Nach der Bundestagswahl: Wer wird in Deutschland regieren?

Teil 1 von 2

von Britta Pawlak - 27.09.2017

Es bleibt auch nach der Bundestagswahl spannend und nun stellt sich die Frage: Wer wird zukünftig in Deutschland regieren? Fest steht, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin bleiben wird. Ihre Partei, die CDU/ CSU, hat ein Drittel aller Wählerstimmen erhalten und steht damit an der Spitze. Sie und die SPD können zwar die meisten Stimmen auf sich vereinen, jedoch haben die großen Parteien im Vergleich zur letzten Wahl deutlich schlechter abgeschnitten. Überraschend ist, dass die AfD, die noch nie im Bundestag vertreten war, drittstärkste Partei ist. Das führt nun kurz nach der Wahl zu vielen Debatten, denn die AfD wird als "rechte" Partei eingestuft, einige ihrer Mitglieder gelten sogar als radikal und fremdenfeindlich. Wie geht es nun weiter?

Die CDU/ CSU haben zwar im Vergleich zur letzten Wahl deutlich an Stimmen verloren, sie werden mit 32,9 Prozent der Stimmen jedoch weiterhin die stärkste Kraft im Bundestag sein.
Sven Mandel, Creative Commons (CC BY-SA 4.0)

Das vorläufige Endergebnis der Wahl steht bereits fest, noch ist aber nicht ganz klar, welche Parteien das neue Regierungsbündnis bilden werden. Bereits jetzt können bestimmte Bündnisse jedoch ausgeschlossen werden, während andere als möglich oder wahrscheinlich gelten. Denn: Eine Partei oder ein Bündnis aus mehreren Parteien, die sich zusammenschließen, muss mehr als die Hälfte aller Wählerstimmen erhalten haben, um regieren zu können. Die stärkste Partei in der Regierung stellt dann im Allgemeinen auch den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin.

Somit gilt als sicher: Angela Merkel (CDU), die seit 2005 im Amt ist, wird weiterhin Bundeskanzlerin und damit Regierungschefin bleiben. Die CDU/ CSU hat mit 32,9 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis aller Parteien erzielt, obwohl sie im Vergleich zur vergangenen Bundestagswahl im Jahr 2013 ganze 8,6 Prozent der Wählerstimmen verloren hat. Die SPD ist mit 20,5 Prozent an zweiter Stelle, hat aber im Vergleich zur vergangenen Wahl ebenfalls deutlich schlechter abgeschnitten und 5,2 Prozent der Stimmen verloren.

Überraschend stark hat die umstrittene AfD mit 12,6 Prozent abgeschnitten und wird damit nicht nur erstmalig in den Bundestag einziehen, sondern sogar die drittstärkste Kraft sein. Sie wird gefolgt von der FDP, die auf 10,7 Prozent kommt und damit auch wieder im Bundestag vertreten sein wird. Bei der vergangenen Wahl scheiterte sie an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Linke hat mit 9,2 Prozent der Stimmen ein gutes, jedoch nicht überragendes Ergebnis erzielt, dies gilt ebenso für das Bündnis 90/Die Grünen mit 8,9 Prozent. Beide Parteien konnten im Vergleich zur Bundestagswahl 2013 ein wenig dazugewinnen. Die Prozentzahl der Stimmen, die die Parteien bei den Wahlen erzielen konnten, entscheiden wiederum über die Sitze, die ihr zukünftig im Bundestag zustehen. Je mehr Politiker einer Partei im Parlament sitzen, desto mehr Macht und Einfluss hat sie in politischen Fragen.

Mit wem wird die CDU/ CSU regieren?

