11.11.2011
Auf der Konferenz der Weltnaturschutzorganisation (IUCN) wurde eine sehr wichtige Liste veröffentlicht: die "Rote Liste" der bedrohten Tiere und Pflanzen auf der Welt. Sie besagt, dass über ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten stark bedroht ist, und ein Viertel aller Säugetiere! Grund dafür ist vor allem, dass immer mehr Tiere und Pflanzen durch Jagd, Klimawandel und Umweltverschmutzung ihre Lebensräume verlieren. Der Mensch trägt also einen großen Anteil daran. Forscher und Tierschützer warnen davor, dass die Umwelt weiter zerstört wird und immer mehr Arten aussterben werden, wenn nicht schnell gehandelt und deutlich mehr zum Schutz der Natur getan wird.
Wissenschaftler stellten in Gland bei Genf kürzlich die "Rote Liste" 2011 vor - das ist eine Liste aller erfassten Tier- und Pflanzenarten, die gefährdet oder vom Aussterben bedroht sind. Diese Liste wird von der Weltnaturschutzunion IUCN erstellt und regelmäßig veröffentlicht. Die Abkürzung IUCN steht für "International Union for Conservation of Nature and Natural Resources" und bedeutet so viel wie "Internationale Naturschutzunion".
Diese Organisation befindet sich in der Schweiz, hat aber insgesamt über 1.000 Mitglieder in 62 Ländern auf der Welt. Sie setzt sich für den Schutz der natürlichen Lebensräume und den Erhalt der Arten ein und erinnert daran, dass dringend mehr zum Schutz der Natur getan werden muss. Ähnliche Listen werden auch in den einzelnen Ländern der Welt erstellt, in Deutschland sogar für die jeweiligen Bundesländer.
Mehr bedrohte Arten als letztes Jahr
In der "Roten Liste" werden bekannte Tier- und Pflanzenarten aufgeschrieben und bei jeder einzelnen Art wird untersucht, wie gefährdet sie ist. Fachleute beurteilen dabei, wie sich eine Art in der Vergangenheit entwickelt hat und wie ihre Entwicklung in der Zukunft sein könnte - es wird beispielsweise verzeichnet, wann die Tiere das letzte Mal gesichtet wurden und ob ihr Lebensraum weiter zerstört wurde. Anschließend wird errechnet, wie viele Lebewesen es von einer bestimmten Art vermutlich noch gibt.
Es gibt verschiedene Stufen, die angeben, wie stark eine Gefährdung eingeschätzt wird. Zum Beispiel wird unterschieden zwischen "ausgestorben" (wenn in den vergangenen Jahren kein Tier einer Art mehr gesichtet wurde), "vom Aussterben bedroht" (wenn innerhalb von zehn Jahren über 90 Prozent einer Art verschwunden sind), "stark gefährdet" (wenn der Bestand, also die Anzahl von Tieren einer Art, zwischen 70 und 90 Prozent zurückgegangen ist) und "gefährdet".
Insgesamt wurden bisher fast zwei Millionen Arten beschrieben - Wissenschaftler vermuten jedoch, dass es auf der Welt noch viel mehr Tier- und Pflanzenarten gibt, etwa zwischen zehn und 100 Millionen. Im Vergleich zum vergangenen Jahr sind im Jahr 2011 über 300 gefährdete Arten mehr verzeichnet worden. In der Roten Liste wurden dieses Jahr allerdings auch insgesamt mehr Tier- und Pflanzenarten erfasst - nämlich 60.000, von denen 3.801 als vom Aussterben bedroht, 5.566 als stark gefährdet und 9.898 als gefährdet eingestuft werden. Ungefähr ein Drittel aller Arten ist also bedroht. Die Liste verzeichnet außerdem 797 ausgestorbene Arten.
Viele Tiere und Pflanzen sind gefährdet
Noch immer sind viele Säugetiere stark gefährdet. Sie bilden zwar nur einen kleinen Teil aller Tierarten, aber weil sie für den Menschen meist besonders interessant und attraktiv sind, gelten sie als relativ gut erforscht. Die Wissenschaftler stufen fast ein Viertel der insgesamt 5.490 erfassten Säugetierarten als "vom Aussterben bedroht", "stark gefährdet" oder "gefährdet" ein. Somit ist der Bestand vieler Säugetiere auf der Welt nicht gesichert - es ist unklar, ob es sie auch in den nächsten Jahren noch geben wird.
