents vor, welcher sich von der starken Einflussnahme durch die USA loslösen kann - zu Zeiten Bolívars im 19. Jahrhundert kämpfte der Kontinent noch gegen Spanien. Deshalb nimmt man auch in den anderen lateinamerikanischen Staaten großen Anteil am Tod Chávez'. Der Leichnam von Hugo Chávez soll nun einbalsamiert und in einem Glassarg aufbewahrt werden.
Den Ölreichtum seines Landes nutze Chávez, um auch ärmere Länder wie Nicaragua, Bolivien und Ecuador zu unterstützen, die mit Venezuela politisch verbündet sind. Einflussreiche überstaatliche Einrichtungen wie das wirtschaftliche und politische Bündnis "Bolivarianische Allianz für Amerika" ("ALBA"), das südamerikanische Wirtschaftsabkommen "Mercosur" oder die Entwicklungsbank des Südens ("Banco Sur") wurden durch seinen Anstoß gegründet. Zu seinen engsten Freunden zählte Kubas Staatschef Fidel Castro: Kuba schickte zahlreiche gut ausgebildete Ärzte nach Venezuela und erhielt dafür großzügige Öllieferungen. In Kuba ließ sich Chávez zuletzt auch wegen seiner Krebserkrankung behandeln.
Chávez war sowohl vom katholischen Christentum und von dessen Aufruf zur Nächstenliebe als auch vom Marxismus - die sozialistische Lehre nach Karl Marx - geprägt. Er rief zum "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" auf und wollte damit ein Gegengewicht zum dominanten Kurs des "kapitalistischen Westens", angeführt von den USA, setzen. Die alten Machtverhältnisse in Venezuela kamen folgerichtig ins Wanken, nachdem Chávez im Dezember 1998 zum neuen Präsidenten gewählt worden war und 1999 das Amt übernahm. In Venezuela sollten so genannte "basisdemokratische" Strukturen entstehen, gemeint war damit die Einbeziehung möglichst vieler Menschen in die politischen Entscheidungen. Eine neue Verfassung wurde verabschiedet.
Eine der ersten Amtshandlungen von Chávez war es, die venezolanischen Erdölvorkommen zu verstaatlichen. Das heißt, dass nicht mehr die Banken oder die Großkonzerne über die Vorkommen verfügen sollten, sondern der Staat über die Verteilung entschied, damit auch das Volk an den Gewinnen teilhaben konnte. Wegen seiner politischen Handlungen bezeichneten die bürgerlichen Medien weltweit Chávez immer wieder als "Diktator", der sich mit seinen Versprechungen, sich besonders für die Armen einzusetzen, nur beim Volk beliebt machen wolle.
Vom Staatsfeind zum gewählten Präsidenten
Chávez führte vor seiner Präsidentschaft eine zum venezolanischen Militär gehörende Gruppierung mit dem Namen "Revolutionäre Bolivarische Bewegung 200" an, welche den damals amtierenden Präsidenten Carlos Andrés Pérez im Jahr 1992 gewaltsam zu stürzen versuchte - jedoch ohne Erfolg. Nach eigener Aussage sah Chávez damals keinen Weg, um die "korrupte" (bestechliche) Regierung anders zu bekämpfen.
Wegen seiner Beteiligung zum versuchten Staatsstreich musste er anschließend zwei Jahre ins Gefängnis, dies stärkte jedoch seine Beliebtheit beim Volk. Bei den Wahlen Ende 1998 gelang Chávez der Sprung an die Staatsspitze schließlich auf gesetzliche und demokratische Art und Weise, im Februar 1999 übernahm er das Amt des Präsidenten.
Im Jahr 2002 wurde Chávez selbst zum Opfer eines Staatsstreiches, in den auch die US-Regierung unter George W. Bush verwickelt gewesen sein soll. Das Blatt hatte sich nun umgekehrt: Der demokratisch gewählte Präsident Chávez sah sich einer politischen Verschwörung ausgesetzt. Doch der versuchte Sturz der Regierung misslang, weil sich das Militär letztlich auf die Seite von Chávez stellte. Zuvor hatten bürgerkriegsähnliche Zustände gedroht, da ein Großteil des Volks in der Hauptstadt die Rückkehr des gewählten Präsidenten Chávez forderte.
Viele Anhänger und Gegner
Beim venezolanischen Volk war Chávez aufgrund seiner angestrebten Sozialpolitik, nach der er vor allem die Reichtümer umverteilen und die ärmeren Menschen unterstützen wollte, recht beliebt. So ordnete er Aktionen zur Lebensmittelverteilung an und trieb die Gesundheitsversorgung voran. Erwachsenen wurde ermöglicht, einen Schulabschluss kostenlos nachzuholen. Ziel war es, den Analphabetismus zu bekämpfen - also dafür zu sorgen, dass mehr Menschen lesen und schreiben können. Zudem sollten die Bildungschancen für ärmere Menschen deutlich verbessert werden. Dafür wurden zusätzliche Universitäten errichtet und die Zahl der Lehrer an öffentlichen Schulen wurde innerhalb eines Jahrzehnts vervierfacht.
Die Politik der Umverteilung von Reich nach Arm missfiel natürlich vor allem den wohlhabenden und reichen Venezolanern, die nun mehr abgeben mussten. Dem Präsidenten wurde außerdem vorgeworfen, viel zu wenig gegen die hohe Kriminalität im Land zu unternehmen. Weiterhin warfen die Kritiker Chávez vor, dass er die Pressefreiheit im Land stark einschränke und seinen Einfluss auf die öffentlichen Medien wie Fernsehen und Zeitungen nutze, um sich positiv darzustellen und beim Volk noch beliebter zu machen. Tatsächlich wurden die Verträge mit verschiedenen Sendern, die der Regierung kritisch gegenüberstanden, nicht verlängert.
Ein Dorn im Auge war vielen die von Chávez offen bekundete Verbundenheit mit stark umstrittenen politischen Führern wie dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und dem ermordeten libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi. Chávez sah sie nicht als Verbrecher, als die sie in den Massenmedien weltweit dargestellt werden, sondern bezeichnete sie als "Verbündete", welche sich seiner Ansicht nach wie er dem "aggressiven Weltmachtstreben" der USA im Verbund mit Europa ausgesetzt sahen. Israel gegenüber meldete sich Chávez einige Male kritisch zu Wort und bekundete den Zusammenhalt mit den staatenlosen Palästinensern.
Tod Chávez': Ein neuer Kurs in Venezuela?
Die Zukunft Venezuelas und der Venezolaner ist nun ungewiss. Chávez wusste um die Schwere seiner Krankheit und sprach sich für Maduro von der "Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas" (PSUV) als seinen Nachfolger aus. Der Verfassung gemäß müsste nach dem Tod des Präsidenten innerhalb von 30 Tagen ein Nachfolger gewählt werden.
Die Nationale Wahlkommission in Venezuela hat mittlerweile den 14. April als Datum für die Neuwahlen bestimmt. Gegen den vorläufigen Präsidenten für die Übergangszeit ("Interimspräsident") Maduro wird der politische Gegner Henrique Capriles Radonski antreten. Er ist Gouverneur des Bundesstaates Miranda und unterlag gegen Chávez bei den letzten Wahlen im Oktober 2012.
Es ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Venezolaner sich eine Fortsetzung der Politik Chávez' wünscht. Der Tod von Hugo Chávez wird auch zeigen, wie stabil die Strukturen im Land sind, welche während seiner Präsidentschaft aufgebaut wurden und vielen seiner Anhänger zugutekamen.
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