Martin Schulz trat als Kanzlerkandidat für die SPD an. Das Ziel, den neuen Bundeskanzler zu stellen, hat die Partei jedoch verfehlt. Da sie ein weiteres Bündnis mit der CDU/ CSU ausschließt, wird sie in den nächsten vier Jahren nicht an der Regierung beteiligt sein.
Ziko van Dijk, Creative Commons (CC BY-SA 4.0)

Somit wird die CDU/ CSU zwar erneut in der Regierung sein, jedoch muss sie erst ein gemeinsames Bündnis - eine so genannte "Koalition" - mit anderen Parteien bilden, um zu regieren. Zwar ist die SPD zweitstärkste Kraft, sie hat aber ein weiteres Bündnis mit der CDU/ CSU klar abgelehnt. Das heißt, die "Große Koalition" aus den beiden großen Parteien CDU und SPD, wie wir sie in den vergangenen vier Jahren hatten, wird nicht fortgesetzt.

Als nächstes werden deshalb so genannte "Sondierungsgespräche" zwischen den Parteien geführt, um zu sehen, ob ein gemeinsames Bündnis infrage kommt. Dabei besprechen die Parteien, ob sie sich auf bestimmte Ziele und politische Entscheidungen einigen können, um gemeinsam zu regieren. Denn jede Partei hat vor der Wahl eine klare politische Richtung vorgegeben und konkrete Ziele genannt. Fest steht jedoch, dass in einem Regierungsbündnis immer auch Kompromisse gemacht werden müssen.

Die Parteien können also nicht alle ihre geplanten Vorhaben umsetzen, sondern müssen sich einig werden und auch Zugeständnisse machen - dies gilt vor allem für die kleineren Parteien im Bündnis, die weniger Wählerstimmen und somit weniger Sitze im Bundestag erhalten haben. Deshalb überlegt sich eine Partei auch gut, ob sie sich wirklich an der Regierung beteiligen möchte oder lieber in der "Opposition" bleibt - so nennt man die Parteien, die zwar in den Bundestag gewählt wurden, aber nicht regieren. Auch sie haben eine wichtige Rolle, können je nach Anzahl ihrer Sitze im Bundestag einen gewissen Einfluss auf die Politik nehmen und die Arbeit der Regierung kontrollieren und kritisieren.

Was ist das "Jamaika-Bündnis"?

Das Jamaika-Bündnis wurde nach der Flagge Jamaikas benannt, weil diese die Farben Schwarz, Gelb und Grün enthält - die Parteifarben von CDU/ CSU (Schwarz), FDP (Gelb) und Bündnis 90/ Die Grünen (Grün).

Da die FDP stets der "Wunschpartner" der CDU/ CSU für eine gemeinsame Koalition war und ist und die beiden Parteien einige ähnliche politischen Ziele verfolgen, ist es wahrscheinlich, dass die FDP an der Regierung beteiligt sein wird. Jedoch reichen ihre Stimmen auch gemeinsam nicht für ein Regierungsbündnis aus, so dass sie nur zusammen mit einer dritten Partei eine Koalition bilden können. Hier kämen die Grünen infrage, die zwar in vielen Punkten andere Ansichten vertreten als die CDU/ CSU und die FDP - vor allem im Bereich Umweltschutz und in sozialen Fragen -, eine gemeinsame Regierung aber nicht grundsätzlich ausschließen.

Sollten etwa die beiden anderen Parteien einige Zugeständnisse im Bereich Umweltschutz machen, wäre ein gemeinsames Bündnis dieser drei Parteien denkbar. Diese Koalition wird auch "Jamaika-Bündnis" genannt, weil die Farben der drei Parteien, nämlich Schwarz (CDU/ CSU), Gelb (FDP) und Grün (Bündnis/90 Die Grünen) an die Flagge Jamaikas erinnert. Bei den Wählern ist das Jamaika-Bündnis aufgrund der Unterschiede zwischen Schwarz-Gelb und Grün nicht allzu beliebt. Während die Wähler der CDU/ CSU und FDP befürchten, dass die beiden Parteien insbesondere in Fragen zum Umweltschutz und zur Energiepolitik zu stark von ihren Zielen abweichen müssen, haben die Wähler der Grünen Angst, dass die Partei in wichtigen Fragen alleine dasteht und nicht genügend Mehrheiten in der Regierung hat, um das durchzusetzen, was sie den Menschen vor der Wahl versprochen hat. Sie sehen die Partei dann eher als einen "Erfüllungsgehilfen" für eine schwarz-gelbe Regierung, der selbst aber wenig Einfluss auf die Politik im Land nehmen kann.