Besorgnis erregend ist zum Beispiel die Situation bei den Nashörnern: Das westliche Spitzmaulnashorn ist bereits für ausgestorben erklärt worden und die Unterart "Nördliches Breitmaulnashorn" wird als "möglicherweise ausgestorben" eingestuft. Weiterhin leben nur noch sehr wenige Iberische Luchse in freier Wildbahn, vor zehn Jahren waren es noch fünfmal so viele dieser seltenen Katzenart. Deshalb wird die Tierart auch als "vom Aussterben bedroht" eingeordnet. Viele Säugetierarten sind in den vergangenen Jahren bereits ausgestorben - zum Beispiel der Davidshirsch, von dem keine Tiere mehr in freier Wildbahn leben, sondern nur noch ein paar Exemplare in Zoos. Die Zahl der tatsächlich gefährdeten Säugetiere ist vermutlich noch viel höher, viele Säugetierarten sind aber bisher zu wenig erforscht.
Besonders alarmierend ist allerdings die Situation der Amphibien: 41 Prozent der Arten werden hier als vom Aussterben bedroht, stark gefährdet oder gefährdet eingestuft - 19 Arten von Fröschen, Kröten oder Salamandern stehen erstmals auf der Roten Liste und acht davon befinden sich laut dieser kurz vorm Aussterben. Neben der Zerstörung von Lebensraum sorgt vor allem eine neue Pilzart für das Massensterben, die sehr gefährlich für Amphibienarten ist. Ebenso zahlreiche Vögel gelten als bedroht: Insgesamt sind mehr als zwölf Prozent aller erfassten Vogelarten auf der Roten Liste - unter ihnen zum Beispiel viele Trappenarten, die zur Ordnung der Kranichvögel gehören. Außerdem sind besonders viele Pflanzenarten betroffen - 70 Prozent werden als gefährdet eingestuft. So war beispielsweise die chinesische Wasserfichte in China und Vietnam einst weit verbreitet. Nun gilt sie bereits als "vom Aussterben bedroht". Grund dafür ist die Zerstörung ihrer Verbreitungsräume - insbesondere die Vernichtung von Wäldern zugunsten von Ackerflächen für die Landwirtschaft.
Auch Säugetiere in Deutschland sind bedroht
In Deutschland gibt es ungefähr 100 Säugetierarten, davon werden einige mittlerweile als gefährdet oder bedroht bezeichnet - so zum Beispiel der Finnwal, der Europäische Ziesel, der Atlantische Nordkaper und der Europäische Nerz. Auch der Feldhase ist in Deutschland immer seltener zu sehen. Neben Säugetieren wurden auch Haus- und so genannte "Nutztiere" wie Hunde, Pferde, Rinder, Schafe, Schweine, Enten, Kaninchen, Hühner und Bienen untersucht. Das Angorakaninchen gilt zum Beispiel als extrem gefährdet, weil es nur noch ganz wenige Züchter gibt.
Forscher machen darauf aufmerksam, dass Säugetiere sehr wichtig für das Leben vieler weiterer Tier- und Pflanzenarten sind. Sie sind fest eingebunden in ein Ökosystem und damit in die Nahrungskette zahlreicher Lebewesen: Jede Art lebt mit vielen weiteren in einem gemeinsamen Ökosystem. Die Tier- und Pflanzenarten dieses Systems sind abhängig voneinander. Sie sorgen entweder für die Nahrung anderer Arten - so stellen sie zum Beispiel eine mögliche Beute für bestimmte Raubtiere dar - oder sie tragen zur Entstehung von neuem Leben bei, wie die Biene, die Blüten bestäubt. Fällt ein wichtiges Glied der Nahrungskette weg, kann es sogar sein, dass der ganze "untere" Teil dieser Kette daran zugrunde geht.
Erfreulich: Einige Tiere wurden wieder gesichtet
Neben diesen schlechten Nachrichten gibt es aber auch etwas Positives zu berichten: Einige Tierarten, von denen man schon glaubte, dass sie ausgestorben sind, wurden wieder vermehrt gesichtet. Zum Beispiel wurde in der Mongolei vor einiger Zeit das in freier Wildbahn ausgestorbene Przewalski-Pferd in Gefangenschaft gezüchtet und wieder in der Wildnis ausgesetzt. Dort schafften es einige Pferde zu überleben.
Diese Pferdeart wurde also erfolgreich "ausgewildert" und mittlerweile leben wieder ungefähr 300 Arten in freier Wildbahn. Deshalb wurde die Pferdeart von "vom Aussterben bedroht" auf "stark gefährdet" herabgestuft. Eine solche Auswilderung klappt nur in manchen Fällen: Wenn Tiere durch den Menschen aufgezogen werden, zum Beispiel in Zoos, ist es für sie sehr schwer, in der Natur zu überleben. Denn sie müssen erst lernen, sich ihre Nahrung selbst zu beschaffen. In den Zoos wurden sie zuvor schließlich von den Tierpflegern gefüttert.
