G8-Gipfel in Deutschland

Heftige Debatten um Freiheit, Sicherheit und Grundrechte

Teil 1 von 2

von Britta Pawlak - 06.06.2007

Auf dem G8-Gipfel treffen die Staatschefs der wirtschaftlich stärksten Länder zusammen. Rund um den Gipfel gibt es viele Debatten. Verstößt der Umgang mit G8-Kritikern gegen Grundrechte, oder handelt es sich um notwendige Maßnahmen? Was kritisieren die G8-Gegner? Wie sehr dürfen Rechte Einzelner eingeschränkt werden, wenn es dem Schutz anderer dient? Das jüngste Urteil des Oberverwaltungs- gerichtes Greifswald stößt auf Empörung: Das öffentliche Kundtun seiner Meinung ist in Heiligendamm nun doch in einer weitläufigen Zone verboten.

Regierungsvertreter der acht mächtigsten Industriestaaten auf dem G8-Gipfel 2006 in St. Petersburg
White House, USA

Kürzlich hat Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Regierungserklärung zum Treffen der G8, der "Gruppe der Acht", verlesen. Jedes Jahr treffen auf dem G8-Gipfel die Vertreter der sieben führenden Industriestaaten und Russland zusammen. Das diesjährige Treffen findet Anfang Juni im deutschen Kurort Heiligendamm an der Ostsee statt. Unter dem Motto "Wachstum und Verantwortung" stehen Fragen zu Weltwirtschaft, Klimaschutz und wirtschaftlicher Unterstützung ärmerer Länder auf dem Programm.

Gegner der "Globalisierung" kritisieren die Handlungen in der Weltwirtschaft. Sie werfen der G8 vor, eine Politik zu betreiben, die vor allem den reicheren Ländern zugute kommt. Sie bemängeln, dass im Welthandel, der von den mächtigen Staaten angeführt wird, ärmere Länder stark benachteiligt werden. Ziele der G8-Gegner sind gerechtere Verhältnisse zwischen den Staaten. Die führende Politik solle weniger auf ihren Vorteil und die eigenen Gewinne ausgerichtet sein und deutlich mehr gegen Missstände und Armut auf der Welt unternehmen.

Die globalisierungskritische Bewegung Attac besteht seit 1998 und hat weltweit etwa 90.000 Mitglieder.
Malula/ Wikimedia Commons

Im Vorfeld des G8-Gipfels wurde heftige Kritik laut, welche Maßnahmen gegen die Menschen ergriffen werden, die mit der Politik der mächtigen G8-Staaten nicht einverstanden sind und demonstrieren wollen. Diese sehen ihr Grundrecht auf Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit missachtet. Diskutiert wurden auch die hohen Ausgaben des deutschen Staates im Rahmen des G8-Gipfels, um sich als "guter Gastgeber" zu präsentieren. Die Kosten für die Vorbereitungen, die luxuriöse Unterkunft der Politiker, das riesige Polizeiaufgebot und weitere aufwendige Sicherheitsmaßnahmen werden auf ungefähr 120 Millionen Euro geschätzt.

Stacheldraht und Demonstrationsverbot

Hoher Schutzzaun in Heiligendamm: Das Demonstrationsverbot soll nun doch in einem Umkreis von fünf bis zehn Kilometern um den Zaun herrschen.
Wikipedia

Das Hotel, in dem das Treffen stattfindet, wird von einem 13 Kilometer langen, extra errichteten Sicherheitszaun abgeschirmt. Das von einem Verwaltungsgericht gefällte Urteil, dass Demonstranten bis auf 200 Meter an den Zaun herankommen dürfen, wurde wieder gekippt. Das ursprünglich geplante Demonstrationsverbot in einem Umkreis von fünf bis zehn Kilometern um das Gelände sollte nun doch gelten.