Heftiger Streit in der AfD

Alice Weidel war eine der Spitzenpolitiker im Wahlkampf der Alternative für Deutschland (AfD).
Hermann Luyken, Wiki Creative Commons (CC0 1.0)

Zu vielen Diskussionen bereits kurz nach der Wahl hat das gute Abschneiden der "Alternative für Deutschland" (AfD) geführt, die erst 2013 gegründet wurde und stets umstritten war. Grund dafür ist die national-konservative bis rechte Ausrichtung der Partei, die in Teilen als fremdenfeindlich bezeichnet wird - bestimmte Parteimitglieder werden sogar dem Lager der "Neonazis" zugerechnet. Die AfD stand von Beginn an für eine Politik, die deutlich stärker die Interessen Deutschlands in den Mittelpunkt rückt, etwa vor der Gefahr eines zunehmenden Einflusses des Islams auf die westliche Kultur warnt und die Grenzen für Not leidende Flüchtlinge aus anderen Ländern weiter dicht machen will. Auch der Europäischen Union und der gemeinsamen Euro-Währung steht die Partei kritisch bis ablehnend gegenüber.

Allerdings ist die Partei selbst in sich gespalten und uneinig in der Frage, wie rechts oder extrem sie eigentlich ist oder sein will. Immer wieder kam es deshalb in der AfD zu Konflikten und Austritten führender Politiker - zuletzt kündigte die Parteivorsitzende Frauke Petry ihren Rücktritt an. Es heißt nun, sie wolle mit ihrem Lebengefährten, dem AfD-Politiker Marcus Pretzell, eine neue Partei gründen. Frauke Petry konnte sich 2015 gegen Bernd Lucke durchsetzen, der eine weniger "rechte" Richtung vertrat und die Partei nach dem verlorenen Machtkampf verließ. Mittlerweile gilt allerdings Petry im Vergleich zu ihren Parteikollegen als gemäßigt und kritisierte immer wieder, dass die Partei sich nicht deutlich genug von rechtsradikalen Standpunkten abgrenzen würde.

Bereits vor der Wahl gab es Auseinandersetzungen zwischen ihr sowie Jörg Meuthen, Alexander Gauland und Alice Weidel, die eine führende Rolle im Wahlkampf spielten. Unter anderem ging es um rassistische Äußerungen anderer Parteimitglieder wie Björn Höcke oder Gauland selbst, gegen die sich die Partei nach Meinung Petrys viel deutlicher aussprechen müsste. Dafür wurde sie nach der Wahl von ihren AfD-Kollegen kritisiert und kündigte daraufhin an, nicht der Fraktion der AfD im Bundestag angehören zu wollen und die Partei zu verlassen. Da die Politikerin bei der Bundestagswahl in ihrem Wahlkreis viele Erststimmen erhalten hat, konnte sie ein Direktmandat gewinnen und wird damit auch unabhängig von der AfD einen Sitz im Bundestag erhalten.

Warum haben so viele Menschen rechts gewählt?

Unter denen, die der AfD ihre Stimme gegeben haben, sind viele Protestwähler und politisch Enttäuschte. Sie haben nicht mehr das Gefühl, dass die altbekannten Parteien ihre Sorgen ernst nehmen und ihre Interessen vertreten - während die AfD dafür wirbt, "anders" als die anderen und eine "volksnahe" Partei zu sein.
Opposition24, Flickr.com (CC BY 2.0)

Nun wird darüber diskutiert, welchen Weg die AfD in Zukunft einschlagen wird, schließlich hat sie als drittstärkste Partei im Bundestag viel Einfluss. Möglich ist, dass einige Mitglieder Petry folgen werden und es eine Spaltung der AfD geben wird. Das könnte die Partei schwächen und ihr schaden, allerdings birgt es auch die Gefahr, dass die AfD sich weiter radikalisiert, also noch extremer und rechter in ihrer Ausrichtung wird. Außerdem gibt es viele Debatten darüber, warum so viele Wähler in Deutschland einer rechten Partei ihre Stimme gegeben haben.