Vertrieben und verkauft
Es gibt viele Ursachen für die dramatische Entwicklung. Der Hauptgrund ist die Zerstörung der Lebensräume oder allein das Vordringen des Menschen in von Tieren bewohnte Gegenden. So werden die Lebensräume der Tiere zerstört, weil Wälder abgeholzt werden, um noch mehr Weideflächen für Zuchttiere wie Kühe oder Schweine zu schaffen, Äcker anzulegen, neue Siedlungen und Straßen zu bauen oder auch, um an Rohstoffe wie Gold heranzukommen. Die Tiere werden somit zunehmend verdrängt und finden nicht mehr genug Nahrung. Durch die Zerstörung von Lebensräumen werden sogar - vor allem in den noch längst nicht vollständig erforschten südamerikanischen Regenwäldern - Tier- und Pflanzenarten vernichtet, die uns völlig unbekannt sind.
Eine weitere Ursache ist die Jagd. Viele Tiere werden gejagt, weil ihre Knochen, ihre Zähne, ihr Fleisch oder ihr Fell sehr begehrt sind. Der Handel und der Kauf von Produkten bedrohter Tiere sind verboten, man macht sich dadurch strafbar. Trotzdem jagen viele Menschen solche Tiere, weil sie dadurch weiterhin viel Geld verdienen können. So ist zum Beispiel der Tiger "stark gefährdet" und in einigen Teilen der Welt sogar schon ausgestorben. Tigerknochen werden vor allem für traditionelle chinesische Medikamente verwendet und sehr teuer verkauft. Experten sind der Meinung, dass der Tiger sehr bald ausgestorben sein wird, wenn die Jagd nicht beendet wird. Auch viele Walarten sind bedroht und werden wegen ihres begehrten Fleisches dennoch gejagt. In Japan und anderen Ländern gilt Walfleisch als "teure Delikatesse" - so wie in China die Suppe aus Haifischflossen. Zahlreiche Haiarten sind heute bedroht.
Durch die Fischerei werden viele im Wasser lebende Tierarten gefährdet. Viele Fische werden auch als "Beifang" getötet - zum Beispiel werden bei der Jagd nach Thunfischen auch viele Delfine mitgefangen. Durch Beifang werden unzählige Meeresbewohner ohne Nutzen getötet - oft ist die Anzahl dieser Tiere am Ende viel höher als die Zahl der eigentlich gejagten Fische. Auch die starke Umweltverschmutzung sorgt dafür, dass Arten aus ihren ursprünglichen Lebensräumen verschwinden. Beispiele hierfür sind das Einleiten von giftigen Chemikalien in Flüsse oder Meere oder das Auslaufen von Öl aus verunglückten Schiffen.
Es muss dringend gehandelt werden
Um diese dramatische Entwicklung zu verhindern, sollten zum Beispiel für besonders gefährdete Tier- und Pflanzenarten spezielle Schutzgebiete eingerichtet werden. Dort könnten die Tiere sich dann ungestört weiter vermehren, sodass sich ihre Populationen erholen. Auch müssten der Handel und die Jagd auf gefährdete Arten gestoppt werden.
Bei der Fischerei müsste viel stärker auf die Fangtechnik geachtet werden. Tiefseefischer zum Beispiel ziehen ihre Schleppnetze über den Meeresgrund. Dabei zerstören sie Riffe, die teilweise Jahrtausende gebraucht haben, um zu entstehen. Viele Tiefsee-Fischarten pflanzen sich nur langsam fort und ihr Bestand wird bedroht. Außerdem sollten die Fische während der Laichzeit nicht gefangen werden, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich zu vermehren. Junge Fische, die sich selbst noch nicht fortgepflanzt haben und noch klein sind, könnte man durch größere Maschen in den Netzen vor dem Fang bewahren. Dies würde eine dauerhafte Befischung der Meere erleichtern. Der Begriff hierfür ist "Nachhaltigkeit" - in Bezug auf den Tierfang bedeutet das, dass trotz der Jagd auf eine Tierart immer darauf geachtet wird, dass der Bestand sich selbst erhalten kann.
Es ist zwar zu vermuten, dass irgendwann alle Arten aussterben werden - das ist der unvermeidliche Weg der Evolution, also der Entwicklung des Lebens auf der Erde. Über 99 Prozent der von der Evolution hervorgebrachten Lebewesen gibt es heute nicht mehr, obwohl viele einst perfekt an ihre Umwelt angepasst waren. Denn die Umweltbedingungen ändern sich stetig oder plötzlich - zum Beispiel durch eine Naturkatastrophe. Selbst die Dinosaurier, die einst die Erde beherrschten und am oberen Ende der Nahrungskette standen, sind vor ungefähr 65 Millionen Jahren von der Erde verschwunden. Dadurch, dass der Mensch die Natur jedoch in so kurzer Zeit durch eigene Hand massiv zerstört, vernichtet er in Kürze auch seinen eigenen Lebensraum und die Quelle seiner Nahrung. Nicht nur deshalb ist es höchste Zeit zu handeln.
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