Die Kritiker hatten gegen die riesige Verbots-Zone, die geplant war, geklagt - und von einem Verwaltungsgericht zunächst recht bekommen. Eine G8-Polizeieinheit legte sofort Beschwerde gegen das Urteil ein. Daraufhin sollte lediglich eine Demonstration auf der Bundesstraße B 105 erlaubt sein, die etwa fünf Kilometer von Heiligendamm entfernt verläuft. Zusätzlich wurden Demonstrationen auch noch an anderen Orten stark eingeschränkt: neben Heiligendamm auch am Flughafen in Rostock-Laage und in Schwerin. Das Urteil stieß nun wiederum auf Empörung in Deutschland und auch anderen Ländern.

Die G8-Kritiker zogen in einem Eilverfahren vor das Bundesverfassungsgericht, das oberste Gericht. Es sei schließlich Sinn und Zweck einer Demonstration, zu zeigen, dass man mit etwas nicht einverstanden ist - und zwar so, dass es auch von denjenigen, denen die Kritik gilt, gehört wird. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte jetzt aber das Urteil: Der geplante Sternmarsch von Protestlern in Heiligendamm bleibt verboten. Der Anwalt der Sternmarsch-Organisatoren sprach von einem "schweren Rückschlag für den friedlichen Protest im G8-Umfeld" und einem "schwarzen Tag für die Versammlungsfreiheit in Deutschland". Die Gegenseite argumentierte, dass ihre Maßnahmen für die Sicherheit notwendig seien, da Gewaltausschreitungen befürchtet werden.

Krawalle während der Großdemonstration in Rostock

Demonstration von G8-Gegnern in Freiburg mit großem Polizeiaufgebot.
Pixelio

Viele Protestler sind dagegen verärgert, als "Krawallmacher" abgestempelt zu werden. Sie betonen, dass die überwiegende Mehrheit der G8-Kritiker aus friedlichen, politisch engagierten Menschen besteht. Ihrer Ansicht nach stellen die radikalen, gewaltbereiten Protestler eine Randerscheinung dar. Wie bei anderen Demonstrationen auch, wäre es deshalb Aufgabe der Polizei, vor Ort für Sicherheit zu sorgen - anstatt Proteste zu verbieten. G8-Gegner werfen vielen Politikern vor, sie und die wenigen radikalen Gruppierungen "in einen Topf zu werfen".

Innenminister Schäuble und Kanzlerin Merkel sagten vor kurzem sogar, Demonstrationen seien gewünscht, solange sie friedlich ablaufen. Viele finden allerdings, dass die Handlungen und Pläne der Politiker dies nicht gerade glaubhaft machen. Eher haben sie den Eindruck, dass die Regierung den gefürchteten Konflikt damit entschärfen will, dass sie - zumindest mit Worten - auf die Kritiker zugeht. Bei dem ersten großen Protest im Rahmen des Gipfels in Rostock kam es am Wochenende zu Ausschreitungen.

Nahezu Tausend Menschen wurden verletzt, einige Polizisten und Demonstranten sogar schwer. Gewaltbereite Protestler setzten Autos in Brand und warfen mit Steinen. Daraufhin setzte die Polizei Tränengas und Wasserwerfer ein. Die große Mehrheit der Protestler demonstrierte aber friedlich. Sie verurteilen die Gewaltbereitschaft dieser Gruppen und bedauern die Vorfälle. Dennoch warfen einige auch der Polizei vor, nicht auf Schlichtung ausgewesen zu sein. Diese hätte daraufhin die Demonstration massiv gestört und wäre auch gegen zahlreiche friedliche Protestler aggressiv vorgegangen. Die Polizei weist den Vorwurf entschieden zurück und ist der Meinung, angemessen auf die Ausschreitungen reagiert zu haben.

G8-Gipfel 2001: Schwere Ausschreitungen in Genua

Polizisten gehen bei einer Demonstration während des G8-Gipfels in Genua gegen Protestler vor.
Wikipedia

Tragische Szenen spielten sich zum Beispiel während des G8-Gipfels 2001 in Genua/ Italien ab. Dieser wurde durch schwere Auseinandersetzungen zwischen der italienischen Polizei und Demonstranten überschattet. Das harte Eingreifen durch Polizisten rief weltweit Empörung hervor. Durch das brutale Vorgehen gegen Protestler wurden Aggressionen noch geschürt, die Situation eskalierte.