Dabei müssen die Wähler der AfD allerdings unterschieden werden. Es gibt zum einen die radikaleren bis rechtsextremen Wähler, die tatsächlich die fragwürdigen oder rassistischen Aussagen einiger AfD-Politiker gutheißen und diese teilen - oder sogar noch rechtere Ansichten vertreten. Diese machen aber eher einen kleinen Teil der Wählerschaft aus. Daneben gibt es nicht wenige verunsicherte und besorgte Wähler, die in Zeiten der Flüchtlingskrise und einem zunehmenden radikal-islamischen Terror in Deutschland und Europa die westlichen Werte in Gefahr sehen und Angst davor haben, dass Deutschland sich zu stark verändern und seine "demokratischen Wurzeln" verlieren könne. Sie können dem national-konservativen Lager zugeordnet werden.

Viele Deutsche, die der AfD bei der Bundestagswahl ihre Stimme gegeben haben, gelten in jedem Fall eher als Protestwähler oder politisch Enttäuschte, die sich einen grundsätzlichen Wandel in der Politik wünschen, als als Anhänger extremistischer Positionen. Aus diesem Grund sehen viele eine Mitschuld für das Erstarken einer "neuen Rechten" bei der bisherigen Regierung und der Politik der großen Parteien, von denen sich viele Wähler nicht ernst genommen oder betrogen fühlen. Sie wählen die AfD, weil ihnen beispielsweise die CDU unter Merkel in vielen Bereichen zu "freiheitlich" geworden ist, weil sie sich nach konservativen Werten sehnen, weil sie den Entwicklungen in der Politik der Europäischen Union und der Wirtschaft skeptisch gegenüber stehen und glauben, ihre Interessen und Belange würden durch die altbekannten Parteien immer weniger vertreten werden.

Dass ein großer Teil der AfD-Wählerschaft nicht unbedingt radikal eingestellt sind, zeigt sich zum Beispiel darin, dass die umstrittene Rede des AfD-Politikers Höcke zum Holocaust-Mahnmal Anfang 2017 nicht nur für Empörung in der Öffentlichkeit sorgte, sondern sich die Umfragewerte der AfD daraufhin deutlich verschlechterten. Ihm wurde vorgeworfen, in Teilen Gedankengut der Nazis zu vertreten, als er das Holocaust-Mahnmal in Berlin scharf kritisierte und äußerte, dass die Deutschen "das einzige Volk der Welt" seien, "das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt hat pflanzen lassen." Dies stieß auch bei denen, die der AfD ihre Stimme geben würden, auf deutliche Ablehnung Kritik. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich die Partei nach der Wahl und nach dem Austritt der Spitzenpolitikerin Frauke Petry entwickeln wird.

Wahl zum 19. Bundestag 2017
Vorläufiges Endergebnis – Zweitstimmen
%
40
30
20
10
0
32,9
20,5
12,6
10,7
9,2
8,9
5,0
Union
SPD
AfD
FDP
Linke
Grüne
Sonst.
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu 2013
%p
8
6
4
2
0
-2
-4
-6
-8
-10
-8,6
-5,2
+7,9
+5,9
+0,6
+0,5
-1,3
Union
SPD
AfD
FDP
Linke
Grüne
Sonst.
Sitzverteilung nach Parteimitgliedschaft
Von 709 Sitzen entfallen auf:
  • Linke: 69
  • SPD: 153
  • Grüne: 67
  • CDU: 200
  • CSU: 46
  • FDP: 80
  • AfD: 94

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letzte Aktualisierung: 28.09.2017

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