Schon im Vorfeld hatten italienische Politiker vor "bürgerkriegsähnlichen Zuständen" gewarnt, ein riesiges Polizeiaufgebot wurde angeordnet und man ließ alle Grenzen streng überwachen. Polizisten und Carabinieri (polizeiliche Militär-Gendarmerie) griffen auch friedliche Demonstranten an, und die Stimmung heizte sich auf. Tränengas und Schlagstöcke wurden eingesetzt, unzählige Protestler verhaftet. Ein 23-jähriger Italiener wurde von einem Carabiniere erschossen, nachdem der Demonstrant ihn mit einem Feuerlöscher angegriffen hatte. Der Carabiniere sagte später aus, sich bedroht gefühlt zu haben, er wurde freigesprochen. Weiterhin gab es über 400 Verletzte. Einige Polizisten wurden von Demonstranten später wegen Körperverletzung oder sogar Folterung angeklagt.

Sicherheit oder Untergrabung der Menschenrechte?

Globalisierungsgegner demonstrieren in Edinburgh.
Wikipedia

Schon Wochen vor dem Gipfel in Heiligendamm wurden viele Wohnungen von Menschen durchsucht, die als "G8-Gegner" eingestuft werden. Kritiker sehen darin eine Großrazzia, die Gewalt und Konflikte schürt. Die Verantwortlichen haben die Maßnahme verteidigt: Dies sei nötig, um einen möglichen Terroranschlag zu verhindern. Außerdem hieß es, dass in Hamburg im Vorfeld zum G8-Gipfel Briefe Verdächtiger geöffnet wurden. Dies ist eigentlich nicht rechtmäßig und verstößt gegen das Briefgeheimnis.

Hohe Wellen schlugen auch die "Schnüffelproben". Sie wurden in der Diktatur der ehemaligen DDR von der Staatssicherheit ("Stasi") angewandt, um Menschen, die mit der Politik nicht einverstanden waren, ausfindig zu machen. Dabei geben Verdächtige ihren Geruch ab - zum Beispiel, indem sie eine Metallstange in der Hand halten. Polizeihunde können mit ihrem feinen Geruchssinn herausfinden, ob eine Spur am Tatort mit der Geruchsprobe übereinstimmt. Eigentlich setzt die Polizei solche Spurhunde gezielt bei Ermittlungen gegen Straftäter oder im Drogenhandel ein. Bei der Maßnahme gegen G8-Gegner aber wurde der Vorwurf von "Stasi-Methoden" ausgesprochen. Auch viele Politiker der Grünen, der Linken und der SPD reagierten empört. Schäuble (CDU) betonte, dass die Geruchsproben nur im Falle von Anschlägen eingesetzt und ansonsten vernichtet würden. Dennoch wurden zuvor Proben von Menschen auf Verdacht genommen.

Amnesty international: "Schürung der Terror-Angst"

In US-Gefangenlagern wurden Inhaftierte durch amerikanische Soldaten brutal gefoltert.
US-Militär

In ihrem gerade veröffentlichten Jahresbericht 2007 kommt die Menschenrechtsorganisation amnesty international zu dem Urteil, dass die Regierungen mit dem Hinweis auf den drohenden Terror weltweit Ängste schüren und den Schutz der Grundrechte herunterzuschrauben. Vor allem den USA wird immer wieder vorgeworfen, im Namen der "Terrorbekämpfung" massiv gegen Menschenrechte zu verstoßen.

So wurden zum Beispiel Menschen ohne feste Beweise als "Terroristen" in Militär-Gefangenenlagern festgehalten, und ihnen wird nicht der normale Status in einem demokratischen Rechtsstaat gewährt. In den US-Gefängnissen Abu Ghuraib (Irak) und Guantánamo (Kuba) wurden sogar brutale Folterungen an Häftlingen bekannt.

Wolfgang Schäuble ist mit seinen Plänen zur "vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung", zuletzt durch das Vorhaben, Computer oder E-Mails auf Verdacht auszuspionieren, sehr in die Kritik geraten.

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letzte Aktualisierung: 15.08.2009

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